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Antifaschistische Aktivitäten zum spanischen Nationalfeiertag

Einleitung

Der spanische Nationalfeiertag am 12.10., jahrzehntelang als „Día de la raza“ („Tag der Rasse“) zelebriert, erinnert an jene KolonialistInnen um Christopher Columbus, die 1492 in Lateinamerika landeten und einen Raubzug gegen die dortigen Bewohner_innen führten. Seit über 30 Jahren nutzt die extreme Rechte diesen Tag um in Barcelona aufzumarschieren und fast genauso lange regt sich auch antifaschistischer Widerstand dagegen

1993 gründete sich das antifaschistische Aktionsbündnis Plataforma Antifeixista in Barcelona und mobilisiert seitdem gegen die Aktivitäten spanischer Neonazis. Den Schwerpunkt bilden Aktionen gegen eine neonazistische Demonstration, die alljährlich anlässlich des nationalistischen spanischen Feiertages am 12.10. in Barcelona stattfindet. Zu dieser rief, wie bereits im letzten Jahr, das im Juli 2013 gegründete Neonazibündnis „La España en Marcha“ auf, das aus den Gruppierungen La Falange, Nudo Patriota Español (NPE), Alianza Nacional (AN), Movimiento Católico Español und Democracia Nacional (DN) besteht.

Noch Mitte der 1990er Jahre wurde von den Neonazis versucht ihre Demonstration im links-alternativen Stadtteil Barcelona-Sants durchzuführen. Diese Versuche riefen damals militanten antifaschistischen Widerstand hervor, der den Druck auf die Stadt erhöhte, sodass die Neonazis seit 2000 eine weniger zentral gelegene (Ausweich-)Route auf den Berg Montjuic nehmen müssen. 2001 hatte es zum vorerst letzten Mal eine größere antifaschistische Mobilisierung gegeben, die von militanten Auseinandersetzungen begleitet war. Nach einem Versuch den Montjuic zu stürmen, gab es nicht nur viele verletzte Antifaschist_innen und zahlreiche Festnahmen, sondern auch Diskussionen innerhalb der Plataforma Antifeixista über Strategie und Ausrichtung der Gegenproteste. Dies führte u.a. dazu, dass es über mehrere Jahre zu keiner antifaschistischen Mobilisierung mehr kam. Einzige Ausnahme bildet das Jahr 2007, in dem pazifistische Gruppen zu Gegenaktivitäten aufriefen. Die Plataforma Antifeixista begann erst im Jahre 2011 wieder mit einer eigenständigen Mobilisierung. Es gelang zwar nicht die Neonazidemonstration zu stören, doch wurde der Ort eines Rechtsrock-Konzertes, das am Abend im Stadtteil Barcelona-Poblenou stattfinden sollte, bekannt und es kam zu direkten Angriffen auf neonazistische KonzertteilnehmerInnen. In der Folgezeit setzte eine Reorganisierung der Plataforma Antifeixista ein und seit 2013 gibt es nun wieder eine kontinuierliche Mobilisierung gegen die Neonazidemonstration sowie einen antifaschistischen Kongress im Vorfeld.

