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Bildungsarbeit für die extreme Rechte

Felix Krebs
Einleitung

Seit über 40 Jahren betreibt die »Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft« (SWG) Bildungsarbeit im »vorpolitischen Raum« und bildet dabei laut Prof. Wolfgang Gessenharter ein wichtiges Scharnier zwischen Konservativen und Rechtsextremisten. 

Bild: attenzione-photo.com

Eine Saalveranstaltung der SWG am 4. März 2005 in Kiel mit Karlheinz Weißmann (links) zum Thema »Politik mit der Geschichte - die Vergangenheitsbewältigung als politisches Instrument«.

Auch dem Hamburger Verfassungsschutz-Vize Manfred Murck waren 2001 »personelle Überschneidungen zu rechtsextremen Organisationen bekannt.« Immer wieder gelingt es den intellektuellen Rechten Veranstaltungen in öffentlichen oder gar staatlichen Räumen durchzuführen. Man war schon mehrmals zu Gast in der »Führungsakademie der Bundeswehr« (FÜAK) sowie zum Thema »Innere Sicherheit« im Hamburger Polizeipräsidium, hat gute Kontakte zur Bundeswehr und in das Hamburger Establishment.

Die Vorträge der SWG werden, je nach Bekanntheit des Referenten, von 50 bis 300 Personen des konservativen bis neofaschistischen Spektrums besucht, die Auflagen der SWG-Zeitschrift »Deutschland-Journal/Fragen zur Zeit« haben laut Eigenangaben eine halbe Million erreicht, ihre Inhalte finden sich aber auch im Ostpreußenblatt wieder.  In der aktuellen Ausgabe kann man schon mal folgenden Satz lesen. »Nur eins ist gewiß: die barbarische Ausrottung der Juden durch Hitler wurde übertroffen durch die Ausrottung der Deutschen von der Hand der ’demokratischen,  friedliebenden’ Mächte der Vereinten Nationen.« Die SWG behauptet bundesweit 5.000 Mitglieder zu haben und unterhält Sektionen in Kiel, Hannover und Braunschweig. In diesem Artikel geht es im wesentlichen um den bundesweiten Vorstand und die Hamburger Sektion der SWG.

Vom Gauleiter-Kreis zum extrem-rechten Bildungsverein

Am 15./16. Januar 1953 zerschlug die britische Hochkommission die letzte große Verschwörung alter Nazis nach 1945, den sogenannten Gauleiter-Kreis um den ehemaligen Reichspropagandaminister Werner Naumann. Mit Unterstützung von Kreisen der Industrie hatten Naumann und andere ein Netz zwischen ehemaligen Teilen der Wehrmacht, der SS, des Sicherheitsdienstes und ehemaligen NS-Propagandisten aufgebaut, ein ideologisches Konzept zur antikommunistischen Neuordnung Europas entworfen, sowie schwerpunktmäßig die nordrhein-westfälische FDP unterwandert. Diese Konspiration alter NS-Eliten, die versuchte neofaschistische Ideologeme in die Politik der noch jungen BRD zu lancieren, tagte unter anderem auch in Hamburg. Ihre Aufdeckung und Zerschlagung erregte damals großes Aufsehen.

Hugo Wellems ein ehemaliger Referent des Reichspropagandaministeriums, damals von jenem Werner Naumann geführt, gründete dann 1962 die SWG, welche getrost in diese Tradition gestellt werden kann. Ein rechter Insider erklärte 1972 »Mitglieder dieser Gesellschaft (gemeint ist die SWG) sind (...) Leute von Rang und Namen; insbesondere aber rekrutieren sie sich aus Mitgliedern des sogenannten Staatssekretär-Naumann-Kreises.« Wellems der 1930 der NSDAP beitrat und auch Mitglied der Legion Condor war, gründete die SWG gemeinsam mit zwei weiteren Altnazis, Karl Friedrich Grau und Arthur Mißbach, welche nach 1945 der CDU beitraten und zeitweise im Bundestag saßen.

