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Der »außerordentliche Burschentag« in Stuttgart

Einleitung

Der »außerordentliche Burschentag« in Stuttgart hat die Dominanz des extrem rechten Flügels in der Deutschen Burschenschaft (DB) bestätigt.

Bild: attenzione-photo.com

Burschentag der Deutschen Burschenschaft im Juni 2000 in Eisenach. Norbert Weidner (Mitte) beim Festakt in der Eisenacher Sporthalle.

Die Kölner Burschenschaft Wartburg zog frühzeitig die Reißleine. Schon bevor die DB zu ihrem »außerordentlichen Burschentag« (22. bis 25. November in Stuttgart) zusammenkam, erklärte sie offiziell ihren Austritt aus dem Verband. Der »außerordentliche Burschentag« war im Sommer eigens anberaumt worden, um den alten Flügelstreit in der DB, der beim regulären Burschentag Anfang Juni zum offenen Eklat geführt hatte, einem neuen Kompromiss zuzuführen. Angesichts diverser Austrittsdrohungen stand nichts Geringeres als die Zukunft des größten burschenschaftlichen Dachverbandes auf dem Spiel. Dennoch beschlossen die Kölner Wartburg-Burschen, sich die Fahrtkosten und die voraussichtlich quälenden Debatten in Stuttgart zu sparen und die vielleicht letzte Schlacht der DB bereits vorab verloren zu geben – der extrem rechte Flügel dominiere den Dachverband vollkommen und lasse dem konservativen Flügel keinen Spielraum mehr. Wie das Ergebnis des Burschentages zeigte, traf ihre Einschätzung der Verhältnisse ohne Einschränkung zu.

Inhaltlicher Kern der Kompromisssuche, die für den »außerordentlichen Burschentag« vorgesehen war, waren Bemühungen, eine Lösung im Streit um die Aufnahme von Männern mit nichtdeutschen Vorfahren herbeizuführen. In der DB galt die deutsche Abstammung stets als unumstößliches Kriterium für die Mitgliedschaft bis vor einigen Jahren eine kleine Minderheit aus dem Konsens auszuscheren begann. Dem »außerordentlichen Burschentag« lag nun ein Kompromisspapier vor, in dem es hieß, in begründeten Einzelfällen dürften »Bewerber nichtdeutscher Abstammung« eventuell doch in eine Burschenschaft eintreten – allerdings nur »bei vollendeter Assimilation an das deutsche Volk«. Die »Feststellung der Vollendung der Assimilation« könne »bei Aufzunehmenden mit Herkunft aus dem abendländisch-europäischen Kulturkreis« der betreffenden Burschenschaft selbst anheim gestellt werden. Bei denjenigen Bewerbern deren Herkunft »zumindest teilweise außerhalb des abendländisch-europäischen Kulturkreises« liege, sei die »Beurteilung deutlich schwieriger« und müsse daher von einem »Aufnahmerat« zentral geprüft werden. Die Kompromiss-Suche in Stuttgart war jedoch vergeblich: Die Entscheidung in der Sache wurde vertagt, es kam stattdessen zu einem simplen Abstimmungs-Showdown zwischen den beiden Flügeln der DB.

Zunächst wurde Norbert Weidner (Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn) vom Posten des Chefredakteurs der Verbandszeitschrift Burschenschaftliche Blätter entbunden. Weidner hatte die ohne­hin rechtslastigen Burschenschaftlichen Blätter noch weiter nach rechts gerückt und sich mit zusätzlichen Provokationen exponiert. Schon Ende 2009 hatte er in die Burschenschaftlichen Blätter etwa ein Gespräch mit dem NPD-Funktionär Arne Schimmer (Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen) aufgenommen. Nachdem Weid­ners Auffassung Schlagzeilen gemacht hatte, der Nazi-Mord am Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer sei »rein juristisch gerechtfertigt« gewesen. Nachdem er dann auch noch einen Beitrag in die Burschenschaftlichen Blätter aufgenommen hatte, in dem »ein gemeinsames Ringen um Antworten« auf Fragen wie diejenige gefordert wurde, ob man die »Abschaffung des Parteienstaates« und die »Herstellung wirklicher Volksherrschaft« befürworten solle, wurde der Bonner Burschenschafter für den konservativen DB-Flügel endgültig zur Unperson. Er wurde mit rund 100 zu 70 Stimmen abgewählt.