Wie schon im letzten Jahr war auch diesmal das Antifaschistische Infoblatt vor Ort um die Proteste zu begleiten. Am Freitag trafen wir uns in Barcelona-Sants mit einigen Genoss_innen und schnell ging es um die für Sonntag angekündigte neonazistische Demonstration, die antifaschistischen Gegenproteste sowie das geplante Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens vom spanischen Staat. Zu dem Zeitpunkt war noch unklar, ob diese Debatte Auswirkung auf die Mobilisierungsfähigkeit der Neonazis haben könnte. Ganz konkret aber führte ein anderer Vorfall zu angespannter Stimmung mit Blick auf das Wochenende. Am 09.10. sollte in Barcelona ein Prozess gegen zwei Antifaschisten beginnen, die 2011 an den Angriffen gegen Neonazis beteiligt gewesen sein sollen. Vor Gericht gab es eine Kundgebung von etwa 30 Unterstützer_innen, die jedoch von 15 zum Teil behelmten und bewaffneten Neonazis u.a. Mitgliedern der im Stil Autonomer Nationalisten auftretenden Gruppe Casal Tramuntana (CT), von La Falange, der rassistischen Partei Plataforma per Catalunya (PxC) und der neonazistischen Partei Movimiento Social Republicano (MSR) unter „Heil Hitler“-Rufen angegriffen wurde. Die davon überraschten Kundgebungsteilnehmer_innen wurden im Anschluss von eintreffenden PolizistInnen mit Schlagstöcken attackiert und so von den neonazistischen Angreifern getrennt. Einige wenige Personalien wurden aufgenommen, zu Festnahmen kam es nicht.

Visca, visca, visca – Barcelona Antifeixista!

In diesem Jahr mobilisierten gleich drei Bündnisse gegen die Neonazis. Neben dem mehrheitlich von linken Parteien initiierten Bündnis Unitat contra el Feixisme i el Racisme, riefen insbesondere die beiden autonomen Zusammenhänge - Plataforma Antifeixista sowie Acció Libertària de Sants - dazu auf, den Auftaktort der Neonazis frühzeitig zu besetzen. Die beiden autonomen Antifa-Bündnisse wollten aber nicht nur am Tag selber Präsenz zeigen, sondern organisierten jeweils verschiedene inhaltliche und kulturelle Veranstaltungen im Vorfeld. So gab es bereits am 11.10. im Parc del Clot eine antifaschistische Kundgebung mit anschließendem Fußballturnier, an der etwa 150 Personen teilgenommen haben. Am Abend gab es dann, wie bereits im Vorjahr, einen antifaschistischen Kongress mit ca. 100 Teilnehmenden. Dort sprachen Aktivist_innen aus Valencia, Berlin und Madrid. Die Vertreterin der Antifeixistes País Valencià gab einen einführenden Überblick zur Entwicklung der Neonaziszene in Spanien. Prägnant beleuchtete sie die Anfänge neonazistischer Organisierung nach Verabschiedung des sogenannten Amnestiegesetzes 1977, über die Einbindung neonazistischer Hooligans des Fußballvereins Espanyol Barcelona und die u.a. damit einhergehende Zunahme gewalttätiger Auseinandersetzungen in den 1980er Jahren. Neuere Entwicklungen wie die zunehmende Verfestigung von Verbindungen ins Rotlicht- und Sicherheitsgewerbe sowie eine sich abzeichnende Institutionalisierung der extremen Rechten in Gestalt der PxC rundeten den Beitrag ab. Die beiden Referent_innen der Interventionistischen Linken aus Berlin zeigten in ihrem Vortrag nicht nur die bisher bekannten Ereignisse rund um den "Nationalsozialistischen Untergrund" auf, sondern beleuchteten insbesondere deren Entstehung im Kontext der Entwicklung der deutschen Neonaziszene in den 1990er Jahren und thematisierten abschließend die intensiven Verstrickungen deutscher Sicherheitsbehörden in diesen Komplex. Für eine lange Diskussion sorgte zum Ende des Kongresses ein Vortrag von zwei Antifaschisten aus Madrid. Diese waren für 14 Tage in der Ostukraine, insbesondere der Region Donbass unterwegs und präsentierten ihre dort gewonnen Eindrücke. Die Komplexität der Auseinandersetzungen konnte dies natürlich nicht erfassen und so setzte eine intensive Debatte mit anwesenden Anarchist_innen aus der Ukraine ein. Diese stellten die antifaschistische Perspektive der pro-russisch Kämpfenden, die in dem Vortrag vermittelt wurde, massiv in Frage.

Seperatistas – Terroristas!