1986 wurde der Hauptsitz der SWG nach Hamburg verlegt und hier wurden und werden nun regelmäßig Veranstaltung, aktuell im Haus der »Burschenschaft Germania Königsberg« durchgeführt. In den 80er Jahren stand Prof. Emil Schlee als stellvertretender Vorsitzender Wellems zur Seite, während er gleichzeitig Spitzenfunktionär der REPs war. Als Wellems 1995 starb, ging eine wichtige Integrationsfigur für das gesamte Lager von nationalkonservativ bis neofaschistisch verloren, so war Wellems zum Beispiel auch jahrzehntelang Herausgeber des revanchistischen Ostpreußenblattes (OPB).

An Wellems Stelle bei der SWG trat der Brigadegeneral a.D. Reinhard Uhle-Wettler, ein Militarist, der schon immer für eine Entlastung der deutschen Wehrmacht eintrat. Personell gibt es im aktuellen Vorstand Überschneidungen mit dem preussisch-nationalistischem »Bismarckbund« (BB) und der »Preussischen Allgemeinen Zeitung« (PAZ).

Ein rechter Multifunktionär ist das SWG-Vorstandsmitglied Roger Zörb. Der Rechtsanwalt und Alter Herr der schlagenden Verbindung »Corps Irminsul« fand sich 1991 im Adressbuch des Neonazi-Führers Michael Kühnen. Über sein Engagement mit Mitgliedern der neofaschistischen »Burschenschaft Germania Hamburg« in der Liste »Uni aktiv«, gelangte er schließlich in die aktuellen Vorstände von SWG und BB. Dass Zörb stellvertretender Vorsitzender der »Wirtschaft- und Mittelstandvereinigung« der Hamburger CDU ist, störte diese bisher nicht.

Im Gleichschritt rechts – SWG und das Militär

Sowohl personell als auch thematisch spielt das Militär bei der SWG eine besondere Rolle. Erst recht seit der Ausstellung »Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht«, macht die SWG mobil zur Ehrenrettung der deutschen Soldaten, sowie zur Entlastung von Wehrmacht und SS und zur Relativierung des Nationalsozialismus. Alfred Schickel, Leiter der berüchtigten »Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt« schrieb und referierte regelmäßig zum Thema Geschichtsrevisionismus.

Titel einiger seiner Arbeiten für die SWG sind: »Probleme der Vergangenheitsbewältigung« oder »Roosevelts Weg in den Krieg«. Ein knallharter Revisionist ist auch Dirk Bavendamm, der 1995 über »Hitlers oder Roosevelts Krieg« lamentierte und bis 2004 Geschäftsführer der SWG war. Roosevelt, so Bavendamm, hätte schon mittels des Versaillervertrages Deutschland zu knebeln versucht, hätte dann eine systematische Aufrüstung der USA gegen Deutschland betrieben, und Deutschland schließlich mittels Diplomatie und Geheimverträgen in den Zweiten Weltkrieg getrieben.

Der Krieg den Deutschland dann 1939 begann, sei noch ein »alter Krieg«, quasi ein sauberer und ehrlicher, gewesen, erst der Kriegseintritt der USA 1941 hätten den Krieg zum »neuen Krieg«, zum totalen und auf Vernichtung angelegten Krieg werden lassen. »Dieser Krieg war räumlich und zeitlich im Prinzip überhaupt nicht mehr begrenzt, und er gipfelte in der fabrikmäßigen Vernichtung der europäischen Juden, im konventionellen und nuklearen Bombenkrieg gegen die deutsche und die japanische Zivilbevölkerung sowie in der ethnischen Säuberung der deutschen Ostgebiete.«

Ebenfalls 1995 trat dann mit Walter Post erstmals ein Geschichtsrevisionist bei der SWG gegen die Ausstellung »Vernichtungskrieg – Verbrecher der Wehrmacht« an und propagierte seine Thesen unter dem Titel »Die Verunglimpfung der Wehrmacht.« Er unterstützte die Präventivkriegs-Thesen seiner Vorredner bei der SWG und widmete seinen Vortrag insbesondere der leider unvermeintlich brutalen Partisanenbekämpfung. Partisanen- und Geiselerschießungen seien nach Kriegsrecht erlaubt und gerechtfertigt.

