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Motiv.Rechts 2

Einleitung

Eine antifaschistische Rechercheausstellung in Berlin erregt Aufsehen

Im Berliner Bezirk Hohenschönhausen/Lichtenberg laufen Neonazis weiterhin gegen eine antifaschistische Ausstellung Sturm. »die aggressionen richten sich wenn schon denn schon gegen diese komplette verlogene bande der initiatoren« (Kleinschreibung im Original) und »destroy your local motiv rechts« verkünden Neonazis in einem Internetforum. Diese Aussagen stehen in einer Reihe mit weiteren Straftaten gegen die Ausstellung, die über die extreme Rechte im Bezirk informieren will.

Der Kulturverein »Kultschule« nach dem Einbruch aufgrund der antifaschistischen Ausstellung.

»Motiv.Rechts 2« ist der aktualisierte, zweite Teil einer von der Antifa Hohenschönhausen erstellten und aus 14 Tafeln bestehenden Ausstellung. Sie gibt in Form von Texten, Fotos, Grafiken und Originalexponaten einen Überblick über die verschiedenen Facetten rechtsextremer Bestrebungen im Bezirk, deren ideologische und subkulturelle Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten, über die Vernetzung der verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen sowie über Aktionen der Neonazis. Zwei Tafeln geben einen Einstieg in das Thema und befassen sich mit der Motivation der AusstellungsmacherInnen. Die Tafeln zur Geschichte des Rechtsextremismus beschreiben die diesbezügiche Vergangenheit in Lichtenberg und erläutern die Kontinuität neonazistischer Bestrebungen bis in die Zeit der DDR hinein. Auf weiteren vier Tafeln werden die Organisationsformen der extremen Rechten, beispielsweise Parteien oder aktionsorientierte Strukturen wie Kameradschaften untersucht. Entsprechend der Tatsache, dass in den letzten Jahren eine Vielzahl von neonazistischen Aufmärschen in Berlin im Stadtteil Lichtenberg stattfand, geben zwei Tafeln einen chronologischen Überblick seit 1998. Während einige Tafeln auf den aktuellen Stand gebracht wurden, sind andere ganz neu: Hinzugekommen sind Informationen über die Neonazi-Musikszene in Lichtenberg und Hintergründe über Verbindungen zwischen Rockern, Hooligans und Neonazis. Weiterhin wird eine Tafel jetzt Publikationen der Rechtsextremen, wie Aufklebern oder Plakaten, gewidmet. Aufgrund der Fülle entdeckter neonazistischer Propaganda im Bezirk wurde sich hierbei auf Exemplare aus dem Jahr 2004 beschränkt. Die Ausstellung schließt mit zwei Tafeln: Auf der einen listet eine ausführliche Chronik rechtsextremer Straftaten und Aktionen seit dem Jahr 1986 auf, auf der anderen findet sich eine Vorstellung von linken und antifaschistischen Initiativen im Bezirk. Die Ausstellung wurde in Lichtenberg-Hohenschönhausen seit Anfang des Jahres 2005 einem breiten Publikum zugänglich gemacht. So wurde »Motiv.Rechts 2« in verschiedenen Jugendeinrichtungen, in Räumlichkeiten sozialer Initiativen, öffentlichen Gebäuden wie Rathäusern und Bibliotheken und auf linken sowie zivilgesellschaftlichen Konzerten und Festivals präsentiert. Auch außerhalb von Berlin konnte die Ausstellung gezeigt werden, so etwa auf dem antifaschistischen Camp in Weimar-Buchenwald. Die Resonanz in bürgerlichen und zivilgesellschaftlichen Kreisen war enorm – mehrere hundert BesucherInnen, eine Vielzahl von Postings ins Internet-Gästebuch zur Ausstellung und aufschlussreiche Diskussionen und Gespräche mit BetrachterInnen konnten im Umkreis der Ausstellung geführt werden. Gerade ihr Erfolg und das öffentliche Aufsehen, das die Ausstellung hervorrief, provozierte Neonazis zu einer Vielzahl von Aktionen gegen sie: Schon im April 2005 stahlen fünf Neonazis eine Tafel über die kameradschaftlichen Zusammenhänge im Bezirk