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Rechte „Helden“ der Ukraine

Einleitung

Hennadij Nadolenko, der Botschafter der Ukraine in Israel, war sichtlich verärgert. Was Joel Lion, Israels Botschafter in Kiew, da soeben geäußert habe, das sei „kontraproduktiv“, beschwerte er sich am 9. Januar 2020 bei einem Treffen im israelischen Außenministerium. Lion hatte Kritik daran geäußert, dass auf der Liste der „Helden der Ukraine“, derer in diesem Jahr mit offiziellen Feierlichkeiten gedacht werden soll, eine ganze Reihe NS-Kollaborateure zu finden sind, von denen einige sogar unmittelbar am Massenmord an den Jüdinnen und Juden im deutsch okkupierten Europa beteiligt waren. Ob man nicht wenigstens die zehn schlimmsten NS-Verbrecher von der Liste der Helden entfernen könne?, hatte Israels Botschafter gefragt. Nadolenko war empört. Das nationale Gedenken, ließ er verlauten, sei heute eine der Hauptprioritäten der ukrainischen Poli­tik.

Foto: Screenshot Telegram

Faschistische Inszenierungen wie hier 2019, sind eines der wesentlichen Elemente des Asow-Regiments.

Das Erstarken der extremen Rechten in der Ukraine ist in den vergangenen Jahren wesentlich von der Politik der Regierung in Kiew begünstigt worden. Das hat, so merkwürdig es klingen mag, eine Menge mit der äußeren Orientierung des Landes zu tun. Die Verknüpfung von Außen- und Innenpolitik in der Ukraine und die Auswirkungen dieser Verknüpfung auf die Rechte lassen sich genaugenommen seit den frühen 1990er Jahren beobachten - also seit der Zeit, als die heutige Ukraine entstand.

Die ersten einschlägigen Organisationen der extremen Rechten wurden in der Ukraine bereits während der Loslösung aus der Sowjetunion in den Jahren 1990/1991 und kurz danach gegründet. Die Tradition der ukrainischen NS-Kollaborateure - der "Organisation Ukrainischer Nationalisten" (OUN), ihres Anführers Stepan Bandera sowie ihres militärischen Flügels, der "Ukrainischen Aufstandsarmee" (UPA) - war vor allem in der Westukraine, in Galizien, wo diese Bewegung ihre historischen Ursprünge hatte, nie völlig verschwunden.

Gegen Ende der 1980er Jahre erstarkte sie wieder, vor allem im Umfeld der „Volksbewegung der Ukraine“ („Ruch“), die 1989 gegründet wurde und für die Abspaltung der Ukraine eintrat. Die „Ruch“ hatte einen militanten Arm, der ihr als Security diente: die ultrarechte „Wache der Bewegung“ („Warta Ruchu“). Deren Chef Jaroslaw Andruschkiw gründete, als die Abspaltung der Ukraine mit der Unabhängigkeitserklärung der "Werchowna Rada" (Parlament der Ukraine) am 24. August 1991 feststand, am 13. Oktober 1991 im westukrainischen Lwiw die "Sozial-Nationale Partei der Ukraine" (SNPU). Sie war eine der ersten wichtigen Parteien der extremen Rechten in dem nun eigenständigen Land.

Die SNPU hat sich nicht nur in ihrem Gründungsprogramm zum „Sozial-Nationalismus“ bekannt und eine leicht verfremdete Wolfsangel als ihr Parteilogo adap­­tiert. Sie ließ vor allem auch den alten antirussischen Nationalismus der OUN wieder aufleben: Russland, behauptete sie, sei „die Ursache aller Probleme in der Ukrai­ne“; der „Kampf gegen prorussische Haltungen“ sei daher das vordringliche politische Ziel. Das war eine Position, die für den Bestand der Ukraine - gelinde gesagt - problematisch war. Große Teile der ukrainischen Bevölkerung vor allem im Osten des Landes, etwa im Donbass, und auf der Krim sprachen nicht nur ausschließlich Russisch, sie hatten auch enge familiäre und freundschaftliche Bindungen in das östliche Nachbarland - und nicht wenige insbesondere auf der Krim definierten sich sogar eher als Russen denn als Ukrainer.