»Die deutsche Besatzungsmacht im Osten erklärte die Juden als für den Partisanenkrieg verantwortlich, was entsprechende Massaker zur Folge hatte.« Die Versorgung in deutschen Kriegsgefangenenlagern sei vorbildlich gewesen, eventuelle Massensterben höchstens dem schlechten gesundheitlichem Zustand der Rotarmisten bei ihrer Gefangennahme durch die Wehrmacht geschuldet. Auch die millionenfache Deportation von sowjetischen Soldaten und Zivilisten zur Zwangsarbeit in das Deutsche Reich entschuldigt Post. Denn wie er richtig erkennt: »Ohne die Ostarbeiter wäre der Krieg ab 1943 gar nicht mehr führbar gewesen.« Der von der gesamten nationalkonservativen und extremen Rechten gefeierte »Kronzeuge« gegen die Wehrmachtsausstellung Rüdiger Proske aus Hamburg referierte im Februar 1998 bei der SWG.

Ebenfalls 1998 dozierte Franz Uhle-Wettler bei der SWG über seine »Gedanken zur Traditionswürdigkeit der Wehrmacht«, er ist der Bruder des SWG-Vorsitzenden und seit Jahren in der rechtsextremistischen Szene tätig. Er brachte es als Soldat immerhin bis zum Kommandeur der NATO-Verteidigungsakademie in Rom. Ein gutes Dutzend weitere ehemalige Militärs referierten ebenfalls bei der SWG.

Das Personal

Die besondere Nähe der SWG zur Bundeswehr und zur FÜAK im Besonderem erklärt sich über ihr Personal:
· Der Vorstands-Vorsitzende der SWG ist Brig.-Gen. a.D. Reinhard Uhle-Wettler, Autor etlicher Bücher zur Militärgeschichte.
· Sein Stellvertreter 1995 Joachim F. Weber, ehemaliger Redakteur beim Ostpreußenblatt und glühender Carl-Schmitt-Verehrer, wurde von der Bundeswehr 1996 zum Pressesprecher des IFOR-Kontingents in Kroatien befördert.
· Der militante Klerikale, Pater Lothar Groppe, jahrelang Beiratsmitglied der SWG, war zuvor Militärpfarrer sowie Dozent an der FÜAK.
· Der Regionalleiter der SWG für Hamburg, Oberst a.D. Manfred Backerra, war  Chefdozent für Militärisches Nachrichtenwesen an der FÜAK. 
· Bis 1996 lehrte Generalmajor a.D. Gerd Schultze-Rhonhof an der FÜAK. Er ist gern gesehener Gast bei der SWG, referierte 2003 zu seinem rechten Bestseller »Der Krieg der viele Väter hatte« und schrieb 1998 einen Beitrag für die SWG.

Aber nicht nur ehemalige Militärs dürfen bei den extremen Rechten in Hamburg referieren: Gerade frisch von der Front im Kosovo zurück, berichtete Brigadegeneral Helmut Harff, Kommandeur Deutsches Heereskontingent und Nationaler Befehlshaber im Einsatzgebiet, 1999 vor der SWG über : »Militärische Friedenssicherung – Erfahrungen aus dem Einsatz im Balkan«. Seine Quintessenz aus dem völkerrechtswidrigen Kosovo-Krieg: »Wer schneller schießt und besser trifft, der überlebt. Darum geht es hier.« Bei soviel Begeisterung für die »Heldentaten des deutschen Militärs«, wundert es nicht, dass die SWG vor wenigen Wochen erneut in die Schlagzeilen geriet: Am 15. Mai 2006 besuchte man zusammen mit dem BB das »Wissenschaftliche Institut für Marinegeschichte« von Peter Tamm (siehe AIB #71 »Das Hamburger Tamm-Museum«) aus der Angst, dass die Militaria-Sammlung nach dem Umzug in ein öffentliches Museum im Sinne der »political correctness« entschärft werden könnte.