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Das »Ausländergesetz«

Einleitung

Für Menschen aus außereuropäischen Ländern gelten in der Bundesrepublik Sondergesetze. Die sogenannten Ausländergesetze verbieten diesen Menschen mit den gleichen Rechten hier zu leben, wie die übrige Bevölkerung. Elementare Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, selbständige Auswahl des Arbeitsplatzes und das Wahlrecht werden ihnen grundsätzlich verweigert.

Rechte Forderungen werden zu offizieller Regierungspolitik

Aus der rechtlichen Ungleichheit ergibt sich die gesellschaftliche Schlechterstellung. Ausgrenzung und Diskriminierung werden durch die staatliche Gesetzgebung legitimiert und begünstigt. Die durch die Ausländergesetze verordnete Hierarchie ist eine der Grundlagen für Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Die geplante Neufassung des »Ausländer-Raus-Gesetzes« ist nur ein Teil der sich ständig zuspitzenden Situation für ImmigrantInnen und Flüchtlinge. Mit dem Argument, daß die Bundesrepublik kein Einwanderungsland und das »Boot schon voll« sei, wurde jahrelang die Totalabschottung gegen außereuropäische Menschen begründet. Aus- und ÜbersiedlerInnen hingegen wurden mit offenen Armen empfangen, weil sie der antikommunistischen Propaganda einen willkommenen Auftrieb gaben.

Angesichts der frischen »deutschen« Arbeitskräfte und der ungeahnten Möglichkeiten eines "Großdeutschlands" haben Menschen aus außereuropäischen Ländern, die vor Jahren zum Arbeiten hergeholt wurden, ihre Funktion erfüllt und werden jetzt aus dem Land getrieben. Innenminister Wolgang Schäuble und Konsorten hoffen, angesichts der wuchernden Deutschtümelei, das neue Ausländergesetz ohne nennenswerten Widerstand durchsetzen zu können.

Die zur Zeit geltenden Ausländergesetze von 1965 sind eine Art Fortsetzung der ausländerrechtlichen Verordnungen aus dem Nationalsozialismus. Die Ausländerpolizeiverordnung von 1938 war das Instrumentarium zur Errichtung der absoluten Verfügungsgewalt und Rechtlosigkeit von AusländerInnen. Es ging darum, ausländische Arbeitskräfte beliebig zur Verfügung zu haben und im Kriegsfall die innere Sicherheit zu gewährleisten. Die Nationalsozialisten benötigten zur Aufrechterhaltung der Wirtschaft und zur Verwirklichung ihres Welteroberungsprogrammes mehr Arbeitskräfte als in Deutschland zur Verfügung standen. Vor allem Frauen aus Osteuropa wurden unter barbarischen Bedingungen deportiert und zur Arbeit in der deutschen Rüstungsindustrie gezwungen. Die nationalsozialistischen Kontinuitäten der heutigen Bundesrepublik zeigt sich u.a. daran, daß diese ausländerrechtliche Verordnung von 1938 als eine Grundlage für die Ausländergesetze von 1965 dienten.

Trotz der sprachlichen Kosmetik sind einige Elemente des nationalsozialistischen Gedankengutes unschwer erkennbar. Beispielsweise sind die »wichtigen Belange des deutschen Reiches und der Volksgemeinschaft« nur in »erhebliche Belange der Bundesrepublik« umgeändert worden. Nach wie vor orientiert sich die Ausländerpolitik an der Nützlichkeit der ausländischen Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt. Die diversen Gummiparagraphen und Kannbestimmungen ermöglichen den Behörden, die Erteilung von Aufenthalt- und Arbeitserlaubnissen an ausländische Arbeitskräfte der Situation auf dem Arbeitsmarkt anzupassen. Dementsprechend sind auch die Ausweisungsgründe flexibel handhabbar. Um zu gewährleisten, daß sich nur solche ausländischen Arbeitskräfte hier aufhalten, die den Herrschenden auch genehm sind, wurde mittels der Ausländergesetze ein ausgeklügeltes System der staatlichen Überwachung und Kontrolle geschaffen.Alle ImmigrantInnen und Flüchtlinge sind verpflichtet, regelmäßig und ausführlich über ihre Wohn-, Arbeits-, und Lebensverhältnisse Rechenschaft abzulegen. Bei der Asylantragstellung haben Flüchtlinge genaueste Angaben über politische Organisationen, Mitglieder, Aktivitäten, Fluchtwege etc. zu machen. All diese Daten werden beim Verfassungsschutz in Köln gespeichert.

