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Westberlin: Die „Eroberung der Reichshauptstadt“ durch die REPs?

Einleitung

Mit der Parole von der „Eroberung der Reichshauptstadt Berlin durch die Republikaner“ (REPs) kündigte Franz Schönhuber am 14. Juli 1987 vor dem Reichtagsgebäude die Gründung eines Westberliner Landesverbandes an. Vielmehr konnte er nicht verkünden. Einige hundert entschlossene AntifaschistInnen setzen der ersten REP-Kundgebung in Westberlin ein vorzeitiges Ende. Die Republikaner und ihre Sympathisanten mußten den Platz der Republik unter massivem Polizeischutz verlassen.

Franz Schönhuber und Klaus Weinschenk (rechts) bei der ersten REP Versammlung Mitte Juli 1987 in Westberlin.

REP-Gründung unter Polizeischutz

Bereits Anfang April 1987 verschickte Klaus Weinschenk (am 6. März 1987 zum REP-Landesbeauftragten für Berlin ernannt) erste Werbebriefe für die Westberliner REP-Gründung: "Unser Parteifreund Günther Fischer, ein aufrechter deutscher Arbeiter (ehemaliger CDU-ler!), ich (ehemaliger SPD-ler!) und viele andere Parteifreunde stehen Ihnen jederzeit zur Verfügung!" Von Günter Fischer kursierte auch ein REP-Flugblatt mit dem Titel "Die Republikaner in der Haupststadt der Deutschen!" mit Berliner Postfach-Anschrift.

Für den 23. Mai 1987 war eine Veranstaltung mit den westdeutschen REP-Vertretern Franz Schönhuber (REP-Vorsitzender), Harald Neubauer (Generalsekretär) und Günter Poser (stellv. REP-Vorsitzender) geplant gewesen, um den Aufbau in Berlin zu unterstützen.

Die angekündigte Verbandsgründung fand am 5. September 1987 im Berliner Stadtteil Hakenfelde statt. Klaus Weinschenk wurde zum REP-Landesvorsitzenden ernannt. Zum stellvertretenden Landesvorsitzenden und Geschäftsführer wurde der ehemalige Weddinger Volksbildungsstadtrat Otto Wenzel gewählt. Der Berliner Polizeibeamte Bernhard Andres landete ebenfalls an Weinschenks Seite. Bis Juli 1988 war er gleichzeitig REP-Landesorganisationsleiter gewesen. Neben der Zahnärztin Ute Witt landete auch Andreas Domeyer im Berliner REP-Landesvorstand. Domeyer war Kreisvorsitzender der CDU-Jugend „Jungen Union“ (JU) in Berlin-Reinickendorf und genau wie Ute Witt bei der mittlerweile aufgelösten "Konservativen Aktion“ (KA) aktiv gewesen.

Vorsichtshalber wurde die REP-Gründung in Hakenfelde durch Polizei-Einheiten gegen antifaschistische Proteste abgesichert. Die "guten Kontakte" der Berliner REPs zum Landesvorsitzenden der „Deutschen Polizeigewerkschaft im Beamtenbund“ und innenpolitischen "Scharfmacher" Egon Franke dürften hierbei nicht geschadet haben.1 . Die REPs bemühen sich besonders um die Beschäftigten bei den staatlichen Sicherheitsorganen und fordern unter anderem ein Denkmal für den 'Unbekannten Polizeibeamten'.

Klaus Weinschenk

Der Berliner REP-Chef Klaus Weinschenk wohnt in Steglitz, wo sich im Steglitzer Damm auch die Zentrale der Berliner REPs befand. Weinschenk ist Prof. für Sozialarbeit an der "Evangelischen Fachhochschule für Sozialarbeit" in Berlin, dort soll er - Berichten von StudentInnen zufolge - etwa die „Isolierung“ behinderter Menschen befürworten. Zu Weinschenks Aktivitäten soll auch eine Art Unterstützung der rechten und antikommunistischen „Mun-Sekte“ gehört haben. Die „Vereinigungskirche“ ("The Holy Spirit Association for the Unification of World Christianity") - auch bekannt als „Moon-Bewegung“ bzw. "Mun-Sekte" - führte über die Tarnorganisation „CAUSA Deutschland e.V.“ politische Tagungen als ein „Forum für geistige Führung“ durch. Laut Berichten aus der Hochschule soll Weinschenk über die Hochschule ein Treffen mit CARP2 (Studentenorganisation der Mun-Sekte) vermittelt haben. Gemeinsam mit Ute Witt aus dem REP-Landesvorsitz soll er am 25. Juni 1988 im Tegeler "Hotel Novotel" auf einer Veranstaltung der CAUSA Deutschland e.V. gesehen worden seien. 