Das Konfliktpotenzial, das sich da abzeichnete, trat ganz offen zutage, als 1992 prorussische Kräfte auf der Krim für die Abspaltung der Halbinsel von der Ukraine demonstrierten und kurzzeitig auf Erfolgskurs zu sein schienen. Die extreme Rechte vor allem aus der Westukraine agitierte damals dagegen und mobilisierte auf die Krim. Nach dem Umsturz Anfang 2014 sollte die Furcht vor einem erneuten Eindringen der westukrainischen Neofaschisten zum Erfolg des dortigen Abspaltungsrefendums beitragen.

Eine wichtige Rolle für die extreme Rechte in der Ukraine hat von Anfang an das ukrainische Exil gespielt. Dieses entstand in seiner heutigen Prägung, als nach dem Zweiten Weltkrieg viele OUN- und UPA-Kämpfer aus der Sowjetunion flohen. In der Bundesrepublik, in den Vereinigten Staaten und in Kanada bildeten sie nicht nur dichte soziokulturelle Netzwerke, sondern auch politische Strukturen, die im Kalten Krieg Rückendeckung seitens der westlichen Mächte bekamen. Eine aus diesen Strukturen war Jaroslawa Stezko, OUN-Kämpferin und UPA-Sanitäterin im Zweiten Weltkrieg, anschließend in München im Exil, wo sie Ende der 1980er Jahre zur Chefin des "Antibolschewistischen Blocks der Nationen" (ABN) und der Exil-OUN aufstieg. 1991 nach Lwiw zurückgekehrt, gründete sie am 18. Oktober 1992 den "Kongress Ukrainischer Nationalisten" (KUN), der sich als unmittelbare Nachfolgeorganisation der OUN verstand.

Damals kehrten nicht nur einige alte Kämpfer aus der NS-Kollaboration zurück: Weil sich die neu gegründete Ukraine vom sowjetischen Geschichtsbild zu lösen suchte, nahm das Land die Werke von HistorikerInnen aus dem - stark ultrarechts geprägten - ukrainischen Exil vor allem in Nordamerika bereitwillig auf. „In dem Narrativ, das in der Diaspora dominierte“, wurde zum Beispiel, so beschrieb es vor einigen Jahren der Historiker Per Anders Rudling, „die OUN als führende Kraft im Kampf gegen die Nazis und die Sowjets dargestellt“ - und entsprechend gelobt.

Ein entscheidender Faktor für die Entwicklung der extremen Rechten in der Ukraine ist in den folgenden Jahren die außenpolitische Orientierung der Regierung in Kiew gewesen. Meistens war diese auf Ausgleich zwischen West und Ost bedacht: Wirtschaftskontakte wurden in die EU und dort vor allem nach Deutschland ausgebaut, ohne die überaus engen ökonomischen Bindungen an Russland zu schädigen; die politischen Beziehungen zum Westen wurden gestärkt, diejenigen zu Moskau gewahrt. Diese Politik trug der Gesamtstimmung in der Bevölkerung Rechnung, in der es neben den erwähnten Spektren mit starken Bindungen an Russland andere gab - vor allem im Westen, aber auch in der Hauptstadt Kiew -, die für die Abkehr von Moskau und für die exklusive Kooperation mit der EU, teils auch mit der NATO eintraten.

Diejenigen im ukrainischen Polit-Establishment, die wie Wiktor Juschtschenko, ukrainischer Ministerpräsident von Dezember 1999 bis Mai 2001, für eine engere Westbindung des Landes und eine stärkere Ablösung von Russland eintraten, stützten sich spätestens seit den frühen 2000er Jahren auf beinahe das gesamte Spektrum, das sie für ihr außenpolitisches Ziel einspannen konnten - darunter auch die äußerste antirussisch geprägte Rechte. SNPU-Mitgründer Oleh Tjahnybok etwa durfte bei der Parlamentswahl des Jahres 2002 auf der Juschtschenko-Liste „Unsere Ukraine“ neben KUN-Gründerin Stezko sowie anderen extrem Rechten kandidieren: Das Bestreben, die Bindungen an Russland weitestgehend zu kappen, erwies sich als einigendes Band.

