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Weiterere Neonazi-Spitzel im NSU-Umfeld aufgeflogen

Einleitung

Die Zeitschrift »Der Spiegel« berichtete am 5. September 2013, dass eine Gewährsperson mit Tarnnamen »Alex« für das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz spitzelte. Der Informant ist nach Recherchen der Internetseite haskala.de der Neonazi Andreas Rachhausen aus Saalfeld.

Bild: publikative.org/Repro: Kai Budler

Michael von Dolsberg posierte 2001 für NPD-Material.

Rachhausen organisierte im Jahr 1992 eine der größen Neonazi-Demonstrationen Thüringens. In Rudolstadt meldete er eine Gedenkdemonstration für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß an, zu der 2.000 Neonazis anreisten. Die Thüringer Landesregierung berichtete 2012 über ihn: »[Rachhausen] … entzog sich im Jahr 1993 einem Haftbefehl des Kreisgerichts Rudolstadt. Aufgrund polizeilicher Ermittlungen konnte der Aufenthaltsort im Ausland festgestellt und nach knapp zwölf Monaten mit der Auslieferung in die Bundesrepublik Deutschland der Haftbefehl vollstreckt werden.« Nach damaligen Informationen fand Rachhausen Unterschlupf beim Altnazi und Holocaustleuger Thies Christophersen in Dänemark. Als das spätere NSU-Trio 1998 auf der Flucht eine Autopanne hatte, wies der angeklagte NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben Andreas Rachhausen an, das Fluchtauto zurück nach Thüringen zu holen. Noch im Jahr 2009 unterstützte er die Thüringer NPD beim Landtagswahlkampf. Im selben Jahr organisierte er auch ein Konzert der rechten Hooligan-Band »Kategorie C / Hungrige Wölfe« in seiner Firmenhalle in Saalfeld. Das Konzert soll auf Wunsch seiner Mitarbeiter als Betriebsfeier in Saalfeld organisiert worden sein. Rachhausen betreibt zusammen mit dem Neonazi Enrico R. die Firma »Klimavida« (»HERA«), zu deren Auftragnehmern der Hauptbahnhof Berlin, SAP, Porsche, Aral und andere namhafte Firmen gehörten.

Als weiterer Spitzel wurde der Fall des V-Manns »Tarif« alias Michael See u.a. durch die Homepage publikative.org öffentlich. 1994 soll See sich selbst der Behörde als Quelle angedient haben. Er hatte sich bereits in den frühen 1990er Jahren an die Spitze der »Kameradschaft Leinefelde« im thüringischen Eichsfeld gesetzt, deren Wehrsportgruppe ge­leitet und war vor allem im Raum Nordhausen aktiv. Er gab die Neonazi-Publikation »Sonnenbanner. Nationales Sozialistisches Monatsblatt« heraus. Zusammen mit Jan Andre J. und Rene B. war er 1991 wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen vor einer Diskothek in den Fokus der Ermittler geraten. See wurde später zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Nachweislich unterhielt er gute Kontakte zur Neonazi-Szene um die »Kameradschaft Jena« und den »Thüringer Heimatschutz«, aus der später der NSU erwachsen sollte. Nach seiner Heirat hieß Michael See dann Michael von Dolsperg und trat unter seinem neuen Namen als Wahlkandidat für die NPD in Hannoversch Münden an. Im Jahr 2002 zog er nach Schweden, um »nach altem germanischen Stammesrecht zu leben«, die Kontakte zur deutschen Neonaziszene rissen aber nicht ab. Michael von Dolsperg soll noch bis 2008 Mitglied der neonazistischen »Artgemeinschaft« gewesen sein. Wie nah Michael See dem NSU-Trio wirklich gewesen ist, darüber könnten die Akten des VS Auskunft geben. Doch wurde seine Akte im November 2011 geschreddert, sieben Tage nachdem der NSU sich selbst enttarnt hatte. Die Aktenvernichtung geschah am selben Tag, als der Generalbundesanwalt Ermittlungen wegen der »Gründung einer rechtsgerichteten terroristischen Vereinigung« einleitete.

Mehr Informationen:
http://haskala.de/2013/04/10/gp-alex/
www.publikative.org/2013/10/06/vermeintlicher-nsu-vordenker-als-v-mann-enttarnt/