REP Partei Aufbau

Bis März 1988 wollten die REPs in allen Bezirken Kandidaten für die Abgeordnetenhauswahl aufgestellt haben, um dann in den Wahlkampf zu ziehen. Bis Juli 1988 waren sie allerdings noch nicht dazu in der Lage. Der Aufbau von Kreisverbänden zieht sich ebenfalls länger hin als geplant. Soweit uns bekannt, gibt es mit "West", "Süd West", "Süd", "City" und "Nord" erst fünf davon. Der erste wurde in Berlin-Tiergarten von dem Juristen Carsten Pagel gegründet, der als rechter JU'ler und CDU-Bezirksverordneter bekannt geworden war und mit 33 weiteren JU' lern am 9. Oktober 1987 zu den REPs übertrat. Laut "Berliner Morgenpost" waren bereits Anfang Juni 1987 der Vorsitzende der Berliner CDU-Schüler-Organisation "Berliner Schüler Union" (BSU), Wolfgang Fenske, und sein Stellvertreter Andreas Galau zu den REPs übergetreten.

In Berlin-Wedding gibt es einen Kreisverband, welcher von Bernd Petermann geführt wird. Vorsitzender des REP-Kreisverband „Süd West“ ist Dietrich Münchmeyer. Für einen REP-Kreisverband „Süd“ hat der Postbeamte Bernd Bruschke, Berlin-Rudow den Vorsitz übernommen. Der Spandauer REP-Kreisverband residiert in der Weißenburger Strasse im Spandauer REP-Büro (ohne Angabe eines Vorsitzenden). In Spandau ist mittlerweile die Zentrale des Landesverbandes beheimatet.

REP-Wahlkampf

Startschuß für den Wahlkampf sollte der „Ball der Republikaner“ sein, zu dem REPs und Sympathisanten Mitte Februar 1988 in die Trabrennbahn Mariendorf eingeladen waren. Im Vorfeld des Balls ließen die REPs verkünden, daß bereits 400 Teilnehmer zu einem Kartenpreis von 50 DM zugesagt hätten. Es waren dann aber nur etwa 100 Personen, die sich zum Tanz eingefunden hatten. Eine antifaschistische Gegendemonstration durch Mariendorf mit abschließender Kundgebung vor der Trabrennbahn brachte 700 Menschen zusammen. Ankommende REPs mußten von der Polizei, die mehrere Hunderschaften aufboten, umgeleitet werden, um den Ball zu erreichen.

Nach diesem mißglückten Auftakt beschränkte sich die REPs auf Veranstaltungen und Versammlungen im kleineren Kreis. In der folgende Zeit versuchten sie ihr Glück in den Medien. Sie traten mehrfach in der Diskussionssendung des Sender Freies Berlin (SFB) „Berliner Platz“ auf und versuchten in Westberliner Tageszeitungen Leserbriefe zu plazieren, was ihnen teilweise gelang. Ab März verteilten sie verstärkt Flugblätter, meist in belebten Einkaufsstraßen. Bei dem Versuch ihre Propaganda in einer SFB-Live-Talkshow im Jugendradio zu verbreiten, wurden sie von antifaschistischen Jugendlichen gehindert. Eine Veranstaltung im Westend konnte ebenfalls von AntifaschistInnen verhindert werden.

Streit um Wahlantritt in Westberlin?

