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Hamburg: Die antifaschistischen Aktivitäten zum 3. März 1990

»dat Blinkfüer« (Hamburg) (Gastbeitrag)
Einleitung

3. März 1990, 12.00 Uhr: Eine angemeldete Kundgebung des Antifaschistischen Bündnisses auf dem Karl-Muck-Platz findet mit ca. 5.000 Leuten statt. Das Spektrum reicht von autonomen AntifaschistInnen bis zu in bürgerlichen Organisationen zusammengeschlossenen Menschen. Die Demonstration zog bis zum Jungfernstieg, bis dort ist die Menge auf circa 7.000 Leute angewachsen, um eine von „Die Republikaner“ (REP) und ähnlichen extrem rechten Gruppierungen angemeldete Kundgebung zu verhindern. Die REP und andere hatten ein Bündnis mit dem Namen „Bürgerforum für Wiedervereinigung“ gegründet.

Foto: Christian Ditsch

Anhänger der Hamburger Neonazi-Gruppe "Nationale Liste" (NL) beim "Rudolf Heß Gedenkmarsch" 1993 in Fulda.

Angesichts der antifaschistischen Demonstration sind sie aber nicht dazu gekommen, so zumindest die Nachrichten aus Hamburg um ca 22.30 Uhr. Es folgte dann die Überlegung, die Strecke von dort bis zur Moorweide dichtzumachen. Dort sollte eine Kundgebung von der Gruppe „Nationale Liste“ (NL) und anderen Hardcore-Neonazis stattfinden. Die antifaschistische Demonstration ist dann aber geschlossen zur Moorweide gezogen. Dort um 13.00 Uhr angekommen, standen ca. 30-50 Neonazis mit Fahnen auf dem Platz hinter einer Kette von Polizeibeamten. Nichtsdestotrotz versuchten vielen Leuten sie zu vertreiben. Erfolglos, denn die antifaschistische Demonstration wurde aus verschiedenen Richtungen von circa 1.500 Polizisten angegriffen. Diese hatten sich in der Parkgarage des nahegelegenen Congress Centrum mit Kampfliedern, die dort zufällig anwesenden Journalisten die Sprache verschlugen, in „Stimmung“ gebracht. Bis ungefähr 13.20 Uhr gab es Auseinandersetzungen mit den eingesetzten Polizisten mit vielen verletzten DemonstrantInnen. Anschließend zog die Demonstration mit circa 2.500 Leuten zurück zum Gänsemarkt, um dort eine spontane Kundgebung abzuhalten. Auch diese Kundgebung wurde polizeilich angegriffen, selbst Radio Hamburg meldete empört, das ziellos anwesenden Personen (RentnerInnen, PassantInnen, DemonstrantInnen) attackiert wurden. Die verbliebenen  DemonstrantInnen sind bis zum Karolinen-Viertel getrieben worden und erst dort wurde von den nunmehr noch circa 1.000 Leuten abgelassen.

Nach vorläufigen Einschätzungen - vom selbigen Abend - sollte auf diesem Wege der beginnende Neonaziaufmarsch beschützt werden. Während des gesamten Geschehens, versuchten einige Neonazis immer wieder zur Moorweide zu gelangen, wurden aber von aufgebrachten AntifaschistInnen daran gehindert. Auseinandersetzungen mit Neonazis begannen bereits in der Nacht vom 2. auf den 3. März im Gebiet der Reeperbahn. Etwa 200 Neonazis zogen in verschiedenen Gruppen umher und griffen Personen an. AntifaschistInnen wurden von den eingesetzten Polizisten am Eingreifen gehindert. Siebenundsechzig von ihnen kamen in Polizeigewahrsam.

Eine erste neonazistische Kundgebung fand, laut Antifa-Hamburg, schon am 23. Dezember 1989 statt. An ihr beteiligten sich vor allem Burschenschaftler, REPs, die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) und deren Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN). Eine zweite gab es am 2. März 1990, vorbereitet vom gleichen Spektrum zusammen mit Neonazis aus „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) und der „Nationale Liste“ (NL). Die antifaschistischen Aktivitäten zum 3. März 1990 wurden zum Großteil von der Antifa Hamburg (einem Zusammenschluss antifaschistischer Stadtteilinitiativen) vorbereitet. In vielen Stadtteilen gab es zu diesem Datum Kieztreffen, um eine effektive antifaschistische Gegenwehr zu dieser Neonazi-Provokationen zu organisieren. Etwa Woche vor dem 3. März beteiligte sich ein Antifaschistisches Bündnis unter anderem mit Flugblattverteilungen und ähnlichem an den Vorbereitungen. Von Senatsseite aus wurde die antifaschistische Kundgebung am Treffpunkt der Neonazis genehmigt und die Kundgebung der Neonazis an den Jungfernstieg und an die Moorweide verlegt. Dies sollte offenbar eine räumliche Trennung der AntifaschistInnen von den Neonazis zur Folge haben, und zum anderen die AntifaschistInnen aus den Innenstadt heraus locken.

In der Hamburger Presse wurde in den Tagen vor dem 3. März intensiv über die Neonazi-Kundgebungen berichtet. Am Abend des 3. März war von den Neonazis aus der „Nationalen Liste“ eine Veranstaltung mit dem englischen Geschichtsverfälscher (»Historiker«) David Irving angekündigt worden.