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Anti-Migrations-Kampagne

Devin Burghart für Antifa-Net
Einleitung

Die republikanische Partei von Präsident Georg W. Bush verlor bei den Zwischenwahlen 2006 die Kontrolle über das Repräsentantenhaus sowie den Senat. Wut über die Korruption und die Verzweiflung über die Situation im Irak brachte eine große Anzahl von unabhängigen Wählern dazu, sich in diesem Falle für Kandidaten der demokratischen Partei zu entscheiden. Gleichzeitig erzielten die Republikaner sehr unterschiedliche Resultate mit einem Thema, von dem sie dachten, dass es besonders ihre Stammwähler ansprechen würde: Einwanderung.

Bild: flickr.com; Steev Hise/CC BY-NC-SA 2.0

Obwohl neue Zuwanderer aus Osteuropa, Südostasien und Afrika einen beträchtlichen Anteil der migrantischen Bevölkerung in den USA ausmachen, sind es die braunhäutigen, spanischsprechenden Migranten aus Mexiko und Mittelamerika, über die sich die weiße anglophone Mehrheit am meisten echauffiert. Ihrer Ansicht nach, sind Migranten mit gültigen Papieren und solche ohne Papiere ein und dieselbe Gruppe.

Die wachsende Anti-Migrations-Bewegung rekrutiert sich zwar aus den verschiedensten politischen Spektren, wird jedoch gesteuert von einer Gruppe weißer Nationalisten. Von nationalsozialistischen Kadern, über weiße Bürgergruppen bis hin zu neuen Bürgerwehren, wie die so genannte Minuteman Civil Defense Cops, hat die alte Politik der weißen Vormachtstellung neuen Einfluss in der Republikanischen Partei sowie im bürgerlichen Diskurs gefunden.

700 Meilen Grenzzaun

Bereits 2004 planten die republikanischen Strategen gezielte Verbalattacken auf Migranten, um ihre politische Basis anzustacheln. Die Republikaner griffen die Demokraten öffentlich für ihre zu nachlässige Grenzpolitik und die Unterstützung der Amnestie an. Im Endspurt zu den Wahlen inszenierten republikanische Abgeordnete eine Reihe von Kampfabstimmungen im Kongress, wie die vorverlegte Abstimmung über den Bau, nicht die Finanzierung, eines 700 Meilen langen Grenzzaunes zwischen den USA und Mexiko.

Werbespots der entsprechenden Kampagne zeigten im September und Oktober 2006 düstere Bilder von braunhäutigen Menschen, die sich durch Zäune zwängen im Fernsehen. In den Spots wurde behauptet, dass Kandidaten der Demokraten illegalen Einwanderern besondere Vergünstigungen zuteil werden ließen, Amnestie für Gesetzesbrecher forderten und warnten deshalb vor einer Invasion illegaler Ausländer.

Unglücklicherweise antworteten die Demokraten auf diese Angriffe nicht mit einer prinzipiellen Verteidigung der Menschenrechte für Migranten. Trotzdem demonstrierten im Frühjahr Millionen von Menschen in vielen Städten der USA gegen Gesetze, die Menschen ohne Papiere zu Schwerverbrechern machen würden.

Die anschließende Organisierung und die Kampagne zur Wählerregistrierung waren Teil des zivilgesellschaftlichen Erwachens in der Latino- Community und resultierte aus eben diesen Angriffen. Die Republikanische Anti-Migrations-Kampagne trieb die Latino-Wähler in die Arme der Demokraten. Umfrageergebnissen zufolge hatte Bush 2004 noch 44 Prozent der der Latinostimmen für sich gewinnen können. In diesem Jahr wählten die Latinos zumeist die Demokraten. 17,8 Prozent der Latinos fällten ihre Wahlentscheidung in diesem Jahr aufgrund der Zuwanderungspolitik, verglichen mit 3,4 Prozent im Jahr 2004.

Als im November 2006 gewählt wurde, erhielten Kandidaten, die sich gegen Zuwanderung ausgesprochen hatten ein geteiltes Echo. Umfragen und Analysen, die vor den Wahlen durchgeführt wurden, zufolge war illegale Zuwanderung weniger wichtig für die Wähler, als beispielsweise die Situation im Irak, der Terrorismus oder die Wirtschaft.

Arizona, ein Bundesstaat, der an Mexiko grenzt, verdeutlichte die Dualität der Wahlergebnisse am stärksten. Im Wettlauf um den US-Senat wurde der ehemalige Staatssenator Randy Graf zum Vorzeigeprominenten der Anti-Migrations-Bewegung. Als lautstarkes Mitglied der Minutemen-Bürgerwehr, aber auch als Berater der Gruppe Protect Arizona Now (PAN), die im Jahre 2004 eine Kampagne für die Durchführung einer Volksabstimmung gegen Einwanderung anführte. Als Berater der PAN fungierte außerdem ein selbsternannter weißer »Separatist«, der dem redaktionellen Beirat des Rundbriefs des weißen nationalistischen Council of Conservative Citizens und der rassistischen und antisemitischen Publikation The Occidental Quarterly angehört.

