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„Punkfront“ im Geiste der NSDAP?

Einleitung

Im Juli 2015 erschien die CD „Der zweite Streich“ der Neonazi-Punk-Band „Punkfront“. Die Berliner Band hat sich so deutlich zum Nationalsozialismus bekannt, das man sie nicht mehr unter „Grauzone“ verbuchen braucht. Selbst der Berliner Senat kam nicht darum herum, die Band im „Verfassungsschutzbericht Berlin 2013“ unter der Rubrik „Rechtsextremismus“ aufzulisten.

Foto: Screenshot von facebook.de

Kaum im Fokus sind jedoch befreundete rechte „Punk“-Bands und das breite Umfeld der „Grauzonen“-Bands. Von hier sind die Übergange zu krampfhaft „unpolitischen“ oder „antipolitischen“ Punk-Bands fließend, die auch in alternativen und linken Räumen ein und ausgehen.

Punks als Unterstützer der Neonazi- Bewegung

Ende der 1970er Jahre gab es in Eng­land die Gruppe „Punk Front“, die aus Neonazi-Punks be­stand und als eine Art Jugendorga­ni­sation der Neonazi-Par­tei „Bri­tish Na­tio­­nal Front“ un­ter­stand. Es gab ein eigenes Fanzine und vier eigene Punk-Bands die für „Punk Front“ 1979 auf einem „Rock Against Communism“-Konzert der „National Front“ auftraten. In einem Interview erklärte Punkfront der Homepage punksnotred.org, das der gleiche Name kein Zufall ist: „Our name come from the Punkfront from England in the early 70th. And we thougth that is the right name for us.1 Im selben Interview grenzen sie sich von unpolitischen Punkbands ab: „For us dosnt exist this no politic live style. Everyone is political. we are a right wing punk band2 .

Von „unpolitisch“...

Die Geschichte der Neonazi-Band „Punkfront“ ist mit der Geschichte der betont „unpolitischen“ Punkband „Lost and Found“ aus Wernigerode/Blankenburg verbunden. Mit Text-Zei­len wie „wir schei­ßen auf eure Po­li­tik, es gibt nie­man­den, der uns lenkt3 ver­su­chten „Lost and Found“ den An­schein zu er­we­cken, sie wären „un­po­li­tisch“. Ihr Politik­be­griff beschränkte sich dabei of­fen­sicht­lich auf das, was di­rekt mit Staat und Par­tei­en zu tun hat. Mit dem Label „Gegen Po­li­ti­cal Cor­rect­ness“ kam die Band bes­tens in rech­ten Sze­ne­krei­sen an. Lokale Antifaschist_innen wussten zu der Band zu berichten: „Der Bas­sist, der schon vor­her durch Angrif­fe auf ver­meint­li­che An­ti­fa­schis­ten auf­fiel, ver­ließ nach re­la­­tiv kur­zer Zeit die Band, um nun, in Ber­lin woh­nend, Rechts­rock mit der Na­zi­punk­band „Punk­front“ zu ma­chen.“4

... zu offen rechts

Die Band „Punkfront“ macht aus ihrem politischen Standpunkt kein Geheimnis. Zu ihrer CD „100% Hass“ erklärte sie in einem Interview im Juli 2011: „It is a statement from us as a band against the red jerks, that they have to stay away (...) Und Morgens Ruft Der Muezzin is a sarcastic written song about the muslim invasion of our European culture. Fuck Crust...Yes I think the name say it all. A song about anti Germans and other left wing scum (...) Yes, Berlin is really red! And you have really many immigrants here (...) I think bands like Landser or now called Die Lunikoff Verschwörung is one of the most famous bands from here.5 Im Interview mit einem anderen Blog erklärte der Punkfront-Gittarist: „I like Faustrecht realy much. For me they are one of the best poli­tical bands in Germany. Personaly, I am intres­ted in Gregor Straßer6 . A big man in the early history of the N***P.“7

Acht (versuchte) Konzerte...

