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Kumpanei des Sicherheitsapparates mit Neonazis ?

Einleitung

Ein "gutes Verhältnis" zwischen Polizei und (Neo)Nazis hat in Deutschland eine gewisse Tradition. Rassistische Übergriffe durch Polizisten, Schutz von Neonazi-Aufmärschen und rechte Gesinnung bei einem Teil der Sicherheitskräfte verdeutlichen eine Kumpanei auch heute.

Foto: Bildmontage mit FPR-Ehrennadel, Foto: C.Ditsch

Deutsche Tradition

Ab 1933 vollzog sich stufenweise der Zusammenschluß von Schutzstaffel (SS) und Polizeiformationen. Gleich zu Anfang wurden SS und Sturmabteilung (SA) als Hilfspolizei bei der Verfolgung von AntifaschistInnen eingesetzt. »Chef der deutschen Polizei« im Innenministerium wurde der Reichsführer der SS, Heinrich Luitpold Himmler. Abgeschlossen wurde die Verschmelzung durch die Bildung des Reichssicherheitshauptamt (RSHA), das die von Göring aufgebaute Gestapo, die Kripo und den Sicherheitsdienst der SS (SD) vereinigte.

Die uniformierte Ordnungspolizei wurde ebenfalls praktisch gleichgeschaltet. Während des Krieges bildeten RSHA und Ordnungspolizei sogenannte Einsatzgruppen, wie z.B. das berüchtigte Polizeibataillon 316, die in den besetzten Gebieten Jagd auf PartisanInnen machten, für »Vergeltungsaktionen« gegen die Zivilbevölkerung, Massenhinrichtungen von Juden und JüdInnen und die Deportation von FremdarbeiterInnen für die deutsche Kriegsindustrie verantwortlich waren.

Auch nach 1945 wurde in Westdeutschland die Polizei von ehemaligen Gestapo- und SS-Führern kommandiert. Allein in Nordrhein-Westfalen kamen bereits im Jahr 1948 56 Prozent der höheren Polizeibeamten aus der NSDAP oder der SS. Und das sogenannte 131er Gesetz ebnete ab 1951 etwa 150.000 belasteten NS-Beamten, darunter zahlreichen Polizisten, den Weg zurück in den öffentlichen Dienst.

Auffällig ist dabei die Häufung solch »alter Kämpfer« an den verschiedenen Polizeischulen. Es kann also nicht verwundern, wenn sich Polizeigewerkschaftler Hansgeorg Kloppmann laut »Stern« (Oktober 1993) darüber empört, daß das »Herunterspielen der rechtsradikalen Bedrohung offenbar zum Ausbildungsplan der zentralen Polizei-Führungsakademie in Hiltrup« gehöre.

Augenzwinkerndes Einverständnis

Rassistische und rechte Einstellungen unter Polizei-Führungskräften belegt auch eine Studie im Auftrag des hessischen Innenministeriums vom Frühjahr 1993. Nicht ohne Grund wurde in der Auswertung empfohlen: »In Anbetracht der Brisanz wird vertrauliche Behandlung vorgeschlagen.« Diesem Bild entsprechen auch Umfragen zum Polizeibild in der Bevölkerung, die Anfang 1993 in der „Berliner Zeitung“ veröffentlicht wurden. Demnach waren 77 Prozent der Befragten der Meinung, daß die Polizei zu lasch gegen Rechts vorgehe.

Ein Beispiel für die wohlwollende Duldung neofaschistischer Aktivitäten ist der Neonazi-Aufmarsch in Fulda im letzten Jahr. Dort hielten Neonazis aus ganz Deutschland und dem Ausland mit »augenzwinkerndem Einverständnis« der Polizei (so Hansgeorg Koppmann) eine Kundgebung ab. Während die rund 500 Neonazis, geschützt von einem massiven Polizeiaufgebot, ungestört rassistischee Parolen grölten, die Arme zum Hitler-Gruß streckten, Passanten bedrohten und eine Gruppe TürkInnen verfolgen konnten, wurden AntifaschistInnen an den Stadtgrenzen abgewiesen.

Gute Beziehungen von Neonazis und Polizei bescheinigt auch der Svoray-Report

In Zusammenarbeit mit dem Wiesenthal-Zentrum recherchierte der israelische Reporter Yaron Svoray (ירון סבוראי) getarnt als rechter Sympathisant von Oktober 1992 bis April 1993 in der deutschen Neonazi-Szene. Der Svoray-Report, der in der ersten Jahreshälfte 1993 erschien, führt mehrere Fälle zur Unterstützung von Neonazis durch die Polizei an. So ist dort nachzulesen, daß in einigen Fällen Neonazis vor Hausdurchsuchungen gewarnt wurden. Der Neonazi-Funktionär Heinz Reisz gab z.B. gegenüber Ron Furey (Tarnname von Svoray) damit an, daß er einen entsprechenden Tip aus den Reihen der hessischen Staatspolizei erhalten habe.

Häufige Einzelfälle

Für öffentliches Aufsehen sorgt immer wieder der Nachwuchs. So etwa als die Berliner Polizeischule Schulzendorf Anfang der achtziger Jahre wegen massiver antisemitischer Vorkommnisse von sich reden machte. Die jüngsten negativen Beispiel kommen aus Brandenburg und aus Hessen: Im März 1993 wurde bekannt, daß drei Brandenburger Polizeischüler an extrem rechten Ausschreitungen beteiligt waren. Und im Juni war in der Presse zu lesen, daß in Kassel vier Polizeianwärter in ihrer Freizeit paramiltärische Übungen abhielten. Das es bei der regulären Polizei bisher wenig konkrete Angaben über Parteimitgliedschaften in (extrem) rechten Organisationen gibt, liegt auch daran, daß solche Mitgliedschaften durch die Parteien verdeckt werden. Bekannt ist dies zumindest von den „Die Republikaner“ (REPs). Bis auf wenige Ausnahmen gibt es kein öffentliches Auftreten extrem rechter Beamter, obwohl Insider 1989 von 20-50 Prozent REP-AnhängerInnen unter PolizistInnen ausgingen. Doch als REP und Polizist muss man sich offenbar auch nicht verstecken: 1990 standen mit Bodo Pfalzgraf, Heinz Gehring, Frank Degen, Stefan Broschell gleich mehrere Polizisten auf einer REP Kandidaten Liste zur Berliner Abgeordnetenhaus-Wahl.

Ein deutliches Zeichen für die Gesinnungslage innerhalb der Polizei ist die Zunahme rassistisch motivierter Übergriffe und Handlungen, die einer gesonderten Betrachtung bedarf (wir werden in einer der nächsten Ausgaben darauf ausführlicher eingehen). Dabei handelt es sich keineswegs um eine Anhäufung von Einzelfällen, sondern um fast systematische Vorgänge. Belegt ist dies in jüngster Zeit in Bremen (Dokumentation des Anti-Rassismus-Büro in Bremen, April 1992) und Berlin, wo es unter dem Druck der Öffentlichkeit im letzten Jahr zu einer Reihe von Ermittlungen gegen Polizeibeamte kam.

Neonazis als Hilfspolizisten

Die »Freiwillige Polizei Reserve« (FPR) in Berlin war jahrelang ein beliebter Tummelplatz für Neonazis und Kriminelle. Ein guter Draht bestand wohlmöglich auch zu dem Berliner Neonazi-Funktionär Arnulf Winfried Horst Priem, der in früheren Jahren mit seiner Gruppe in einem Polizeisportverein Schießübungen abgehalten haben soll. Nachdem der FPR-Skandal Anfang 1993 hochkochte (siehe Antifaschistisches Infoblatt Nr. 22), kam es erst jetzt, nach einem Jahr zu einem Abschlußbericht zur Überprüfung sämtlicher FPR-Mitglieder. Dem Bericht zu Folge liegen über 665 der derzeit 2.360 FPR-Mitglieder strafrechtliche »Erkenntnisse« vor.1
Dazu gehören Körperverletzung, Raub und Unterschlagung, Waffenhandel, Vergewaltigung, Besitz von NS-Trophäen, Vorbereitung von Sprengstoffverbrechen oder Hehlerei. Mehr als 200 Polizeireservisten sind seit Frühjahr 1993 aus dem Dienst ausgeschieden oder entlassen worden. Rund 100 Mitglieder waren der Überprüfung zuvorgekommen und hatten vorzeitig um Entlassung gebeten. Bereits 1985 war es zu einer Überprüfung sämtlicher Reservepolizisten gekommen, nachdem das FPR-Mitglied Michael Abbas-Yacoub als »Waffenmeister der rechten Szene« aufgeflogen war. Die Wehrsportgruppe, der er angehörte hatte, hatte offensichtlich auch Kontakte zu dem Netzwerk um Neonazi-Führer Michael Kühnen. Der damalige Untersuchungsbericht ist nicht mehr auffindbar und der CDU-Rechtsaußen Heinrich Lummer, der als damaliger Innensenator die Reserve neu aktivierte und als seine »liebste Selbsthilfegruppe« bezeichnete, kann sich heute angeblich an nichts mehr erinnern. Fest steht jedoch, daß schon 1985 bei 810 Hilfspolizisten eine Kriminalitätsakte vorhanden war.

  • 1Nachtrag: Vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 12/5187, 12. Wahlperiode, Bericht des 3. Untersuchungsausschusses nach Artikel 33 der Verfassung von Berlin zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU über Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung von Vorgängen bei der Freiwilligen Polizeireserve (FPR), - Drs Nr. 12/2721 -, Berlin, den 23. Januar 1995. Der Vorsitzende des 3. Untersuchungsausschusses - 12. Wahlperiode - Helmut Hildebrandt.