Während der Kampagne der PAN bemühte sich Graf um die Hardliner der Bewegung, indem er sich über seine Minutemen-Mitgliedschaft hinwegsetzte und die Wiederinkraftsetzung eines US-Deportationsprogramms aus den 1950er Jahren forderte. Er erhielt finanzielle Rückendeckung von Gruppen wie den Minutemen und Anti-Immigrationskomitees. Während der republikanischen Vorwahlen schlug Graf einen von der Parteispitze unterstützten Kandidaten. Im November verlor er allerdings gegen seinen demokratischen Kontrahenten.

Auch J.D. Hayworth, sechsmaliger Kongressabgeordneter, verpasste seine Wiederwahl. Er wollte auf den Zug der Anti-Immigrationsbewegung aufspringen und veröffentlichte ein Buch mit dem Titel »Koste es was es wolle: Illegale Einwanderung, Grenzsicherheit und der Krieg gegen den Terror«. Er forderte einen dreijährigen totalen Einwanderungsstopp für Mexikaner. Wie Graf wurde er von Anti-Einwanderungsgruppen und den Minutemen unterstützt. Während der gleichen Zeit wurden in Arizona bei Volksabstimmungen die Rechte illegaler Einwanderer massiv beschnitten und Englisch zur offiziellen Amtssprache gemacht. Jeder dieser Beschlüsse wurde mit über 70 Prozent der Stimmen angenommen, obwohl keine Partei sich im Vorhinein offiziell für den Volksentscheid engagiert hatte.

Der Republikaner Tom Tancredo, Leiter des sogenannten Kongressausschusses zur Einwanderungsreform, wurde im Amt bestätigt. Tancredo hat als neuer Vertreter des rechten Rands der Republikaner die Rolle von Pat Buchanan1 eingenommen. Im Jahr 2005 hatte sein Ausschuss 104 Mitglieder. Neunzig dieser Kongressmitglieder wurden wiedergewählt, zwei offene Sitze im Kongress gingen an Kandidaten der Einwanderungsgegner. Damit ist der Anti-Immigrationsausschuss wohl der größte ideologische Ausschuss im nun mehrheitlich demokratischen Kongress.

Bewaffnete Bürgerwehren bekommen Stimmen

Die Minutemen begannen ihre Aktionen im April 2005 mit 200 Mitgliedern, die auf Hochsitzen oder auf »Patrouillen« am Grenzabschnitt in Arizona samt großkalibriger Gewehren und waffenbestückter Jeeps Ausschau nach Illegalen hielten. Infolge wochenlanger intensiver Berichterstattung wuchs der Einfluss der weißen nationalistischen Bürgerwehr enorm. Obwohl sie sich mittlerweile in zwei große Fraktionen gespalten haben – das Minutemen Projekt (MMP) und das Minutemen Zivilschutz Korps (MCDC) - haben sie inzwischen 67 Abteilungen in 25 Staaten und über 40.000 Beitragszahler.

Der wachsende Einfluss macht sich bemerkbar – wurde die Gruppe anfangs vom Präsidenten und anderen Politikern abfällig als »Bürgerwehr« bezeichnet, werden die Minutemen heute fieberhaft umworben. Der MCDC-Vorsitzende Chris Simcox hielt während des Endspurts der Senatswahlen eine Wahlrede mit dem republikanischen Senator George Allen in Virginia, der MMP-Führer Jim Gilchrist (zu den Kongresswahlen war er als unabhängiger Kandidat angetreten) unterstützte den republikanischen Kandidaten John Hostettler in Indiana.

Obwohl ihre Grenzpatrouillen im Jahr 2006 allmählich im Sande verliefen, formten sie zwei politische Aktionskomitees zur finanziellen Unterstützung von Wahlkandidaten. In dieser Wahlperiode brachten sie knapp 700.000 $ auf. Die Minutemen bestimmen die Tagesordnung der Bewegung. Sie haben sich als »echte Opposition« etabliert. Wie auch andere rechte Lobbies haben sie es geschafft, beide großen Parteien in ihre Richtung zu ziehen. Die Vorstellung der weißen Nationalisten, eines Zaunes gegen die »Invasion« der Dunkelhäutigen, ist nicht länger allein dem Ku Klux Klan vorbehalten, sondern in den politischen Mainstream eingegangen. Zahlreiche Gesetzesentwürfe gegen Migranten werden 2007 eingebracht werden. Es werden sogar schon Rufe nach »Tancredo for President '08« laut. 

  • 1Buchanan ist ein extrem rechter TV-Kommentator und mehrfacher Präsidentschaftskandidat, der seiner früheren Partei, den Republikanern, vorwirft, mit ihren konservativen Prinzipien gebrochen zu haben.