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Ergebnis vor Gericht: Einsatz des britischen Spycops Mark Kennedy in Deutschland war illegal

Jason Kirkpatrick (Gastbeitrag)
Einleitung

Das sechsjährige Gerichtsverfahren wegen des Einsatzes des britischen Verdeckten Ermittlers Mark Kennedy in Mecklenburg-Vorpommern während des G8-Gipfels im Jahr 2007 in Heiligendamm endete im Oktober 2022 erfolgreich. Das Schweriner Verwaltungsgericht hielt den Einsatz Kennedys als verdeckt agierender Polizist im Auftrag der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern mangels Richtervorbehalts für objektiv rechtswidrig. Ein Kommentar von Jason Kirkpatrick.

Screenshot: youtube.com/@Channel4News der Mark Kennedy zeigt
(Screenshot: youtube.com/@Channel4News)

Vor seiner Enttarnung hatte Mark Kennedy sieben Jahre lang in Europa linke Protestbewegungen und antikapitalistische Gruppen ausspioniert, darunter auch mich als Klimaaktivisten (vgl. AIB Nr. 131).1
Unterstützung erhielt Kennedy vom britischen Staat, der ihn mit gefälschten Dokumenten, Schulungen zu Täuschungstaktiken wie dem „Spiegeln“ der eigenen Interessen und anderen Mitteln zur Aufrechterhaltung seiner Tarnung versorgte.

Die Feststellung des Gerichts, dass Kennedy unrechtmäßig in Deutschland operierte, ist auch deshalb beunruhigend, da sie zeigt, dass der britische Staat dazu bereit ist, die Souveränität anderer Staaten zu verletzen, um seine eigenen politischen Interessen zu verfolgen. Nach „Amnesty International“ ist der illegale Spitzeleinsatz Kennedys zudem als klarer Verstoß gegen die Grundrechte der Europäischen Union auf Privatsphäre und Meinungsfreiheit zu werten.

Daneben muss dieser Fall im Zusammenhang mit internationalen politischen Kämpfen gesehen werden. Der G8-Gipfel in Deutschland, der 2007 in Heiligendamm in Mecklenburg-Vorpommern stattfand, war eine klare Demonstration einer Machtdynamik. Die Staats- und Regierungschefs der reichsten Länder der Welt kamen hier zusammen, um darüber zu beraten, wie sie ihre Macht erhalten, den Rest der Welt weiter ausbeuten, Kriegsinteressen (damals im Irak) fördern und weiterhin öffentliche Gelder zur Subventionierung fossiler Brennstoffe verwenden können, während die Klimabewegung immer mehr an Einfluss gewann. Dagegen versammelten sich Aktivist_innen und Demonstrant_innen verschiedenster Protestbewegungen aus aller Welt, um dieses System in Frage zu stellen.

Die Tatsache, dass Polizeispitzel Marc Kennedy in der Lage war, antifaschistische und insbesondere Klimagruppen über viele Jahre hinweg ungehindert zu infiltrieren und ihre Aktivitäten auszuspionieren, verdeutlicht die tief sitzende Angst der Machthaber vor jeglichem Widerstand gegen ihre Herrschaft. Der Staat sieht jede Form des Dissenses als eine Bedrohung an und setzt - ungeachtet gesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen und ethischer Grundsätze - alle Mittel ein, um dies zu unterbinden. Deshalb ist der Spitzeleinsatz Kennedys in Deutschland nicht als Einzelfall, sondern als Teil einer Strategie staatlicher Unterdrückung und Überwachung zu werten.

In Großbritannien deckt die „Undercover Policing Inquiry“, die 2015 nach der Enttarnung Kennedy‘s eingeleitet wurde, immer mehr Skandale über Großbritanniens politische Polizeieinheiten auf, die bis ins Jahr 1968 zurückreichen. Zuletzt ergab die Untersuchung, dass der „endemische“ Sexismus in der Londoner Stadtpolizei zu wiederholtem Betrug an Frauen und zu weit mehr als einem Dutzend dokumentierter Fälle führte, in denen Polizeispitzel Frauen ohne Wissen über deren Tätigkeit zu sexuellen Beziehungen überlistet hatten. Nach jahrelangen Kämpfen konnten Frauen erwirken, dass sich die Polizei für den sexuellen Missbrauch und die Grundrechtsverletzungen entschuldigen und ihnen Hunderttausende britischer Pfund Entschädigungen zahlen musste.

Im Rahmen dieser britischen Untersuchung werden auch weitere verdeckte Ermittler enttarnt, und es werden immer wieder neue Gerichtsverfahren von Aktivist_innen gegen die Polizei angestrengt, die teilweise erfolgreich enden.

Die staatliche Überwachung von linken Aktivitäten ist allgegenwärtig. Um uns dagegen zu wehren,  müssen wir uns weiterhin gemeinsam organisieren, um eine neue Welt aufzubauen, die auf Solidarität und gegenseitiger Hilfe basiert anstatt auf Habgier und Ausbeutung. Wir müssen auch verlangen, dass diejenigen, die unsere Grundrechte verletzen, zur Rechenschaft gezogen werden, und daran arbeiten, eine Welt zu schaffen, in der der Staat den Menschen gegenüber rechenschaftspflichtig ist und nicht umgekehrt.