War Weidners Abwahl ein Sieg der Konservativen gegen den Rechtsaußen-Flügel der DB? Auf keinen Fall. Die Rechtsaußen besitzen schon seit Jahren eine strukturelle Mehrheit im Verband und konnten ihre Stellung auf­grund der zunehmenden Austritte kon­servativer Bünde zuletzt noch weiter stärken. Von den etwa 100 Burschenschaften, die beim »außerordent­li­chen Burschentag« noch DB-Mitglied waren, sind 43 in der »Burschenschaftlichen Gemeinschaft« organisiert, der Fraktion des extrem rechten Flügels. Die konservative »Initiative Burschenschaftliche Zukunft« bringt es nur auf rund 25 Bünde. Dabei finden sich in der nicht fraktionsgebundenen »Mitte« der DB Burschenschaften wie die Dresdensia-Rugia zu Gießen oder die Rheinfranken Marburg, unter deren Alten Herren sich teils prominente NPD-Funktionäre befinden. Entsprechend war Weidner im Juni noch in seinem Amt bestätigt worden. Dass er in Stuttgart nun abgewählt wurde, war lediglich ein Zugeständnis der extremen Rechten, um den drohenden sofortigen Austritt eini­ger konservativer Bünde abzuwenden.

Dafür wurde mit der Burschenschaft Teutonia Wien ein Bund zur neuen Vorsitzenden Burschenschaft gewählt, der mit Weidners Raczeks in einer Art Mini-Fraktion (»Ostdeutsches Kartell«) zusammengeschlossen ist. Die Teutonia Wien gilt als eine der rechtesten Burschenschaften überhaupt. In den 1990ern hatte sie Kontakte zur österreichischen Neonazi­szene wie etwa zu Gottfried Küssel. Ihr Mitglied Jan Ackermeier (auch in der Burschenschaft Normannia-Nibelungen zu Bielefeld aktiv) wurde im Herbst 2010 von seinem damaligen Arbeitgeber, dem FPÖ-Nationalratsabgeordneten Harald Stefan, aus politischen Gründen gefeuert: Selbst diesem, einem Alten Herrn der Bur­schenschaft Olympia Wien, ging es zu weit, dass Ackermeier für die »Junge Landsmannschaft Ostdeutschland« tätig war und in Österreich Neonazi-Treffen organisierte. Die Wiener Teutonia stellt übrigens auch den Pressereferenten der DB – den Verlagsleiter und Redakteur der österreichischen Wochenzeitung »Zur Zeit«, Walter Tributsch.

»Zur Zeit« ist eine Art Pendant zum deutschen Rechtsaußen-Blatt »Junge Freiheit«, aus dessen Autorenstamm mit Michael Paulwitz der künftige Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter kommt. Paulwitz (Burschenschaft Normannia Heidelberg) ist Landesvorstandsmitglied der »Republikaner« in Baden-Württemberg und hat gemeinsam mit Götz Kubitschek eine Schrift über »Ausländergewalt in Deutschland« verfasst, die in der »Edition Antaios« des »Instituts für Staatspolitik« erschienen ist. Paul­witz wird vielleicht in seiner neuen Funktion auf die eine oder andere Provokation verzichten, die Weidner sich noch leistete; der klare Rechtskurs wird der Verbandszeitschrift jedoch wohl erhalten bleiben. Insofern ist es nur konsequent, dass kurz nach dem »außerordentlichen Burschentag« die Austritte konservativer Bünde weitergingen: Als erste verließen die Burschenschaften Arminia zu Hannover und Hilaritas Stuttgart die DB. Am Ende der Entwicklung wird wohl ein Dachverband stehen, der, sofern er finanziell noch zu halten ist, aus ca. 80 Rechtsaußen-Bünden besteht und politisch nicht mehr auf konservative Burschenschafter in sensiblen Führungspositionen Rücksicht nehmen muss – Burschenschafter wie Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (Münchener Burschenschaft Franco-Bavaria) oder Hans-Peter Uhl (Münchener Burschenschaft Arminia-Rhenania, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfration).