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Antifaschismus in den USA

US-amerikanischen Korrespondenten des AIB
Einleitung

Gegen weiße Rassisten und christlichen Nationalismus

Die Hauptströmungen der antifaschistischen und antirassistischen Bewegung in den USA entsprechen zwei Hauptströmungen der radikalen Rechten. Die erste ist die sogenannte Christliche Rechte, die mit ihrem christlichen Nationalismus ein theokratisches Regime anstrebt. Die zweite ist die weiße rassistische (White Supremacist) Bewegung, die wiederum zwei Flügel hat: einer zielt auf die »Mitte der Gesellschaft« und will wieder ein vollständiges Monopol von wirtschaftlicher, sozialer und politischer Macht erlangen, der andere versteht sich als »Avantgarde« und kämpft für ein rein-weißes Territorium, das ethnisch gesäubert ist von JüdInnen und »Farbigen«.

Foto: flickr.vom; Newtown grafitti/CC BY 2.0

Man darf dabei nicht vergessen, daß Nordamerika - im Unterschied zu den meisten europäischen Ländern - seit dem Beginn der Kolonisierung immer multi-ethnisch war. Die USA wurden auf vier Säulen gegründet: Genozid an den Native Americans, Versklavung von Afrikanerinnen, Eroberung des Mestizo-Südwesten und ethnische Privilegien (white skin priviledges) für alle europäischen Immigrantinnen, unabhängig von ihrer Religion oder ethnischen Herkunft. Dagegen gab es von Anfang an eine von »Farbigen« geführte, antirassistische Opposition - mal im Aufschwung, mal im Abschwung. Obwohl es auch gegenwärtig vor allem unter schwarzen und Latino-Jugendlichen eine »Kultur des Widerstands« gibt, ist die Bewegung selbst nur schwach: ohne klare Ziele und starke Organisationen. Seit 1980 wurden die gesellschaftlichen Errungenschaften der 60er Jahre stetig ausgehöhlt. Deswegen führen antirassistische Gruppen vor allem Rückzugsgefechte, um Bürgerrechte für Schwarze, Gleichstellungsgesetze im Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt, Sozialleistungen und Kindergeld für Arme sowie Rechte von Immigrantinnen zu verteidigen. Eine wichtige Ausnahme ist die Nation of Islam (NOI). Die NOI ignoriert die Angriffe auf frühere Errungenschaften. Sie konzentriert sich auf den Rassismus der Polizei und der Justiz, wie viele andere schwarze und Latino-Organisationen auch. Die NOI zielt auf wirtschaftliche Unabhängigkeit der schwarzen Community. Zugleich ist sie durchzogen von Verschwörungstheorien, Antisemitismus und anderen reaktionären Phobien.

Kampf gegen den christlichen Nationalismus

Angeführt von der Christian Coalition des Fernsehpredigers Pat Robertson haben christliche Nationalisten in den 90er Jahren in vielen Bundesstaaten die Republikanische Partei übernommen. Sie dominieren Schulbehörden und Landesparlamente, stellen Kongress-Abgeordnete und US-Senatoren. Aber den christlichen Nationalisten ist es bisher nicht gelungen, die Republikaner auch auf Bundesebene zu kontrollieren und ihre eigenen Präsidentschaftskandidaten durchzusetzen. Die Folge davon ist, dass sich manche jetzt wieder von parlamentarischer Politik abwenden und sich lieber um den Aufbau von eigenen Schulen und Kirchen kümmern. Anfang der 1980er Jahre gründete die liberale Organisation People for the American Way Büros in Washington, DC, um den christlich-nationalistischen Kreuzzug zu bekämpfen. Die Organisation wird von prominenten Liberalen und durch regelmäßige Spendenkampagnen finanziert und konzentriert sich auf Medien- und Lobby-Arbeit. Obwohl sie später auch dezentrale Büros aufmachte, hat sie nie eine Verbindung zu Aktiven an der Basis aufbauen können. Mehrere kleinere Gruppen haben gute Recherchearbeit geleistet, vor Gericht gegen reaktionäre Gesetze geklagt und die Auswüchse der christlichen Rechten öffentlich gemacht. Aber es ist bisher nicht gelungen, landesweite Basis-Organisationen aufzubauen. Und weiße Liberale, die religiösen Pluralismus und das Recht auf Abtreibung verteidigen, haben meistens nichts zu tun mit schwarzen oder Latino-Organisation, die gegen Rassismus kämpfen. Auch die gemässigten protestantischen und katholischen Kirchen haben sich oberflächlich gegen die Fundamentalisten verteidigt. Aber sie beschränken sich meistens auf Medienarbeit, anstatt dass sie ihre Basis gegen die Rechten mobilisieren.