...gemeinsam mit maximal 25 anderen Musik-Projekten in zwei Jahren. Die Live-Auftritte der Band sind noch sehr überschaubar, zeigen aber auf, wo der neonazistische Flügel der Punk-Bewegung beheimatet ist. Bisher wurden acht (versuchte) Konzertauftritte bekannt. Die ersten Konzerte fanden nach Angaben der Band im September 2010 zusammen mit „Endstufe“ (Bremen) und „Shaven Heads“ (NRW) in West-Deutschland und mit „Elbroiber“ (Magdeburg) und „Notlöh­sung“ (Wernigerode) in Ost-Deutschland statt. Das westdeutsche Konzert fand am 11. September 2010 in Oldenburg im Clubhaus der Rockergruppierung „Red Devils“ vor ca. 100 BesucherInnen statt. Das zweite Konzert wurde für den 25. September 2010 unter dem Motto „Strassenrock im Center“ zusammen mit den Bands „Notlöhsung“ und „Fiese Kerle“ in Wernigerode beworben. Im Februar ​2011 sol­lten „Punkfront“ zu­sam­men mit den Bands „3:2 pro MH“ (Tschechien), „Pro­hi­bice“ (Prag) und „Beer­s­treet Bois“ (Slovakei) für das „Boots & Bra­ces Zine“ unter dem Motto „100% Street­punk Party Vol.3“ in Prag (Tsche­chi­en) auftreten. Das Konzert fiel wegen antifaschistischer Proteste aus. Als ein Veranstalter wurde von lokalen AntifaschistInnen Thomas D. („Duchin“) benannt, der in Tschechien bereits mehrere rechte Konzerte unter dem Motto „Boot Boys are back“ organisierte. Da im Zuge des verhinderten Konzertes in Prag auch einige Autos von rechten Skinheads zu Bruch gingen, fand am 2. April 2011 im „Keith-Club“ in Magdeburg ein „Solikonzert für Opfer linker Gewalt“ mit den Bands „Punkfront“, „Elb­roiber“, „Notlöhsung“, „Kriegsberichter“ (Magdeburg) und „Angry Bootboys“ statt. Dieses Konzert war u.a. durch „Punkfront“ selbst mit organisiert worden.8  Am 13. August 2011 trat „Punkfront“ auf einem Freiluft-Konzert unter dem Motto „come on boys! hear the white noise !!“ für „white working class kids“ in Colditz/OT Möseln (Sachsen) auf. Angekündigt wurden die Bands „Last Riot“ (Köthen), „Ohne Worte“ (Mülsen), „Overdressed“ (Chemnitzer Land), „The Granits“ (Oberlausitz), „Verboten“ (West-Sachsen) und „Old Glory“ (Jena). Das rechte Pub­li­kum wurde von „Punkfront“ u.a. mit einem Cover des Liedes „Der Morgen wird unser sein“ von der RechtsRock-Band „Division Germania“ erfreut.9 Unklar ist ob ein für 2011 beworbenes „Punkfront“-Konzert unter dem Motto „Rock dap Dörp“ in Bad Sege­berg (Schleswig-Holstein) mit den rechten Bands „Flak“ (Rheinland), „Motorhate“ (MV), „Timebomb“ (Schleswig-Holstein), „Fight Tonight“ (Sachsen-Anhalt) und „Wiege des Schicksals“ (Mecklenburg-Vorpommern)“ tatsächlich stattfand. Es folgte am 31. März 2012 ein Auftritt auf einem RechtsRock-Konzert, welches der Neonazi Oliver Malina in Nienhagen für rund 200 Gäste organisiert hatte. Hier teilte „Punkfront“ sich die Bühne mit „Abtrimo“ (Hamburg), „Angry Boot Boys“ und „Endstufe". Bei dem RechtsRock Konzert „Saxonian Summer Skinhead“ trat „Punkfront“ mit „Overdressed“, „Angry Bootboys“ und „White Rebel Boys“ (Hof) auf die Bühne.10 Hierbei dürfte es sich um ein Konzert am 18. August 2012 in Torgau/ OT Staupitz gehandelt haben, zu dem rund 160 Gäste erschienen. Am 24. November 2012 zog es „Punkfront“ erneut nach Döbeln. Hier waren sie zu einem Konzert mit dem Liedermacher „Oiram“ (Mario Albrecht) aus Dessau und den Bands „White Rebel Boys“ und „Sachsenblut“ (Freiberg) eingeladen worden.

Die Band und ihre Produzenten

„Punkfront“ brachte mittlerweile zwei CDs und zwei Splitalben auf rechten Musik-Labels heraus. Die CD „100% Hass“ erschien 2010 auf dem neo­na­zis­ti­schen „Oi Ain’t Red Re­cords“-​La­bel, wel­ches zum eben­falls neo­na­zis­ti­schen „Ad­ler-​Ver­sand“ von Bertino Adler aus Hil­des­heim gehört. Die „Punkfront“-CD mit dem Titel „Angry young and punk“ erschien im März 2012 zusammen mit der Band „The Angry Boot Boys“ beim „Oldschool-Record Label“ von Benjamin Einsiedler aus Bad Grönenbach (Bayern). Eine Split-LP (Mai 2013) von „Punkfront“, „Smart Violence“ und „Hammerstroke“ erschien im RechtsRock Label „Rebel Records“ von Martin Seidel aus Cottbus. Die jüngste „Punkfront“-CD „Der zweite Streich“ erschien ebenfalls beim „Oldschool-Record Label“.

