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„Atomwaffen Division“ in Thüringen?

Einleitung

Als im März 2019 rund 800 AntifaschistInnen in Eisenach gegen rechte Hegemonie und für eine antifaschistische Offensive demonstrierten, standen sowohl medial als auch aus der Stadtgesellschaft nicht die rechten Übergriffe und Alltagsbedrohungen im Fokus, sondern die angebliche Gefährlichkeit von AntifaschistInnen.
Läden wurden verbarrikadiert, CDU und AfD schürten Stimmung gegen die Demonstration. „Chaoten wollen Eisenach stürmen“ lautete der Titel einer Boulevard-Zeitung, der Generalsekretär der CDU Thüringen verstärkte die Panikmache durch entsprechende Erklärungen.

Foto: Pixelarchiv

Leon R. im Rahmen des aufgelösten RechtsRock-Konzertes im Juli 2019 in Eisenach

Die Demonstration strafte die Panikmache Lügen, zog lautstark durch Eisenach und versuchte, auf die vor Ort bestehende rechte Gewalt aufmerksam zu machen. Die Ignoranz und Leugnung der in Eisenach fast alltäglichen rechten Bedrohung besteht jedoch weiterhin – daran änderte auch die seit mehreren Wochen öffentlich thematisierte Neonazi-Gruppe „Atomwaffen Division“ (AWD) mit ihrem deutschen Ableger und deren Verbindung nach Eisenach nichts. In den USA wird die „Atomwaffen Division“ derzeit für acht Morde sowie einen verhinderten Sprengstoffanschlag auf ein Kernkraftwerk verantwortlich gemacht. In Deutschland tritt die „Atomwaffen Division“ bisher mit Morddrohungen gegen Politikerinnen und Politiker in Erscheinung.

Mit dem geleakten Neonazi-Forum „Iron March“ wurden private Chats öffentlich, aus denen hervorging, dass deutsche Neonazis es u.a. für die Vernetzung mit rechtsterroristischen Strukturen in den USA nutzten. Aus den privaten Nachrichten des Nutzers „Antidemokrat“ ergab sich, dass er in der rechten Szene in Ostdeutschland aktiv ist, Verbindungen zur Neonazi-Gruppe „Antikapitalistisches Kollektiv“ (AKK) pflegte und die Neonazi-Szene vor Ort über ein eigenes Objekt verfüge. In privaten Nachrichten gab er sich als „Leon“ aus. Schnell wurde deutlich, dass es sich um Leon R., einen Neonazi aus Eisenach handeln dürfte, der u.a. in neonazistischen Kampfsportstrukturen vernetzt ist, mit dem „Kollektiv 56“ eine Neonazi-Kampfsportstruktur mit aufbaute, beim neonazistischen „Kampf der Nibelungen“ (KdN) in Ostritz teilnahm und bereits durch Drohungen gegenüber AntifaschistInnen auffiel.

Die ursprüngliche Anmeldung von Leon R. erfolgte im „Iron March“-Forum als „lotharkoenig“, unter dem Namen eines bekannten Stadtjugendpfarrers, der sich seit Jahrzehnten gegen Neonazis engagiert. Die erste Umbenennung erfolgte in „subcprsk“, schließlich in „Antidemokrat“. Unter dem ursprünglichen Nutzernamen „lotharkoenig“ schrieb Leon R. unter anderem: „Deutschland ist meine Religion, Hitler ist mein Prophet.

Indizien weisen darauf hin, dass Leon R. nicht nur an dem Video der „Atomwaffen Division Deutschland“ beteiligt gewesen sein könnte, sondern möglicherweise auch unter dem selben Nutzernamen „subcprsk“ sowohl bei „Fascist Forge“ als auch im vom LKA Niedersachsen stillgelegten Forum „xplosives.net“ aktiv war. Dort schrieb ein Nutzer namens „subcprsk“ über den Gebrauch von Sprengstoff. Aus dem nahen Umfeld von Leon R. ist zu hören, dass er bereits als Jugendlicher mit entsprechenden Materialien hantiert haben soll. In einer Instagram-Story war zu sehen, wie u.a. Leon R. auf dem Weg nach Tschechien ist, betitelt war das Bild mit „Tschechienfeldzug“. Das nächste Foto zeigt ein Schießtraining.

Leon R. ist seit Juli 2019 als Betreiber des „Bulls Eye“ eingetragen, einer Eisenacher Kneipe, die auch von Neonazis genutzt wird. Unkompliziert war es somit für rund 50 Neonazis, das für den 20. Juli 2019 angekündigte, ursprünglich verbotene und im „Flieder Volkshaus“ (Neonazi-Objekt in Eisenach) aufgelöste Neonazi-Konzert mit den RechtsRock-Bands „Frontalkraft“ und „Flatlander“ schließlich in der Kneipe von Leon R. stattfinden zu lassen. In einem in Chatgruppen verbreiteten Video sind Teile des Auftrittes von „Frontalkraft“ zu sehen. Während auch das Publikum Gewaltphantasien besingt, sind Hitlergrüße zu sehen.

Die Aktivitäten von Leon R. reichen jedoch über Eisenach und Deutschland hinaus. Im Jahr 2017 nahm er in Kiew am „National Socialist Black Metal“-­Fest „Asgardsrei“ teil, das wiederum Verbindungen zur bewaffneten ukrainischen „Asow“-Miliz haben soll. Auf dem Programm stand u.a. „Absurd“, die Band des Thüringer Neonazis Hendrik Möbus. Laut Recherchen der „ZEIT“ stand dieser wiederum in Verbindung mit Kyle M, einem weiteren mutmaßlichen Mitglied der „Atomwaffen Division“, dem die Einreise nach Deutschland verweigert wurde.

Leon R. scheint aktuell keine Repressionen zu befürchten. Erst am 7. Dezember 2019 war er einer der Veranstalter eines weiteren Neonazi-Events in Eisenach, auf  dem der letzte Pfleger von Rudolf Heß  im Spandauer Gefängnis zu der Frage „War es Mord?“ referierte.