Die REP-Funktionärin Ute Witt (ehemals CDU) ist auf dem Bundesparteitag der REPs am 17. Juni 1988 im Hambacher Schloß zur stellvertretenden REP-Bundesvorsitzenden gewählt worden. Folgt man der Berichterstattung der taz vom 25. Juli ist Ute Witt zusammen mit dem Landesvorsitzenden Klaus Weinschenk und dessen zweiten Stellvertreter Dr. Otto Wenzel (ehemals SPD) von den Parteiämtern zurückgetreten. Auch Otto Wenzel wurde in Hambach noch in den Bundesvorstand gehoben. Die Drei hätten sich gegen eine Wahlbeteiligung in Berlin ausgesprochen, da sie nach den erfolglosen Wahlen in Bremen und Schleswig Holstein auch in Westberlin keine Erfolgschancen für ihre Partei sähen.

Eine Berliner REP-Landesmitgliederverammlung hatte am 21. Juni 1988 in Berlin-Tempelhof den Wahlantritt beschlossen gehabt. In einem Rundbrief vom 22. Juni 1988 soll Weinschenk noch geschrieben haben: "Jetzt erst recht: Trotzdem! Auf in den Wahlkampf!" Am 10. Juli 1988 folgte laut Informationen aus REP-Kreisen jedoch ein Schreiben Weinschenks mit dem erklärten Rücktritt der drei REP-Funktionäre zum 14. Juli 1988.

Trotzdem bleibt es bei der Kandidatur. Schönhuber will offenbar keinen Rückzieher machen. Bis zum Parteitag am 20. August 1988 im "Internationale Congress Centrum" (ICC) hat nun der „Unbekannte Polizeibeamte“ Bernhard Andres den Landesvorsitz inne. Der Bundesvorsitzende selbst hat sein Erscheinen zum 20. August 1988 zugesagt. Sicher werden dann neue Richtlinien gesetzt. Der Westberliner Landesverband scheint noch etwas überfordert zu sein. Seine Aufbauarbeit war (wie vorher beschrieben) noch nicht wirklich erfolgreich. Die Westberliner REP-Fraktion steckt in einer ersten Krise. Es gibt aber trotzdem keinen Grund dafür, den Kampf gegen ihre rassistische Politik deswegen einschlafen zu lassen.

Rechts, Rechter am Rechtesten

Die Mitgliederentwicklung in Westberlin ist von den REPs überschätzt worden. Bis heute sind es nur rund 200 Mitglieder, einige davon rekrutieren sich auch aus dem Westberliner -zum Teil reaktionär bis rechts geprägten- Polizeiapparat. Ein großes Kontingent liefert auch die CDU. Vor allem aus ihren Jugendorganisationen JU und „Berliner Schülerunion“ (BSU) sind einige Funktionäre übergetreten. Neben den 33 CDU/JU-Leuten um den früheren JU-Chef von Berlin-Tiergarten (1981 und 1984) Carsten Pagel sollen mittlerweile auch rund 20 Berlin Spandauer JU'ler bei den REPs gelandet sein.

Die meisten sind schon in der CDU wegen extrem rechter Aktivitäten aufgefallen und zum Teil aus der Partei ausgeschlossen worden. So Markus Motschmann, der 1983 in der JU-nahen Schülerzeitung „Klartext“ - herausgegeben auch von Carsten Pagel - ein verherrlichendes Portrait über den Nazi-Oberst Hans-Ulrich Rudel veröffentlichte. 1987 forderte Motschmann in der REP-nahen Zeitung „Pluspunkt“ die Tätowierung HIV-infizierter Menschen.

Rechte Netzwerke in Tiergarten

Die politische Nähe der CDU zu den REPS in Berlin-Tiergarten ist kein Zufall, denn sie haben etliche Berührungspunkte. Seit Ende 1987 prägen Ex-CDU-Junioren die lokalen REPs. Der CDU-Parlamentarier Peter Kittelmann galt als eine Art politischer "Ziehvater" der lokalen rechten Protagonisten Pagel, Motschmann und Bert Handschuhmacher.

Die erwähnte Schülerzeitung wurde in den 1980er Jahren zum größten Teil von Mitgliedern der "Jungen Union" redaktionell mitgetragen. Erst unter dem Namen "Klartext" und ab 1985 als "Pluspunkt". Im "Klartext" Nr. 24 erschien Anfang 1983 der Artikel zum Tod von „Stuka-Oberst Rudel“, in dem der „erfolgreichste Kampfflieger aller Zeiten“, für seine Mord- und Brandschatzung im NS-Angriffskrieg glorifiziert wurde. Verfasser des Artikels war Markus Motschmann, dessen Vater Prof. Dr. Klaus Motschmann der "Konservativen Aktion" angehörte. Pagel mußte aus dem Kreisvorstand der JU-Tiergarten zurücktreten, konnte sich aber später genauso wie Motschmann dort wieder etablieren und wurde 1985 Bezirksverordneter der CDU.