Am Sonntag dann machten wir uns von Barcelona-Gràcia aus mit einigen lokalen Aktivist_innen auf dem Weg zum Vorabtreffpunkt für die antifaschistischen Blockaden. Kurz vor erreichen war klar, dass die Polizei an diesem Ort massiv präsent war. Fast zeitgleich wurde bekannt, dass sich die Neonazis wesentlich früher als angekündigt versammelten und der Plan einer vorzeitigen Besetzung nicht mehr aufrechtzuerhalten war. Erwartungsgemäß war zu diesem Zeitpunkt auch die Umgebung rund um den rechten Auftaktort schon von der Polizei abgeriegelt und so gab es in der Nähe zwar noch eine Kundgebung von etwa 150 Antifaschist_innen, diese war aber nicht in der Lage auf den Platz zu gelangen bzw. andere strategische Punkte zu blockieren. Ursprünglich sollte die neonazistische Demonstration um 11.30 Uhr vom Plaça de Sant Jordi beginnen. Aufgrund der antifaschistischen Mobilisierung, die öffentlich zur Besetzung des Startpunktes aufrief, mussten die, zumeist von außerhalb und mit Bussen nach Barcelona angereisten Neonazis ihr Vorhaben ändern. So trafen sie sich bereits ab 10 Uhr Nahe des Plaça de Espanya und liefen von dort aus, mit Parolen wie Patria, Nacion, Revolución!, Esu es la joventud de espana! und Seperatistas – Terroristas!, auf den Montjuic. Die etwa 400 Teilnehmenden, die sich aus den Gruppen DN, Democracia Nacional Joven, AN, Division Europa, La Falange, Frente x España und NPE zusammensetzen, verteilten sich auf der Demonstration in vier fast gleich große Blöcke, was nicht nur der Sichtbarmachung der einzelnen Gruppen diente, sondern in erster Linie Produkt interner Streitigkeiten ist. Störungsfrei erreichten die Neonazis ihren Kundgebungsort auf dem Montjuic und noch vor den letzten Redebeiträgen wurden unter Zuhilfenahme bengalischer Fackeln katalanische Fahnen verbrannt um im Anschluss spanische zu küssen. Nachdem klar war, dass weitere Störungen nicht wie geplant möglich sind, gab es eine spontane Demonstration an der sich ca. 500 Antifaschist_innen beteiligten und lautstark durch den Stadtteil Sants zogen.

Parallel zur neonazistischen Demonstration gab es auf dem Plaça de Catalunya noch die zentrale Kundgebung zum spanischen Nationalfeiertag und gegen die Unabhängigkeit Kataloniens, an der nach Presseinformationen etwa 35.000 Menschen teilnahmen. Aufgerufen hatte das konservative Bündnis Societat Civil Catalana mit Unterstützung der pro-spanischen Partei Ciutadans, der liberal-konservativen Partei Unión Progreso y Democracia sowie der rechts-konservativen Partido Popular de Catalunya. Und auch hier zeigte die extreme Rechte Präsenz. Am frühen morgen traf sich eine Gruppe von 60 Neonazis am Büro der CT, ging von dort gemeinsam zur Kundgebung und stellte zusammen mit der MSR letztlich einen eigenen Block aus ca. 100 Personen. Ebenfalls vertreten war auch die PxC.

War eine effektive Störung der neonazistischen Aktivitäten an diesem Tag in Barcelona nicht möglich, ist doch der Wille zur Verstetigung der antifaschistischen Arbeit von den jeweiligen Bündnissen deutlich gemacht worden und es bleibt zu hoffen, dass diese in den kommenden Jahren Früchte trägt. Für 2014 steht eine abschließende Bewertung der Vorbereitenden noch aus, doch gibt es bereits jetzt Überlegungen mehr Breite in die Mobilisierung zu bringen und insbesondere auch jüngere Aktivist_innen wieder gegen Neonazis auf die Straße zu bringen.