Dieses einigende Band hat auch bei Massenprotesten funktioniert. Als sich im Winter 2000/2001 nach dem staatlichen Mord an dem Journalisten Georgij Gongadse eine - prinzipiell prowestliche - Protestbewegung formierte und ihre Zelte auf dem Kiewer Maidan aufschlug, rekrutierte sie die Security für ihr Zeltlager aus den Reihen der UNA-UNSO, einer 1991 gegründeten extrem rechten Organisation, deren Aktivisten in der ersten Hälfte der 1990er Jahre zum Teil Kampferfahrung in postsowjetischen Bürgerkriegen gesammelt hatten, in Tschetschenien etwa, in Georgien, in Transnistrien. Die UNA-­UNSO, die damals eine aktive „Partnerschaft“ mit der NPD unterhielt, konnte in jenem Protestwinter auf dem Maidan jeden Tag bis zu zehn neue Mitglieder gewinnen.

Sie stellte erneut die Security, als im November 2004 wieder prowestliche Massen auf den Maidan strömten, um gegen massive Fälschungen bei der Präsidentenwahl zu protestieren, die Juschtschenko den Wahlsieg gekostet hatten. Die Bewegung, die in den Ländern des Westens als „Orangene Revolution“ gefeiert und politisch wie auch praktisch gefördert wurde, umfasste, wie es im antirussischen Spektrum der Ukraine eben ist, auch eine extrem rechte Fraktion. Zu ihr zählte etwa einer ihrer Cheforganisatoren namens Andrij Parubij. Der Mann, der 1991 die SNPU mitgegründet hatte, aus ihr aber Anfang 2004 verärgert ausgetreten war, weil sein Kamerad Tjahnibok versuchte, ihr unter neuem Namen („Swoboda“) einen respektableren Anschein zu verpassen, betätigte sich zehn Jahre später als „Kommandant des Maidan“ und amtierte danach unter anderem von 2016 bis 2019 als Präsident der "Werchowna Rada" (Parlament).

Präsident Juschtschenko trieb dann von Januar 2005 bis Februar 2010 die Westbindung der Ukraine voran, orientierte das Land unter dem Beifall der westlichen Staaten auf die Anbindung an EU und NATO - und bediente innenpolitisch alle, die ihn bei der Abwendung von Russland unterstützten, auch die äußerste Rechte. Er ernannte nicht nur den Ex-UPA-Befehlshaber Roman Schuchewytsch (2007) und den Ex-OUN-Führer Stepan Bandera (Anfang 2010) posthum zu „Helden der Ukraine“, was ihm lauten Beifall von rechts garantierte. Er schuf auch ein Netz geschichtspolitischer Institute, die - so hat es Rudling beschrieben - „als Verbindung zwischen nationalistischen Historikern aus dem Exil und einer neuen Generation von Ultrarechten“ dienten.

Das 2007 in Kiew eröffnete „Museum der sowjetischen Besatzung“ etwa stellte die Zeit der Sowjetunion, so drückte es Rudling aus, als „genozidales Besatzungsregime“ dar, das wild „entschlossen“ gewesen sei, „die Ukrainer auszulöschen“. Ein weiteres Beispiel: Im Oktober 2009 einigte sich die ukrainische Regierung auf eine Konzeption zur „national-patriotischen Erziehung der Jugend“, die die UPA zu einem Vorbild für den ukrainischen Nachwuchs erklärte. All dies war Wasser auf die Mühlen der extremen Rechten, und so war es kein Wunder, dass etwa Swoboda immer weiter erstarkte und beispielsweise bei der Parlamentswahl am 28. Oktober 2012 10,45 Prozent der Stimmen erzielen konnte. In der Westukraine kam sie auf gut ein Viertel der Stimmen; in einigen dortigen Städten, etwa in Ternopil, stellte sie den Bürgermeister. Der Bürgermeister von Ternopil gewährte im Mai 2013 der NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ ein Interview.

Als das prowestliche Spektrum der ukrainischen Bevölkerung im Winter 2013/14 erneut auf dem Maidan demonstrierte - diesmal, um die EU-Assoziierung des Landes durchzusetzen -, da belief sich der Anteil der extremen Rechten unter den Demonstanten laut Schätzungen kundiger Beobachter bereits auf gut 30 Prozent. Bandera-Devotionalien waren verbreitet; Swoboda-Chef Tjahnibok gehörte neben Arsenij Jazenjuk und Witali Klitschko zum Führungstrio der Proteste. Gewalttätige Protestaktionen gingen häufig auf das Konto von Mitgliedern neofaschistischer Organisationen; die Wolfsangeln, die man etwa auf den Armbinden militanter, mit Ketten und Molotow-Cocktails bewaffneter Aktivisten sehen konnte, wiesen deutlich darauf hin.