Um die jahrelang gemachten Erfahrungen und in der Praxis schon angewendeten Maßnahmen rechtlich abzusichern, will die Bundesregierung im April oder Mai 1990 das neue Ausländergesetz verabschieden. Der Entwurf dafür wurde bereits von Innenminister Wolfgang Schäuble vorgestellt. Der von jetzt 55 auf 102 aufgeblähte Gesetzesentwurf, macht es jedem Nichtjuristen schier unmöglich, den Begriffsdschungel zu entwirren. Dahinter steckt vermutlich auch die Absicht, eine verständliche Übersicht und Klarheit zu erschweren, damit weniger Menschen zu einer Aufenthaltsverfestigung gelangen können.

Während in Öffentlichkeit behauptet wird, daß dieses Gesetz mehr Rechtssicherheit bietet, wurden in Wahrheit die Ermessensentscheidungen der Behörden noch ausgeweitet. Hier einige Auszüge:

Verschärfungen bei der Einreise: Um in die BRD zu gelangen, benötigen alle AusländerInnen einen gültigen Paß und ein Visum, welches bei der bundesdeutschen Botschaft zu beantragen ist die. Die Erteilung des Visums kann laut Entwurf ohne Angabe von Gründen verweigert werden. Somit besteht keine Möglichkeit mehr, daß Visum bei Nichterteilung einzuklagen.  Die Grenzbeamten können Menschen trotz gültigem Visum zurückweisen, falls der »begründete Verdacht besteht, daß der Aufenthalt nicht dem begründeten Zweck dient«. Diese Paragraphen lassen den Botschaften und Grenzern freie Hand bei ihren Entscheidungen. Erstmals werden Verdachtsmomente, die durch nichts zu beweisen sind, zur rechtsstaatlichen Handlungsgrundlage gemacht. Die bisher halblegale Praxis der Zurückweisung an der Grenze in ein Drittland anstatt in das Herkunftsland, wird jetzt legalisiert.

Verschärfungen beim Aufenthalt: Der Aufenthalt, der für die Herrschenden zum Problem gewordenen 300.000 De-facto Flüchtlinge, wird neu geregelt. Als De-facto Flüchtlinge werden die Flüchtlinge bezeichnet, deren Asylanträge aufgrund der repressiven Asylgesetzgebung abgelehnt wurden. Sie können aber wegen der Verhältnisse im Herkunftsland nicht abgeschoben werden (nach der Genfer Füchtlingskonvention, die die BRD 1951 unterzeichnete) . Die sogenannten De-facto Flüchtlinge werden hier nur geduldet aufgrund unterschiedlicher Abschiebestoppregelungen in einzelnen Bundesländer. Duldung heißt Aussetzung der Abschiebung für ein Jahr ohne Recht auf Daueraufenthalt. Diese unterschiedlichen Praktiken und damit auch einen gewissen Spielraum soll untersagt werden. Zukünftig werden Entscheidungen bezüglich eines Abschiebestopps zentral in Bonn, vom Innenminister getroffen. Die Ausländerbehörden entscheiden nicht mehr selbst über Abschiebung, Duldung oder die neu eingeführte Aufenthaltsbefugniss für Flüchtlinge (Aussetzung der Abschiebung für zwei Jahre, die nach achtjähriger Bewährungszeit in einen Daueraufenthalt münden kann). Dadurch wird es z.b. für Flüchtlingsiniativen unmöglich vor Ort Abschiebestoppregelungen gegenüber der Behörde durchzusetzen. Außerdem bedeutet die einheitliche Abschiebestoppregelung, daß im Zuge einer allgemeinen »Ausländer-Raus Politik«, die relativ »großzügigen Regelungen« des Westberliner Senats der rabiaten Abschiebepraxis Bayerns angepasst wird.

