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Aufstieg der Großmäuler

Einleitung

Mit ambitionierten Plänen macht die NPD in Brandenburg auf sich aufmerksam. Vieles davon ist nur auf Medieninteresse schielendes Getöse, doch trotzdem gelingt es dem Landesverband, zusehends an Stärke zu gewinnen

Der Landeschef der Brandenburger NPD Klaus Beier (links) und der Bundesvorsitzende Udo Voigt

Es war nur eine Medienblase, die von der NPD geschickt aufrecht erhalten wurde, um sich im Gespräch zu halten. Nun steht fest, dass aus dem geplanten Parteizentrum vorerst nichts wird. Über eine Woche lang hatte die Brandenburger NPD im Januar Gerüchte befeuert, nach denen sie ein ehemaliges LPG-Gelände im Örtchen Kleinow (Gemeinde Plattenburg in der Prignitz) kaufen wolle, um dort einen Stützpunkt einzurichten. Man sichte 21 Kaufangebote, sagte Parteilandeschef Klaus Beier vielsagend und betonte: »Da war auch etwas in der Prignitz dabei.« Er ergänzte, dass die NPD beabsichtige, den Kreisverband Prignitz-Ruppin in 2007 wieder aufzubauen – da käme ein Zentrum gerade recht. Als Kaufinteressent für das Kleinower Grundstück trat nach Pressemeldungen der Hamburger Neonazi Jürgen Rieger auf. Ob als Privatier oder im Parteiauftrag war unklar, doch die Erinnerung an die jüngsten Ereignisse in Delmenhorst, wo Rieger ein leer stehendes Hotel kaufen wollte, reichte aus, um landesweit für Aufmerksamkeit zu sorgen.

Obgleich die Aussagen von Beier und Rieger immer überaus wolkig blieben, organisierte die Kommunalpolitik sogar eine Anti-NPD-Kundgebung in Kleinow, an der 250 BürgerInnen teilnahmen. So prompt, wie die NPD den Gerüchten um Kleinow auf die Sprünge half, so flink übte sie sich wenig später in empörten Dementi: »Zu keinem Zeitpunkt« habe Interesse am Grundstück in Kleinow bestanden, so Landespressesprecher Thomas Salomon, nie habe es Kaufverhandlungen gegeben und auch Jürgen Rieger kenne die »asbestbelastete Immobilie« überhaupt nicht. Die »Falschmeldung« habe indes dem Kreisverband »eine Steilvorlage für die Aufklärung der Öffentlichkeit« geliefert.

Lärmen um jeden Preis

Die Provinzposse in Kleinow ist typisch dafür, wie die vergleichsweise schwache Brandenburger NPD zurzeit auftritt. Unter Landeschef Klaus Beier, hauptberuflich Pressesprecher für die Bundespartei, wird gepoltert, werden Kleinigkeiten groß geredet, werden vollmundige Pläne herausposaunt, egal ob sie eingehalten werden können. Getan wird, was Schlagzeilen verspricht. 2006 kündigte Beier einen NPD-Besuch bei einem Antirassismus-Seminar für schwarze Jugendliche in Hirschluch an, um unter dem Motto »Die Weißen kommen«, »den Verantwortlichen genau auf die Finger zu schauen, wieviel ›Schwarz‹geld das deutschfeindliche Wochenende verschlingen« würde. Ganze drei NPDler, darunter Beier, tauchten letztlich auf, nahmen zur Kenntnis, dass sie nicht hereingelassen werden und verschwanden wieder. Doch durch die breit gestreute Ankündigung konnte man sich über Berichterstattung in Printmedien und in der Tagesschau freuen.

Mit gehöriger Skepsis sind also die NPD-Äußerungen aus Brandenburg zu betrachten, egal ob es um die Beratung von Hartz-IV-Empfängern geht, das geplante Schulungszentrum (das auch beim Parteitag in Borgsdorf im Herbst Thema war, für das tatsächlich aber Personal und Geld fehlt), der Integration von ex-Mitgliedern verbotener oder aufgelöster Kameradschaften oder dem Aufbau von neuen Parteiuntergliederungen.

