Skip to main content

Neues über »rechte« Jugendklubs

Einleitung

Am 9. September 1993 sendete die ARD, u.a. auf der Grundlage von Material des Antifaschistischen Infoblattes (AIB) und antifaschistischer Öffentlichkeitsarbeit in Weimar, einen Beitrag von „Panorama“ zum von uns mehrfach kritisierten "Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt" des Bundesjugendministeriums. Das Magazin berichtet u.a. über einen neonazistischen Sozialarbeiter, der im Rahmen des Programmes in Neustrelitz arbeitet. In Greifswald ist mit Steuergeldern ein Neonazi-Skinheadkonzert finanziert worden.

Cottbus JC Sandow
(Bilder: Zeitschrift HdK)

Der Streetworker Andreas „Andy“ M. (links) und eine Konzertankündigung im Jugendklub Sandow. (Fotos: "Hinter den Kulissen")

Weimar : „Dichterweg“ geschlossen

Einen Schwerpunkt des Berichtes macht der inzwischen geschlossene Weimarer Jugendklub »Dichterweg« aus. Das Projekt wird nach Angaben von „Panorama“ mit über 70.000 DM aus dem AgAG-Topf gefördert.

Das Material aus der „Panorama“-Recherche war der zuständigen Ministerin Angela Merkel z.T. seit Monaten bekannt, u.a. durch unsere Artikel und eine Anfrage der PDS/LL-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke, die im Mai beantwortet wurde. Damals wurde das Programm auch in Bezug auf Weimar noch in vollem Umfang gerechtfertigt und positiv bewertet: zu den Risiken bei der Arbeit mit "rechten Jugendlichen" gehören demnach "erwartungsgemäß auch Versuche rechtsextremistischer Organisationen, in den geförderten Projekten Einfluß zu gewinnen oder sie gar zu unterwandern. Solche Bestrebungen werden von den fachlich und politisch Verantwortlichen nicht geduldet und konnten sich nirgendwo durchsetzen«.

Einige Monate später veröffentlichten wir im Antifaschistischen Infoblatt Nr. 23 Material über den "Dichterweg", das die Unwahrheit, die in dieser Erklärung steckt, eindeutig widerlegt. Kurz zuvor berichtete die Zeitschrift "telegraph" vom Mai 1993 über gewaltsame Attacken von Weimarer Jugendlichen, die sich in einer Art Bürgerwehr zusammengeschlossen hatten. Die Weimarer Öffentlichkeit wurde durch örtliche AntifaschistInnen darüber ins Bild gesetzt, wer sich im Jugendklub „Dichterweg“ etablieren konnte. Es wurden massiv Flugblätter verteilt und Plakate geklebt, auf denen u.a. die "Raumordnung" und die Mitglieder der „Bürgerwehr“ veröffentlicht wurden. In der Sommernummer des Weimarer Zeitschrift »KommPost« wurden diese Informationen noch einmal vervollständigt. Diese Informationen, die dem Bundesministerium mit Sicherheit vorgelegen haben, wurden von „Panorama“ in den Bericht einbezogen.

Am 16./17. Juli fand im Klub eine große Party mit ca. 50 neonazistischen Skinheads aus Thüringen und Bayern statt. Als diese dann auch einen der beiden Sozialarbeiter attackierten war es diesem und dem Jugendamtsleiter zu viel. Der Dichterweg wurde am 23. Juli 1993 »bis auf weiteres« geschlossen. Er soll erst wieder aufgemacht werden, wenn sich sowohl ein neuer Sozialarbeiter, der auch noch ein gutes Konzept vorlegen kann (der alte hat bis heute kein schlüssiges Konzept und ist für den Jugendamtsleiter deswegen nicht länger tragbar) und ein neuer Träger gefunden haben.

Auffällig ist, daß unbequeme Informationen solange nicht relevant sind und als gezielt gestreute Fehlinformationen diffamiert werden, wie sie von oppositionellen Kräften oder aus den Kreisen des antifaschistischen Widerstandes kommen. Erst Berichte öffentlich rechtlicher Sender scheinen auch in Bonn etwas zu bewegen. Ministerin Angela Merkel reagierte umgehend auf den "Panorama"-Bericht, was man bei den vorhergehenden Informationen und Anfragen ja nicht behaupten konnte.

Das entspricht völlig der Intention des Programmes, welches der Bundesregierung dazu dient, die Hintergründe neonazistischen Terrors als Problem der "Jugendgewalt" zu verschleiern und gleichzeitig eigene Aktivität bei der Bekämpfung der angeblichen Ursachen des „Rechtsextremismus“ vorzutäuschen.

Cottbus: Mitarbeiter von Jugendhilfe e.V. verurteilt

Am 30. Dezember 1992 fuhren Andreas „Andy“ M. (Streetworker bei Jugendhilfe e.V.), Karsten Kr. (Mitarbeiter von Jugendhilfe e.V. und zuständig für den bekannten Neonazi-Treff »Sandower Jugendklub«), Roberto »Highländer« Kl. und Kö. in einem Taxi durch Cottbus. Als sie drei ihnen bekannte linke Personen sahen, stiegen alle bis auf Andreas M. aus dem Taxi und verprügelten diese so massiv, daß eine Person einen Nierenriss erlitt. Zufällig vorbeikommende AntifaschistInnen verhinderten noch schlimmeres.

Am 10. September fand im zweiten Anlauf der Prozess wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung statt. Der erste Anlauf war auf Grund der Unfähigkeit des Gerichtes gescheitert, das erstens vergessen hatte, den Nebenkläger (der Mensch mit dem Nierenriß) von dem Termin zu unterrichten und zweitens den Angeklagten Kö. nicht finden konnte, weil es nicht wußte, daß er bereits in Haft saß. Außerdem war der Taxi- Fahrer als Zeuge nicht erschienen.

Andreas M. war nach eigenen  Angaben zu betrunken, um diese Tat seiner drei Sauf-Kumpane zu verhindern.  Alle drei Angeklagten wurden der gemeinsamen schweren Körperverletzung schuldig gesprochen, Kö.'s Gefängnisaufenthalt verlängert sich um sechs Monate. Roberto Kl. erhielt sechs Monate auf drei Jahre Bewährung, wird aber wohl bei einem der noch anstehenden zwei weiteren Prozesse wegen Körperverletzung eine Haftstrafe antreten müssen. Karsten Kr. erhielt 90 Tagessätze á 50,- DM. Außerdem wurde er vom Jugendhilfe e.V. seiner Tätigkeit entledigt, sprich gekündigt.