aus dem Rathaus Lichtenberg. Inhaltlich handelte die Tafel von den mittlerweile verbotenen Kameradschaften Tor sowie deren Mädelgruppe. Klarheit besteht darüber, dass diese Aktion geplant durchgeführt wurde. Einen Tag zuvor erkundigte sich ein Neonazi beim Pförtner über die Ausstellung, besichtigte die Räume und hinterließ Aufkleber einer sogenannten Kameradschaft Nord-Ost. Nur wenige Tage nachdem diese Tafel ersetzt worden war, kam es zu einem erneuten Diebstahl durch Neonazis. Daraufhin wurde die Tafel in digitalisierter Form auf Internetseiten verschiedener Berliner Antifagruppen zum Download angeboten. Diese Professionalisierung und die Tatsache, dass die Tafel innerhalb kürzester Zeit wieder ersetzt wurde, provozierte die extreme Rechte im Bezirk zu neuerlichen Angriffen. So kam es in der Nacht zum 10. Juni zu einem Einbruch in die Räume des Kulturvereins »Kultschule«, in denen die Tafeln untergebracht waren. Die Täter zerschlugen mit Pflasterscheiben die Scheiben, beschädigten zwei Tafeln der Ausstellung und versuchten mehrere Teile zu entwenden. Eine an den Tafeln angebrachte Alarmanlage veranlasste sie allerdings zur Flucht und Aufgabe ihres Vorhabens. Auch nach dieser Aktion wurde die Ausstellung wieder aufgebaut und zog weiter durch den Bezirk. Am Morgen des 7. Juli 2005 ereignete sich der vorläufige Höhepunkt der Aktivitäten gegen das Projekt. In der Anna-Seghers-Bibliothek in Hohenschönhausen stürmten am Morgen fünf vermummte Neonazis in die Bibliotheksräume, zerstörten vor den Augen der Mitarbeiterinnen vier Tafeln und sprühten das Kürzel C18 an die Wand. C18 steht für Combat 18, eine neonazistische Terrororganisation aus Großbritannien, die für mehrere Bombenattentate verantwortlich gemacht wird. Bei den Tätern handelte es sich dem Aussehen nach um Angehörige des Kameradschaftsspektrums. Als Reaktion auf die neuerlichen Aggressionen gegen die Ausstellung wurden sämtliche Ausstellungstafeln digitalisiert und über das Internet einem noch größeren Publikum zur Besichtigung bereitgestellt. Außerdem veröffentlichte die Antifa Hohenschönhausen im August 2005 die Ausstellung als 64-seitige Broschüre, mit einigen Aktualisierungen und umfangreicherem Bildmaterial. Die kostenlose Broschüre erschien in einer Auflage von 2.500 Stück und wird in öffentlichen Einrichtungen, in Jugendclubs, in Bibliotheken und in linken Info- und Buchläden ausgelegt. Die Macher der Ausstellung kommen insgesamt zu einem positiven Resümee: Gerade die breite Resonanz in der Bevölkerung und die durch Ausstellung und Broschüre erreichte Aufklärung über das Thema Rechtsextremismus zeigen, dass das Projekt sinnvoll und auch nötig ist. Vor allem die Aktionen gegen die Ausstellung verdeutlichen, dass das Konzept der »Motiv.Rechts 2« aufzugehen scheint. Deren Existenz provoziert die Neonazi-Szene ungemein. Hervorzuheben ist, dass es vor allem Protagonisten der verbotenen »Kameradschaft Tor« und deren Mädelgruppe sind, die gegen die Ausstellung beispielsweise in Diskussionsforen mobil machen. Damit zeigt sich, dass staatliche Verbote den rechtsextremen Bestrebungen der Kameradschaftsszene keinen Einhalt gebieten können. Dies ist vor allem mit antifaschistischer Arbeit und Aufklärung möglich. Die Rechercheausstellung »Motiv.Rechts 2« gehört wie andere antifaschistische Projekte und Aktionsformen dazu. Die Ausstellung wird noch bis Ende des Jahres 2005 durch den Bezirk Lichtenberg-Hohenschönhausen ziehen.

Die zur Ausstellung erschienene Broschüre kann gegen Rückporto bei der

Antifa Hohenschönhausen
c/o Nico Roth
Postfach 770344
13003 Berlin

bestellt werden.
Weitere Informationen unter:

www.motiv-rechts.tk
www.ah.antifa.de
E-Mail: antifah(a)web.de