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"Antirassistisches Zentrum": TU-Besetzung beendet

Einleitung

Am 7. April 1992 beendeten die Flüchtlinge die Besetzung von Räumen an der Technischen Universität Berlin (TU). Fünf Monate hatte die Besetzung gedauert, mit der die Flüchtlinge vergeblich u.a. eine Aufenthaltsgarantie in Berlin für die Dauer des Asyl-Verfahrens durchsetzen wollten.

Foto: Umbruch Bildarchiv

Das „Antirassistische Zentrum“ trat von Anfang an auch für weitergehende politische Forderungen, wie die nach offenen Grenzen und Bleiberecht für alle, ein und versuchte über die Stadtgrenzen hinaus die Aktivitäten von Flüchtlingen zu koordinieren. Zeitweilig über 100 Männer, Frauen und Kinder waren es, die vor pogromartigen Angriffen und unzumutbaren Zuständen in den neuen Bundesländern abermals geflohen waren und sich an der TU-Besetzung beteiligten.

Die Flüchtlinge taten alles, was in ihrer Macht stand, um dem allmählich erlahmenden öffentlichen Interesse etwas entgegenzusetzen und politischen Druck für ihre Forderungen zu entwickeln: Auftritte in Schulen und bei verschiedenen Veranstaltungen und Demonstrationen, die Besetzung von SPD-Geschäftsräumen, Durchführung einer eigenen Demonstration, an der sich 3.000 Menschen (überwiegend ImmigrantInnen) beteiligten, die Besetzungsaktion im Berliner Rathaus etc. Die Hinhaltetaktik des Berliner Senats ging schließlich doch auf. Zu zaghaft war die Unterstützung der Flüchtlinge durch die Linke und das liberal-humanistische Spektrum gewesen. Kirche, Alternative Liste (AL) u.a. schwenkten seit Januar zunehmend auf die eher rassistische Senatslinie um. Die SPD (die in Berlin zusammen mit der CDU regiert) und die Kirche vollführten selbst bei der Unterstützung der Minimalforderungen »Eiertänze«, wie selbst der TU-Vizepräsident anmerkte.

Auf Seiten der Flüchtlinge wurde die Lage immer unhaltbarer. Über Monate lebten Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen unter dem Druck der Illegalität auf engstem Raum zusammen. Rund 50 Flüchtlinge waren schließlich auf ein Angebot des Landes Brandenburg eingegangen und hatten am 5. März das antirassistische Zentrum verlassen. In einer Presseerklärung der Flüchtlinge hieß es dazu: »Dieser Umzug ist nicht die Folge der inneren Zwistigkeiten unter den Flüchtlingen, sondern vielmehr ein Produkt der starren Haltung der politisch Verantwortlichen.« Es sei ein Punkt gekommen, »wo die Familien und die Kinder nicht mehr aushalten konnten.« Die verbleibenden Flüchtlinge (zu diesem Zeitpunkt noch die Mehrheit) wollten weiter kämpfen. Sie konnten schließlich auf dem Wege der Verhandlungen die Aufnahme von 15 von ihnen in Berlin durchsetzen. Danach gaben die Flüchtlinge auf und zogen aus.

Auf einer abschließenden Pressekonferenz erklärten die Flüchtlinge und Unterstützerinnen: »Nach mehrtägigen Verhandlungen ... haben 15 Flüchtlinge ... eine Aufenthaltsgestattung für Berlin erhalten; die Einzelfallanträge von 26 weiteren Flüchtlingen aus der TU wurden aufgrund willkürlicher und undurchsichtiger Kriterien vom Innensenat abgelehnt. (...) Den Flüchtlingen und autonomen Unterstützerinnen war es in den 5 1/2 Monaten nicht möglich, die politischen Kräfteverhältnisse in der Stadt so zu verändern, daß der Senat zu entscheidenden Veränderungen seiner rassistischen Politik gezwungen gewesen wäre. (...) Mit der Beendigung der Besetzung der TU hört der Kampf der Flüchtlinge und autonomen Unterstützerinnen gegen staatlichen Rassismus, gegen faschistischen Terror und rassistische Medienhetze nicht auf. (...) Die Flüchtlinge in der TU haben immer wieder darauf hingewiesen, daß sie nur ein Bruchteil derer sind, die sich der rassistischen staatlichen Flüchtlingspolitik widersetzen. 50 - 70 Prozent aller Flüchtlinge wehren sich bundesweit gegen die Zwangsverteilungen. Viele Flüchtlinge organisieren sich gegen die rassistischen Angriffe und Morde. Flüchtlingswiderstand, wie z.B. in den letzten Monaten in Norderstedt, Frankfurt, Berlin, Düsseldorf, Tübingen und Stuttgart, richtet sich gegen die rassistische Flüchtlingspolitik der BRD insgesamt (...)«

Es wäre falsch, die Besetzung nur an dem mageren Verhandlungsergebnis zu messen. Das Zentrum in der TU war für viele Monate ein wichtiger Kristallisationspunkt für den Widerstand der Flüchtlinge, aber auch für die Arbeit antirassistischer Gruppen. Es sorgte dafür, daß die Zwangsverteilungen von Flüchtlingen und das Zusammenwirken von staatlichem Rassismus und Terror auf der Straße in der Öffentlichkeit nicht allzu schnell verdrängt werden konnten. Die Bedingungen waren denkbar schlecht, angesichts eines rassistischen Klimas, das immer weitere Teile der Bevölkerung erfasst und von Parteien und Medien geschürt wird; angesichts der Tatsache, daß diese Politik selbst von Teilen der „Die Grünen“ und der Kirche mitgetragen wird (um von der SPD erst gar nicht zu sprechen) und schließlich angesichts der Tatsache, daß spätestens seit dem Anschluß der DDR große Teile der vormaligen Linken von einer Krise erfasst sind, die sie z.T. handlungsunfähig macht. Aber gerade deswegen sind Zeichen des Widerstandes, wie es das antirassistische Zentrum war, dringend notwendig.