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CDU-Abgeordneter trifft SS-Division

Einleitung

Ein extremes Beispiel für konservative Affinität zu rechtsextremen Positionen ist das des CDU-Stadt- und Kreistagsabgeordneten Egon Wochatz (67) aus dem brandenburgischen Spremberg. Seit Jahren produziert der ehemalige Bürgermeister der 26000-Einwohner-Stadt in schöner Regelmäßigkeit einen Skandal nach dem anderen – ohne dass dies seinen Einfluss als Kommunalpolitiker mindern würde. 

Der CDU-Rechtsaußen Egon Wochatz.

Nach der rassistisch motivierten und tödlich geendeten Hetzjagd auf einen Flüchtling in Guben, in der Nähe Sprembergs gelegen, suchte Wochatz 1998 die Schuld beim Opfer: »Was hatte der auch nachts auf der Straße zu suchen?«, fragte er und verwies auf die Hausordnung in brandenburgischen Flüchtlingsheimen, die nicht ohne Grund eine Nachtruhe ab 22 Uhr vorsehe.1

Im gleichen Jahr startete Wochatz, damals noch amtierend als Bürgermeister, eine Initiative, einen Gedenkstein für SS-Kämpfer mit der zentralen SS-Losung »Unsere Ehre heißt Treue« aufstellen zu lassen. Als Standort schlug er den Georgenberg vor, auf dem sich auch das lokale Denkmal für die Opfer des Faschismus befindet.2 Die Aufstellung des Steins scheiterte letztlich nach Protesten und der befürchteten negativen Aufmerksamkeit, die der Stadt Spremberg sonst zukommen würde.

»Aus geschichtlichem Interesse«, wie er später begründete, hat Wochatz wiederholt an Treffen ehemalige Angehörige der Waffen-SS-Division »Frundsberg« teilgenommen.3 Die Panzereinheit hatte 1945 bei Spremberg gegen den Vormarsch der Roten Armee auf Berlin gekämpft. Als Wochatz auch bei einer Zusammenkunft im Jahr 2004 zugegen war, die etwa 30 SS-Veteranen begrüßte und mit ihnen »auf die gefallenen Kameraden« trank, löste dies landesweite Kritik aus.4 Auch die CDU sah sich in der Folge genötigt, sich von dem Treiben ihres Parteimitglieds zu distanzieren. Letztlich kam Wochatz aber politisch unbeschadet aus der Auseinandersetzung heraus und durfte alle seine Ämter behalten. Dem SPD-Landrat Dieter Friese, der erfolglos den Rücktritt von Wochatz gefordert hatte, wurde indes anonym gedroht, man würde ihm »die Beine weghauen«, wenn er Wochatz nicht in Ruhe lasse.5 Auffallend ist, dass die lokalen Distanzierungen erst einsetzten, als in überregionalen Medien über den Fall berichtet wurde.

Wochatz versprach, sich künftig von Treffen der SS-Ehemaligen ferzuhalten. Wenige Wochen später war er dann bei einer Umbettung von deutschen Kriegstoten in Spremberg zugegen, die vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge organisiert wurde. Dort ist Wochatz ebenfalls Mitglied. Ebenso nahmen ein dutzend Neonazis teil, unter ihnen der ehemalige Chef der 1992 verbotenen »Deutschen Alternative«, Frank Hübner aus Cottbus. Vor Ort sagte Wochatz einem Reporter der Lokalpresse, dass er die anwesenden Rechtsextremen nicht kenne. Dass er sich wenig später mit einem der Neonazis unterhielt und dann per Handschlag verabschiedete, mochte Wochatz nicht kommentieren.6

In seiner Funktion als Vorsitzender des »Georgenbergvereins« bemüht sich Wochatz zudem seit Jahren darum, das bereits erwähnte Spremberger Mahnmal für die Opfer des Faschismus umzugestalten. Im Februar 2005 gelang ihm der Durchbruch: Die Stadtverordneten-Versammlung beschloss auf sein Betreiben, nicht mehr »einseitig« antifaschistischen Widerstandskämpfern zu gedenken, sondern »allen Opfern von Krieg und Gewalt im 20. Jahrhundert«. Zu den darunter zählenden Opfergruppen gehören, so wird es bald auf separaten Bronzetafeln zu lesen sein, deutsche Vertriebene, deutsche Soldaten des ersten und zweiten Weltkriegs, deutsche Opfer unter der Zivilbevölkerung aus den Weltkriegen sowie Opfer des Stalinismus. In der kommunalen Debatte ist noch, ob als Opfer des Stalinismus auch NSDAP-Mitglieder namentlich geehrt werden sollen, wie Wochatz’ Georgenbergverein es fordert.7

Bei einer Gedenkfeier zum 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz hatte die Brandenburger DVU-Landtagsfraktion in der Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen ebenso versucht, ein Gedenken an Opfer des Stalinismus durchzusetzen. Die DVU wurde daraufhin massiv kritisiert und ihr Kranz entfernt.8 In Spremberg setzte sich Wochatz mit der exakt gleichen Forderung nach »Ausgeglichenheit« durch, ohne auf größeren Widerstand zu stoßen.
Kein Wunder in einer Stadt, deren Chronik über die Jahre 1933 bis 1945 lediglich zu berichten weiß, dass der Marktplatz neu gepflastert und ein Brunnen versetzt wurde.9

  • 1Bündnis gegen Geschichtsrevisionismus, 7.7.2004, »A Lesson in History«
  • 2Neues Deutschland, 11.7.2004, »Geschichtsstunde für CDU-Mann Egon Wochatz«
  • 3Lausitzer Rundschau, 24.6.2004, »Wie es jetzt steht, ist es fast untragbar«
  • 4taz, 6.9.2004, »Nebensachen aus Brandenburg«; Tagesspiegel, 20.6.2004, »Netter Empfang für SS-Männer«
  • 5taz, 6.9.2004, »Nebensachen aus Brandenburg«
  • 6Lausitzer Rundschau, 28.9.2004, »Spremberg und die Kriegstoten«
  • 7Lausitzer Rundschau, 25.2.2005, »Tafel für Stalinismus-Opfer soll an die Stützmauer«
  • 8Märkische Allgemeine, 28.1.2005, »Kranz der DVU entfernt«
  • 9Die Zeit, 19.8.2004, »Schlacht aus dem Nichts«