Strukturaufbau und Mitgliederzuwachs

Nichtsdestotrotz ist einiges im Gange. Nach mehreren Jahren, in denen die Partei im Land kaum präsent war, steigen nach Angaben des Verfassungsschutz die Mitgliederzahlen wieder: von 130 (2004) über 190 (2005) auf 230 (2006). Damit ist die Partei wieder auf dem Niveau des Jahr 2000. Obwohl Brandenburg aufgrund des »Deutschlandpaktes« als Terrain der DVU gilt (die seit 1999 im Landtag sitzt), will die NPD ihre Aufbauarbeit und Mitgliederwerbung weiter vorantreiben und bei den Kommunalwahlen 2008 antreten. In 2007 wurden bisher – zumindest auf dem Papier – ein Kreisverband Barnim-Uckermark, ein JN-Ableger für den Spreewald und ein Ortsbereich Storkow gegründet. Der Stadtverband in Frankfurt/Oder wurde reaktiviert, die Kreisverbände Spreewald und Havel-Nuthe geben sich aktiver als zuvor und neue Ortsbereiche sollen bald in Beeskow und Schöneiche entstehen. Stärkste Gliederung ist der Kreisverband Oderland, dem Beier vorsitzt und dort zusammen mit Lars Beyer auch im Kreistag vertreten ist. Mit einer Verteilaktion der Schulhof-CD, Wahlkampfhilfe für die Berliner NPD, einem Kinderfest in Storkow und dem BürgerInnen-Flugblatt »Oderland-Stimme« entfaltete der Kreisverband in 2006 etliche Aktivitäten.

Die Brandenburger NPD profitiert unter anderem von einem gesteigerten Selbstbewusstsein durch die Wahlerfolge in den angrenzenden Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen sowie von der Misere der Brandenburger Kameradschaftsszene, die seit der Selbstauflösung des bis dato tonangebenden »Märkischen Heimatschutz« im November 2006 in einer Sinnkrise ist. Zwar sind NPD-Eintritte von ehemaligen Kameradschaftern eher eine Randerscheinung doch scheint die NPD unter Brandenburger Rechtsextremen wieder attraktiver zu werden, auch durch die von Klaus Beier befeuerte Medienpräsenz. Als Beier den Landesverband 2004 übernahm, stand er vor einem Scherbenhaufen: Sein Vorgänger war mitsamt relevanten Teilen der Mitgliederbasis kurz zuvor aus der NPD ausgetreten, weil diese sich zu »einer Systempartei« entwickelt habe. Seitdem werkelt Beier, Jahrgang 1966, am Wiederaufbau der Strukturen.

Auch um die Straße wird gekämpft

Inzwischen ist die NPD wieder stabil genug, um sich auch die Präsenz auf der Straße zuzutrauen. In kurzer Folge provozierte man »gegen die Systemparteien« mit einer kleineren Kundgebung gegen »die Heuchelei der Sozis« beim SPD-Landesparteitag in Fürstenwalde, mit einer weiteren Kleinkundgebung gegen »Multikulti-Fanatiker« bei einer Konferenz der Grünen in Halbe und mit dem Aufritt bei einer PDS-Veranstaltung in Bad Saarow gegen »das Geseier« vom PDS-Bundestagsmitglied Wolfgang Gehrcke. Der Höhepunkt stand am 27. Januar 2007, perfiderweise dem Holocaust-Gedenktag, an, als man gegen den Landesparteitag der CDU in Frankfurt/Oder demonstrierte. Mehrere hundert Rechtsextreme – altgediente NPDler aus der Region, Rechtsrockfans und Kameradschaftsnazis – liefen durch die Stadt und hielten direkt vor dem CDU-Tagungsort eine Kundgebung ab. Jahrelang hatte die Brandenburger NPD keine eigene Demonstrationen mehr veranstaltet.

Im Süden des Bundeslandes scheint derweil die sächsische NPD kräftig ihre Finger mit im Spiel zu haben – der heimische Landesverband hat nur bedingt mitzureden. Die JN aus Hoyerswerda agitiert beispielsweise fleißig unter den Mitgliedern der scheinaufgelösten Kameradschaften in Cottbus und Guben. Eine kleinere Demonstration in Lübben im Dezember 2006 (»Menschenrecht bricht Staatsrecht – staatliche Repression öffentlich machen«) war komplett von Sachsen aus organisiert worden und von dort kam auch ein Gutteil der rund 160 marschierenden Rechtsextremen. Die NPD-Mitglieder aus dem Landkreis Elbe-Elster werden direkt von Sachsen aus betreut.

Fazit

Die relativen Erfolge der NPD in Brandenburg verdienen es aus antifaschistischer Sicht, aufmerksam beobachtet zu werden. Dass viele der NPD-Ankündigungen aus der Region nicht eingehalten werden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Partei ihre Mitgliederbasis erweitert, um Strukturaufbau bemüht ist und bei einem Wahlantritt 2008 mit dem Gewinn etlicher kommunaler Mandate rechnen darf. Bisher wird von DVU wie NPD beteuert, dass darunter das Verhältnis der beiden Parteien nicht zu leiden hat. Doch aus Sicht der DVU kann das Verhalten der NPD nur als Provokation gewertet werden. Ein Erstarken der NPD in Brandenburg kann nicht in ihrem Sinn sein und stellt den »Deutschlandpakt« potenziell in Frage. Sollte das bundesweite Wahlbündnis der Parteien ins Wackeln kommen – der Auslöser könnte ein Streit um Wahlantritte in Brandenburg sein.