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Von der „Ausländerzentralkartei“ zum „Ausländerzentralregister“

Einleitung

Das „Ausländerzentralregister“ ist die nahtlose Fortsetzung der „Ausländerzentralkartei“, die unter den Nationalsozialisten gegründet wurde. Insbesondere der Gestapo war ab 1939 die Führung einer Ausländerzentralkartei übertragen worden war, um Unterlagen über die in Deutschland lebenden Volksgruppen zu gewinnen.

flickr.com; kellerabteil; CC BY-NC 2.0

Damals wie heute ein Mittel zu rassistischer Überwachung und Kontrolle

Spätestens nach dem Beginn des Krieges 1939 waren Angehörige der „Feindstaaten“ interniert worden. Polnische oder staatenlose Juden die in das „Generalgouvernement“ abgeschoben wurden fanden dort meistens den Tod. Das nationalsozialistische Regime benötigte zudem zur Ankurbelung der ruinierten Wirtschaft und zur Verwirklichung ihres Welteroberungsprogrammes mehr Arbeitskräfte als in Deutschland zur Verfügung standen. Durch Einsetzen ausländischer Arbeitskräfte unter den barbarischsten Bedingungen konnte die gesamte Produktion auf Hochtouren gebracht werden, bei minimalsten Ausgaben z.B. für Löhne. Die Ausländerzentralkartei ermöglichte nicht nur deren Überwachung, sondern auch die Möglichkeit mit diesen Arbeitskräften wirtschaftlich zu planen (z.B. in Hinblick auf eine angestrebte Großserienproduktion im Rüstungsbereich).

Nach 1945, als sich abzeichnete daß ausländische Arbeitskräfte in Deutschland wieder notwendig werden, wurde 1953, gestützt auf diese Statistikerfahrungen des Nationalsozialismus - als ein zentrale Informationsdrehscheibe - das Ausländerzentralregister (AZR) in Köln gegründet. Im AZR sind derzeit etwa 100 Millionen Daten von 10 Millionen AusländerInnen gespeichert. Da sich zur Zeit nur etwa 4,6 Millionen AusländerInnen in der BRD aufhalten heißt das, daß in dem AZR Daten von mehr als 5 Millionen AusländerInnen gespeichert sind, die sich nicht oder nicht mehr in der BRD aufhalten.

Die hohe Zahl ergibt sich u.a. daraus, daß die Daten von AusländerInnen, die abgeschoben oder ausgewiesen wurden mindestens 20 Jahre gespeichert werden. Das AZR besteht aus zwei Dateien, der Haupt- und Erkenntnisdatei. Dort werden die Daten unter einer sogenannten Stammnummer, vergleichbar mit einer Personenkennziffer gespeichert. In der Hauptdatei werden sämtliche Daten wie Name, Geburtsort und -datum, Augen- und Haarfarbe, Nasen- und Gesichtsform, Staatsangehörigkeit, Beruf, Familienstand und Krankheiten gespeichert. Außerdem werden alle statistischen Daten wie Entwicklung und Struktur der ausländischen Bevölkerung generatives Verhalten, Wanderbewegungen, Erwerbstätigkeit und Beschäftigung, Wechsel des Arbeitsplatzes, Kenntnisse der deutschen Sprache, „Kriminalität“ und Sozialhilfe gesammelt. Diese Informationen werden mit Hilfe der statistischen Methode ausgewertet , um so Differenzierungen und Unterscheidungen ausmachen zu können.

Diese Unterschiede können auch als politische Spaltungsinstrument eingesetzt werden. So wurden dubiose Statistiken u.a. zur diskriminierenden und rassistischen Propaganda gegen ausländische Menschen eingesetzt. Etwa tauchen "Statistiken" über die angebliche Kriminalität der arabischen Bevölkerung dann auf, wenn diese abgeschoben werden sollen oder gegen sie besondere diskriminierende Gesetze durchgesetzt werden sollen.