Ein Beispiel dafür, was sich - nicht nur, aber eben auch - politisch auf dem Maidan tummelte, war der "Rechte Sektor", eine Art Bündnisorganisation, die sich Ende November 2013 aus verschiedenen Zusammenschlüssen der extremen Rechten gebildet hatte. Ihr Anführer Dmytro Jarosch hatte einst geschrieben, alle ukrainischen Parlamentsparteien seien nur „Segmente des Regimes der inneren Okkupation“, das es durch die intensive „Verbreitung nationalistischer Ideologie“ zu bekämpfen gelte. „Innere Okkupation“? Gemeint war, was Swoboda-Chef Tjahnibok einst als „jüdisch-moskowitische Mafia“ bezeichnet hatte. Der Hass gegen Russland, der die ukrainische extreme Rechte anschlussfähig für prowestliche Kreise machte, verband sich bruchlos mit offenem Antisemitismus.

Der Sturz der ukrainischen Regierung Ende Februar 2014 und die folgende Regierungsbildung aus dem gesamten antirussischen Protestspektrum heraus hat für einige Monate mehreren Swoboda-Aktivisten sogar Ministerposten eingebracht. Hohe Bedeutung für die weitere Entwicklung hatte dann aber vor allem, dass die russland-orientierten Bevölkerungsteile auf der Krim und im Donbass ihre Wohngebiete abspalteten bzw. abzuspalten versuchten, um sich der Herrschaft des in Kiew an die Macht gelangten antirussischen Spektrums inklusive seiner neofaschistischen Elemente zu entziehen. In der Ostukraine führte das in den Bürgerkrieg, der bis heute andauert und bereits 2014 ein zentrales Betätigungsfeld der extremen Rechten wurde, die den Kampf gegen die „jüdisch-moskowitische Mafia“ nun mit der Waffe in der Hand aufnahm.

Viele Aktivisten zogen direkt vom Maidan in den Krieg. Eine von ihnen, Tetjana Tschornowol, seufzte im September 2014 in einem Interview: „Ich fühle mich hier an der Front wohl“. Tschornowol, die Ende der 1990er Jahre in der UNA-UNSO aktiv gewesen war und während der Proteste nach dem Mord an Gongadse auf dem Maidan Mitglieder für ihre Organisation angeworben hatte, hatte sich in den Jahren danach als Investigativjournalisten betätigt und die UNA-­UNSO verlassen, weil sie ihr zu kompromisslerisch war. 2013 fand man sie auf dem Maidan wieder. Anfang März 2014 wurde sie von der neuen, per Umsturz an die Macht gelangten Regierung zur Leiterin des "Nationalen Antikorruptions-Komitees" ernannt; schon im August 2014 trat sie allerdings, frustriert von der anhaltend dominanten Macht der Oligarchen, zurück und ging für wenige Wochen in das Donbass. Bereits im Oktober 2014 zog sie dann in die "Werchowna Rada" ein - für die Partei Volksfront von Ministerpräsident Jazenjuk.

Der Krieg in der Ostukraine hat die extreme Rechte noch weiter gestärkt. Das lag zunächst ganz praktisch daran, dass die antirussischen Hardliner - so mancher von ihnen, wie erwähnt, mit Bürgerkriegserfahrung aus den 1990er Jahren ausgestattet - vor allem zu Beginn der Kämpfe im Donbass wegen ihrer militärischen Schlagkraft für die Regierung in Kiew unersetzlich waren. Bereits im Herbst 2014 operierten in der Ostukraine mehr als 10.000 Freischärler, die sich in über 30 Freikorps zusammengeschlossen hatten, darunter etwa ein Bataillon des "Rechten Sektor" vom Maidan sowie das berüchtigte Bataillon Asow. Letzteres erregte schon 2014 international einige Aufmerksamkeit, weil es ganz offen mit Nazisymbolik auftrat - mit Wolfsangeln, SS-Runen, zum Teil mit Hakenkreuzen - und weil es auch Neonazis aus Westeuropa in seinen Reihen aufnahm.