Massive Verschlechterungen enthält der Entwurf für die Flüchtlinge; die durch eine Länderregelung einen gesicherten Aufenthaltstitel, die Aufenthaltserlaubnis, erhielten. Etwa die Altfallregelung von Wilhelm Kewenig (CDU) 1987 und von Erich Pätzold (SPD) 1989. Dieser Status soll aberkannt werden und stattdessen die wesentlich schlechtere Aufenthaltsbefugnis, erteilt werden. Dieser Aufenthaltstatus kann von Innenminister Wolfgang Schäuble widerrufen werden und die Abschiebung angeordnet werden, wenn er befindet, daß sich die Lage im Herkunftsland geändert hat. Dadurch werden diese Flüchtlinge wieder in Unsicherheit gehalten, um sie in einem
politisch günstigen Moment eiskalt abzuservieren.

Der Aufenthaltstitel der hier lebenden ImmigrantInnen ist in der Regel die Aufenthaltserlaubnis. Die Voraussetzungen die, zur Erteilung erfüllt sein müssen, werden wesentlich verschärft: nach sechsmonatigem Bezug von Arbeitslosenhilfe ist Schluß, bei Sozialhilfe sowieso schon. Die Voraussetzung des "ausreichenden Wohnraums" ist erheblich verschärft worden. In Verbindung mit der Aufenthaltsgenehmigungspflicht für Kinder kann diese Forderung zum aufenthaltsrechtlichen Fallbeil für die ganze Familie werden. Auch kann der Familiennachzug verweigert werden, wenn kein ausreichender Wohnraum vorhanden ist. Die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt spitzt sich immer mehr zu. Aus dem Rennen fliegt wer die falsche »Volkszugehörigkeit« hat. Unzählige Hausbesitzer erklären mittlerweile ganz offen, daß nur an Deutsche Wohnungen vergeben werden. Ausländische Menschen haben kaum noch die Möglichkeit eine anständige Wohnung zu bekommen. Gewinner aus dem Andrang nach Wohnungen sind die Vermieter. Bei Neuvermietung werden gleich 20 Prozent auf den Altpreis aufgeschlagen. Die Steigerungsrate bei den Altbaumieten liegt 78 Prozent über der der Lebenshaltungskosten. In Westberlin gibt es tausende Obdachlose.

Die Aufenthaltsberechtigung ist der sicherste Aufenthaltsstatus, der nach acht Jahren erteilt werden kann. Besonders Jugendliche der 2. Generation erhielten diesen Titel. Jetzt soll er nur dann erteilt werden, wenn fünf Jahre versicherungspflichtig gearbeitet wurde. Menschen, die seit der Geburt hier leben, sind theoretisch von Abschiebung bedroht weil sie angeblich nicht zum deutschen Volk gehören.

Diese Maßnahmen bewegen sich ganz im Fahrwasser reaktionärer und völkischer Politik der politischen EntscheidungsträgerInnen in der Bundesrepublik. Sollte der Gesetzentwurf verabschiedet werden sind vor allem diejenigen von den Bestimmungen betroffen und bedroht, die keine Aufenthaltsberechtigung besitzen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hatten 1988 33 Prozent (= 147.930) eine befristete Aufenthaltserlaubnis, 29,1 Prozent (= 130.790) eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und nur 10,2 Prozent (= 45.880) eine Aufenthalsberechtigung.