Die redaktionellen Inhalte der Publikationen aus dem rechten (CDU)-Kreis blieben gleich. 1987 sprach die Tiergartener SPD von einer „menschenverachtenden und faschistischen Art“ in der „Sprache des Dritten Reiches“, die Motschmann verwendet habe ("Tiergarten-Info" Juni 1987). Motschmann und Handschuhmacher, ein weiterer verantwortlicher Redakteur des „Pluspunkts“, kamen einem Parteiausschlußverfahren zuvor und traten aus CDU und Junger Union aus. Im Oktober 1987 kam auch Pagel einem Ausschlußverfahren zuvor und trat aus CDU und JU aus und im Dezember 1987 den REPs bei.

Der "Pluspunkt"

Der „Pluspunkt“ erschien weiter unter der Regie von Carsten Pagel, Markus Motschmann und Cornelius Motschmann, Bernardo Recoba-Strasburger und weiteren rechten Autoren die ab 1988 dazu stießen. Unter anderem Roland Hirsch, Sebastian Kliefoth, Rainer Welkisch, Andrè Kalicinski, Attila Wienstrath und Frank Seifert schrieben für das extrem rechte Blatt. Der "Pluspunkt" wird nun als Stadtteilzeitung für Tiergarten und Schöneberg deklariert und fungiert als eine Art REP-Propaganda-Plattform. Zumindestens der Diplom-Ingenieur Roland Hirsch und der Student Sebastian Kliefoth sollen laut Berichten aus REP-Kreisen mittlerweile für die REPs in Berlin aktiv sein.

Offen nach rechts

Die REP-Distanzierungen von Neonazis sind auch in Westberlin schwer zu glauben. Pagel-Kampfgefährte Andreas Domeyer soll gar einen CDU'ler an den Kopf geworfen haben: „Daß solche Leute ...hier sprechen dürfen, und dann noch ohne Judenstern, daß ist ein Skandal“. Daß der stadtbekannte Neonazi-Aktivist Mario D. aus den Kreisen der ultra-rechten „Bürgerinitiative Demokratie und Identität“ (BDI) wieder aus den REP ausgeschlossen wurde, liegt weniger an den ideologischen Unvereinbarkeiten, als an einem von AntifaschistInnen veröffentlichtem Foto. Es zeigte Klaus Weinschenk und Mario D. beim vertrauten Gespräch. Laut Berichten aus Berliner REP-Kreisen sollen 14 Mitglieder der BDI um den BDI-Anführer Werner Deutsch und dem Lehrer Günter Reich den Berliner REPs beigetreten sein. Einige hätten hier auch Funktionen wie "Kreisvorsitzender" oder "Schriftführer" übernommen.

  • 1Anmerkung AIB: Vgl. „Front gegen Rot-Grün“ in taz (die tageszeitung) vom 18. August 1989: „Franke, dessen Truppe von „Republikaner„- treuen Polizisten durchsetzt ist, will auf jeden Fall verhindern, daß die „Polizei in den Würgegriff rot-grüner Politik gerät“. Im Gewerkschaftsorgans „Polizeispiegel“ (1989) sind von Egon Franke zwei Erklärungen abgedruckt: Franke stellt sich ohne Vorbehalt hinter Polizeidirektor Heinz Ernst, der während des Dienstes für die REPs geworben haben soll und greift Jörg Kramer, Berlins Sprecher der „Sozialdemokraten in der Polizei“ als „Polizeispitzel“ an, der ein Unterschriftensammlung gegen die REPs organisiert hatte. („Republikaner“ – Partei der Polizisten? CILIP 15.8.1989)
  • 2„Carp“ als das englische Kürzel für „Hochschulvereinigung zur Erforschung von Prinzipien“ (Collegiate Association for the Research of Principles)