Zwar verdient sich so mancher Freischärler ein kleines Zubrot nicht nur mit diversen Security-Dienstleistungen, sondern auch mit allerlei Auftragsverbrechen bis hin zum Mord; doch genießen die Freikorps dessen ungeachtet, in der Bevölkerung einen vergleichsweise guten Ruf weil sie an der ostukrainischen Front als harte, zuverlässige Kämpfer gelten. Im Juni 2018 zeigte eine repräsentative Umfrage, dass zwar nur 14 Prozent der ukrainischen Bevölkerung ihrer Regierung und sogar nur neun Prozent der Justiz vertrauten, rund 50 Prozent allerdings den ultrarechten Mili­zen. Die hohe Sympathie, die die Freikorps genossen, schlug sich auch in Wahlergebnissen nieder. So wurde etwa Andrij Bilezkyi, Gründungskommandeur des "Bataillon Asow", in einem Kiewer Wahlkreis mit 33,8 Prozent der Stimmen direkt in die "Werchowna Rada" gewählt.

Die antirussische Agitation in der Ukraine, die extreme Rechte und die staatliche Politik - sie griffen in den Jahren seit 2014 wie Zahnräder ineinander. Während der Kampf gegen alles Russische auf sämtlichen Ebenen forciert wurde - eines der prominentesten Beispiele ist das hartnäckige Vorgehen gegen den Gebrauch der russischen Sprache -, werden die OUN, die UPA und OUN-Führer Bandera in der heutigen Ukraine staatlich geehrt. Seit 2019 wird zu Neujahr ganz offiziell des Geburtstags von Bandera am 1. Januar 1909 gedacht. Die alte Grußformel der OUN und der UPA - „Slawa Ukraini, herojam slawa!“ („Ruhm der Ukraine, den Helden Ruhm!“) -, die während der Maidan-Proteste neue Popularität gewann, ist seit 2018 offizielle Grußformel in Armee und Polizei. Bereits 2015 hat die ukrainische Regierung einen staatlichen „Tag der Verteidiger der Ukraine“ eingeführt; seitdem wird am 14. Oktober offiziell der Gründung der UPA gedacht, die an jenem Tag im Jahr 1942 vollzogen wurde. Und nicht nur das. Das Bildungsministerium in Kiew hat mittlerweile eine Direktive erlassen, derzufolge die UPA in den Schulen des Landes als „Symbol für Patriotismus und Opfergeist“ zu preisen ist.

Die extreme Rechte profitiert natürlich davon. Ein Beispiel: Am 14. Oktober 2016, dem „Tag der Verteidiger der Ukraine“, formierte Asow-Gründungskommandeur Bilezky aus Freischärlern seines Freikorps und aus diesem nahestehenden Zivilisten das „National Korps“, eine Partei, die alle noch verbliebenen Bindungen an Russland kappen will. Ein Jahr später gründete er zudem die „Nationale Miliz“, eine paramilitärische Truppe, die regelmäßig auf den Straßen ukrainischer Städte patrouilliert, um dort durchzusetzen, was sie für „Recht und Ordnung“ hält. Dazu gehört es ihrem Verständnis nach beispielsweise, pogromartige Überfälle auf Roma-Lager durchzuführen; bei einer Angriffswelle auf Roma im Jahr 2018 kam es zu Todesopfern. Auch Attacken auf LGBT zählen zum Standardrepertoire der „Nationalen Miliz“. Bereits im Juni 2018 schlugen wegen der eskalierenden Neonazigewalt in der Ukraine „Amnesty International“ und „Human Rights Watch“ Alarm: Rechter Straßenterror, schrie­­ben sie in einem Protestbrief an das ukrainische Innenministerium, nehme überhand, und weil Polizei und Justiz nichts dagegen unternähmen, mache sich mittlerweile „eine Atmosphäre fast totaler Straf­losigkeit“ breit.

Und wenngleich Rechtsaußenparteien bei der jüngsten ukrainischen Parlamentswahl erfolglos blieben - dies übrigens auch, weil ihre politische Orientierung in mancherlei Hinsicht längst von den etablierten Großparteien adaptiert wurde: „Die außerparlamentarische Macht der extremen ukrainischen Rechten“, so bilanzierte es der ukrainische Soziologe Wolodymyr Ischtschenko schon 2018, „ist von einer in ganz Europa einzigartigen Stärke.“