Im Rahmen der sogenannten Amtshilfe wird ein reger Austausch zwischen den bundesdeutschen Behörden betrieben. Entweder gelangen die Daten über den Umweg der Ausländerbehörde, die ihrerseits Daten von Meldebehörden, Finanzämtern, dem Hauptzollamt, den Polizeibehörden, der Staatsanwaltschaft, den Gewerbe-, Arbeits- und Sozialämtern bekommt, oder die Behörden leiten diese Daten direkt an das AZR weiter.

Die Polizei hat direkten Zugriff auf die Dateien des AZR. Sie benutzen diese Daten zu Fahndungszwecken und zur direkten Zurückweisung von AusländerInnen an den Grenzstellen. Ein Sondernetz DISPOL1 schließt das BKA, Landeskriminalamt, das Kraftfahrzeugamt, das Bundeszentralregister, das juristische Informationssystem und das AZR zu einem Netz zusammen.

So erreicht man die problemlose Totalüberwachung der AusländerInnen, die spätestens durch den Ausbau der Kabeltechnik durch die Bundespost verwirklicht werden wird. Hier beginnt auch die internationale Zusammenarbeit der Behörden und Geheimdienste zu greifen. Es besteht ein direkter Draht zwischen den BRD-Auslandsvertretungen und dem AZR.

Die dort gespeicherten Informationen sind bereits bei der Visaerteilung relevant. So spielten diese Daten beim Anwerbestopp für AusländerInnen eine wichtige Rolle. In der Erkenntnisdatei werden die AusländerInnen erfaßt, gegen die bestimmte ausländerrechtliche Maßnahmen getroffen worden sind wie Ausweisung, Abschiebung, Ablehnung von Asylanträgen, Ablehnung und Erteilung von Verlängerung von Aufenthalten. Außerdem werden Daten über Straf- und Ordnungsandrohungen, Gefährdungshinweise, Zurückweisungsgründe sowie alle Erkenntnisse des Verfassungsschutzes berücksichtigt.

Eine ausgelagerte Institution des AZR ist das Bundesamt. Es hat die spezielle Aufgabe die Kontrolle, Aushorchung und Verwaltung ausländischer, oppositioneller Kräfte durchzuführen. Bei der Asylantragstellung müssen folgende Fragen beantwortet werden: auf welchem Fluchtweg er gekommen sei, welcher Organisation er angehörte, welche Namen er kenne, was er ge macht hätte, worin sich seine Organisation von anderen unterscheidet, seine militärische Ausbildung, wo die Ausbildungslager sind, woher die Waffen kamen und kommen usw. So zeigt sich deutlich, daß es nicht nur um Daten zur Bevölkerungsplanung geht, sondern auch um Informationen über oppositionelle Kräfte in der Bevölkerung.

Der Tod von Kemal Altun ist ein Beleg dafür, daß es eine Zusammenarbeit zwischen deutschem Bundesamt, AZR etc. und ausländischen Geheimdiensten gibt. Kemal Altun, der hier als politisch Verfolgter aus der Türkei einen Asylantrag stellte, stürzte sich 1983 aus dem Fenster des Oberverwaltungsgerichtes in Berlin, nachdem die Türkei dessen Auslieferung beantragt hatte. Woher wußte die Türkei, daß sich Altun in der BRD aufhielt ? Der Staatsschutz erfuhr von seinem Asylantrag und schaltete das BKA ein. Das BKA informierte Interpol in der Türkei und stellte eine Anfrage, ob ein Auslieferungsantrag gestellt werde. Noch am selben Tag stellte die türkische Regierung einen Haftbefehl aus. Statt Asyl hatte nun die Offenbarung seiner Verfolgungsgeschichte für Altun die Auslieferungshaft zur Folge. Sechs Monate nach seinem Tod wurde ihm vom Gericht das Asylrecht zugesprochen.

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