Im neonazistischen „Thiazi“-Forum hieß es in einer begeisterten Besprechung der CD „100% Hass“ zu Punkfront: „Die Band be­steht zur Zeit aus 2 Punks und 3 Skins und ver­steht sich als Punk­rock-​Band. Aber im Ge­gen­satz zu 99% der dor­ti­gen Grup­pen ist ihre Va­ter­lands­lie­be nicht ver­schütt ge­gan­gen.“ In einem Interview mit dem Fanzine „UPRISE DIRECT“ heißt es: „Punk Front are Martin at the drums, Stoffel vocals, Schmidt „Schmidtgart“ bass, Tim at the second guitar and me, Patrick at the first guitar.“ In einem weiteren Interview tritt der Sänger „Stoffel“ als „Little Buddha“, Patrick als „Pedding“ und Tim als „Beam“ auf.11  Hinter „Martin at the drums“ steht der Berliner Punker Martin S., welcher früher in nicht-rechten Punk- & OI-Bands gespielt hat. Er trägt bei Punkfront auch den Spitznamen der „Unbärtige Bärtige“.2 Der Bassist ist in der Szene unter „Schmidtgard“ oder „Drunken“ bekannt und soll mindestens an einem  RechtsRock-Event im Mai 2013 in Nienhagen teilgenommen haben.12 Der „Punkfront“-Gitarrist "Patrick" spielt auch bei der Band „Smart Violence“ (bundesweit) mit, welche als Nachfolge-Projekt der Band „Angry Bootboys“ gilt. Er ist auch in die Band „Musikgruppe“ involviert, die aus Mitgliedern der Bands „White Rebel Boys“, „Overdressed“, „Moiler“, „Überzeugungstäter Vogtland“, „Verboten“ und „Dangerzone“ besteht. Hinter "Patrick" steht Patrick C., der sowohl in Weimar (Thüringen) und Berlin unterwegs ist.

Fazit

„Punkfront“ ist weit davon entfernt innerhalb der Punk-Bewegung oder der Neonazi-Bewe­gung irgendeine Art von (politischer) Relevanz zu entwickeln. In Zeiten von Nazi-Hipstern, NS-Hip-Hop, NSHC und „n’Socialist Soundsystem“ ist „NS-Punk“ auch kein wirkliches (musikkulturelles) Schock-Thema mehr. Das Band-Projekt scheint eher der subkulturellen Selbstbespaßung eines kleinen Personenkreises zu dienen. Sie ist aber die logische Konsequenz aus den zahlreichen Schnittstellen zwischen „unpolitischen“ Punk-Bands, „Grauzonen“-Bands und der RechtsRock-Szene. Gerade hier muß „Punkfront“ als ein reales Bindeglied zwischen „unpolitischem“ Oi!, „Grauzone“ und hartem RechtsRock benannt werden. „Punkfront“ ist damit in Deutschland in der Form noch ein Einzelfall, in anderen europäischen Ländern gibt es ähnliche und weitaus erfolgreichere RechtsRock/PunkRock-Band-Projekte seit vielen Jahren. Beim Zusammenrücken von RechtsRock und „Grauzone“ ist ein Aspekt jedoch nicht zu vernachlässigen: Die „unpolitische“ bis rechte OI!/Punk/Grauzonen-Szene stellt mittlerweile ein lohnendes Geschäftsfeld innerhalb der Subkulturen da. Profiteure der verschwimmenden Grenzen in diesem Bereich dürften rechte und neonazistische Labels und Konzert-Veranstalter sein.

  • 1Punkfront Interview auf punksnotred.org, 11. Oktober 2010
  • 2 a b ebd.
  • 3Lied „Die Jungs von Lost and Found“ auf „verloren geglaubt“
  • 4Halberstadt: Rechtsoffenes Konzert am 05.10.2013 im Salut auf http://harzinfo.blogsport.de
  • 5Punkfront Interview, 17. Juli 2011 auf uprisedirect.blogspot.de
  • 6Gregor Strasser, andere Schreibweise auch Straßer, war NSDAP-Politiker. Er beteiligte sich am missglückten Hitlerputsch und wurde NSDAP-Reichspropagandaleiter und später NSDAP-Reichsorganisationsleiter.
  • 7Interview 21. Oktober 2011, Punk Front(en), http://out19of69control. blogspot.de
  • 8„Schmidtgard“ in dem Neonazi-Skinhead-Fanzine Viva Saxonia #3
  • 9Fanzine „Heimwärts“ # 4
  • 10Fanzine „Heimwärts“ # 4, Fanzine „Viva Saxonia“ #3
  • 11Feindkontakt Nr.9
  • 12Halberstadt: Rechtsoffenes Konzert am 5. Oktober 2013 im Salut auf http://harzinfo.blogsport.de