Den weißen Rassisten auf der Spur

Die beiden größten Organisationen gegen weiße Rassisten sind die jüdische Anti-Defamation League (ADL) und das Southern Poverty Law Center (SPLC). Beide machen Recherche und werden oft in den Massenmedien zitiert. Und beide haben Bildungsmaterialien für Schulen entwickelt. Zudem hat SPLC mehrere Gerichtsverfahren gegen weisse Rassisten gewonnen und mehrere Ku-Klux-Klan-Gruppen in den Ruin getrieben. In den vergangenen Jahren hat SPLC auch mit verschiedenen Basisgruppen gearbeitet, aber die besten Verbindungen hat es zu örtlichen Polizeibehörden. Auf der linksradikalen Seite gibt es Anti-Racist Action (ARA), eine Vereinigung von 75 örtlichen Gruppen vor allem aus der weißen Jugend-Subkultur. Die Stärke von ARA ist ihre Basis unter jungen kämpferischen Weißen, die bereit sind, dem Klan und den White-Power-Nazi-Skinheads auf der Strasse entgegenzutreten. Mehrere ARA-Gruppen arbeiten auch gegen den Rassismus der Polizei (»Copwatch«). Manchmal ergibt dies Bündnisse mit schwarzen und Latino-Jugendlichen. ARA bleibt aber organisatorisch schwach, politisch eher schlicht und unfähig zu dauerhafter Bündnisarbeit mit anderen Antifa-Gruppen. Zwischen diesen beiden Polen kämpfen verschiedene örtliche, regionale und landesweite Organisationen gegen rechte Gewalt. Sie gehen Bündnisse mit gemässigten jüdischen, schwarzen, Latino-, asiatischen und schwulen/lesbischen Organisationen ein. Gemeinsam fordern sie schärfere Gesetze gegen rechte Gewalt und eine bessere Ausbildung der Polizei. Aber aus diesen kurzfristigen Bündnissen sind bisher keine dauerhaften Basisbewegungen entstanden. Dennoch gibt es einige brauchbare Modelle für solche dauerhaften Organisierungen:

1. Im Südosten der USA gab es in den vergangenen Jahren eine gemeinsame Kampagne gegen Brandstiftungen in schwarzen Kirchen, an der Antifa-Gruppen, schwarze Geistliche, Bürgerrechts-Bewegte und einige weisse Geistliche beteiligt waren. Die Kampagne verlangte von den Bundesbehörden bessere Ermittlungen gegen die Brandstifter und sammelte Geld für den Wiederaufbau der zerstörten Kirchen. Aber die Kampagne konnte ihre Behauptung nicht beweisen, dass hinter den Brandstiftungen eine organisierte rechtsradikale Verschwörung stand.

2. Im Bundesstaat Louisiana gab es einen dreijährigen Kampf gegen den Neonazi David Duke. Die Kampagne recherchierte Dukes Aktivitäten und ermittelte durch Wählerbefragungen, wo Duke erfolgreich war und wo er Schwächen hatte. Dann schaltete die Kampagne Ati-Duke-Werbung in den Massenmedien. Obwohl Duke 1989, 1990 und 1991 eine Mehrheit der weißen WählerInnen (aber nicht in der Gesamtbevölkerung) in Louisiana bekam, konnte die Kampagne verhindern, dass er in den folgenden Jahren wieder auftauchte.

3. Im Farmgürtel des Mittleren Westens versuchten Rechtsradikale in den 80er Jahren, unter den krisengeschüttelten Landwirten zu rekrutieren. Sie behaupteten, das »jüdische Kapital« sei für die massive Farm-Krise verantwortlich. Dagegen wurden Antifa-Gruppen aktiv. In Zusammenarbeit mit Kirchen und Farm-Organisationen in der Region veranstalteten Antifas zweitägige Seminare, in denen es um die Strategie der Rechtsextremen und um Agrar-Okonomie ging. Insgesamt nahmen mehr als 2000 Leute an diesen Seminaren teil. Diese Leute wurden selbst zu Antifa-Aktivisten in ihren Dörfern und Kleinstädten. Dadurch wurde schliesslich die rechtsradikale Kampagne gestoppt.

4. In den 1990er Jahren haben die Northwest Coalition, die Coalition for Human Dignity (Koalition für die menschliche Würde) und das Montana Human Rights Network dutzende von kleinen Gruppen in den Kleinstädten und Städten des US-Nordwestens geschaffen. Dies sind vor allem (aber nicht ausschliesslich) weiße Communities mitten im »Arischen Heimatland«. Die  Stärke dieser Gruppen ist die beständige Bildungsarbeit unter weissen ChristInnen, unter anderem zur Verteidigung der Rechte der Native Americans. Aber ihre Schwäche ist ihre Unfähigkeit, WählerInnen gegen die Rechten zu mobilisieren und gegen die neueste Masche der weissen Rassisten vorzugehen. Seit dem Ende des Kalten Krieges hat der weiße Nationalismus zwei Feindbilder: ethnische Minderheiten und »Freihandel«. So gewannen die Rechten 1986 einen Volksentscheid in Kalifornien, mit dem die Rechte von Immigrantinnen eingeschränkt wurden. Und 1998 gewannen sie ein Referendum gegen Gleichstellungsgesetze im Bundesstaat Washington. Um die künftigen Auseinandersetzungen zu gewinnen, müssen Antifas das Thema Faschismus mit allgemeineren ökonomischen und politischen Themen verknüpfen - so wie es in Louisiana und im Farmgürtel geschehen ist.