Politische Betätigung: Das Ausländergesetz von 1965 kann die politische Betätigung von AusländerInnen untersagt werden, wenn »sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik« es erfordern, bei Abwehr von Störungen der öffentlichen Ordnung oder bei Beeinträchtigung der politischen Willensbildung. Diese Punkte sind im Entwurf im wesentlichen übernommen worden und um einige Verbotsgründe erweitert. Die politische Betätigung kann untersagt werden, wenn sie dem »außenpolitischen Interesse« der BRD zuwiderläuft. Wenn z.B. IranerInnen gegen das Terrorregime im Iran hier demonstrieren, kann dies mit dem Argument des Zuwiderlaufen des außenpolitischen Interesse verboten werden. Bekanntermaßen hat die BRD die besten Handelsbeziehungen zum Iran. Weiter heißt es in dem Entwurf, daß die politische Betätigung untersagt werden, wenn das friedliche Zusammenleben von Deutschen und AusländerInnen gestört wird. Wenn z.B. Menschen aus nicht europäischen Ländern gegen den hier unter Deutschen weit verbreiteten Rassismus demonstrieren, kann das versagt werden mit obiger Begründung.

Ausweisungsgründe: Bislang war die Bestreitung des Lebensunterhaltes durch Sozialhilfe ein Ausweisungsgrund. Laut Entwurf ist der Bezug von „Sozi“ nur für Krankenversorgung schon Ausweisungsgrund. Der Gebrauch von Drogen kann jetzt als Ausweisungsgrund genügen ohne das eine strafrechtliche Verurteilung vorliegt. Geltendes Recht bestimmt, das eine gerichtlich angeordnete Fürsorgeerziehung bei Straftat oder Verwahrlosung zur Abschiebung führt. Laut Entwurf kann die Ausweisung jetzt schon bei freiwilliger Inanspruchnahme wie Jugendwohngemeinschaften, Pflegefamilie angedroht werden. Erstmals wird gesetzlich festgeschrieben, daß Behörden wie Arbeitsamt, Meldestelle, Finanzamt, Sozial- und Jugendamt und Paßbehörde der Ausländerbehörde regelmäßig und unaufgefordert persönliche Daten übermitteln sollen. Diese fast lückenlose Überwachung von AusländerInnen läßt erahnen was demnächst auf uns alle zukommen soll.

Neu eingeführt wird die strafrechtliche Verfolgung von Versteckaktionen um AusländerInnen vor Abschiebung zu schützen. Zukünftig soll diese Solidarisierung mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden. Damit steigt die Angst solche Aktionen zu unterstützen. Vor allem die extrem rechten „Republikaner“ (REPs)  haben sich mit der Forderung nach der Einführung des Schweizer Rotationsprinzip für ausländische Arbeitskräfte hervorgetan. So sollen bei Bedarf ausländische Arbeitskräfte angeworben werden, die beliebigen räumlichen und zeitlichen Beschränkungen unterliegen und nach Erfüllung des Aufenthaltszweckes sofort wieder auszureisen haben. Ihnen soll von vorneherein die Möglichkeit genommen werden ihren Aufenthalt zu verfestigen. Besonders in der Landwirtschaft oder auf dem Bau wird über Arbeitskräftemangel geklagt. Kein Wunder, bei den dort herrschenden miesen und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und schlechter Bezahlung. Vor allem für diese Branchen sollen ausländische Menschen als billige und rechtlose Arbeitskräfte angeworben werden.

Auch im Hinblick auf kommende Streiks sollen diese Menschen als Streikbrecher eingesetzt werden oder Mißachtung von gesundheitlichen Bestimmungen z.B. in der Atomindustrie. Derzeit laufen Verhandlungen mit der polnischen Regierung über ein Arbeitskräfteheer von jährlich 10.000 Menschen, die im Bedarfsfall zur »Verfügung gestellt« werden sollen. Mit diesem Rotationsprinzip sollen auch jegliche Renten-, Kranken-, und Arbeitslosenversicherungen für diese Menschen entfallen. Die Folgeerscheinungen und Nachwirkungen aufgrund des Verschleißes durch Arbeit soll das Herkunftsland tragen.

Einige Bestandteile einer extrem rechten Ideologie sind längst nicht mehr »exotische Ansichten« von Rechtsaußen. Sie sind mittlerweile in Teilen der offiziellen Regierungspolitik eingegangen. Diese wird nun immer offensiver in die Praxis umgesetzt.