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»Blüten« aus dem KZ

Florian Osuch
Einleitung

Häftlinge des KZ Sachsenhausen mussten in einem Sonderkommando Geld für die Nazis fälschen

Zwischen 1942 und 1945 installierte die SS-Führung im damaligen KZ Sachsenhausen bei Berlin eine konspirative Druckerei. Insgesamt 142 Häftlinge mussten Geld, Propagandamarken, Ausweise und sonstige sensible Dokumente wie Sabotageanleitungen für die SS drucken. Das Sonderkommando trug den Namen »Operation Bernhard«, benannt nach dem verantwortlichen SS-Sturmbannführer Bernhard Krüger.

Die Häftlinge waren mehrheitlich Drucker, Graveure, Schriftsetzer, Zeichner, Papieringenieure und sonstige Spezialisten. Sie wurden aus verschiedenen Konzentrations- und Vernichtungslagern nach Sachsenhausen verbracht. Die Vernichtung der ausschließlich jüdischen Männer war innerhalb des KZ-Systems vorgesehen, obendrein waren sie Geheimnisträger und gingen davon aus, dass sie umgehend getötet werden, falls ihre Arbeitskraft nicht mehr benötigt wurde.

Die Blöcke 18 und 19 des KZ Sachsenhausen waren hermetisch abgeriegelt und selbst der KZ-Kommandant wusste nicht, was in den zwei Baracken vor sich ging. Die Häftlinge des Sonderkommandos genossen Vergünstigungen gegenüber anderen Gefangenen. Ihre Mahlzeiten sollen großzügiger portioniert gewesen sein und sie mussten nicht an quälenden Strafappellen teilnehmen. Schwer erkrankte Häftlinge wurden jedoch skrupellos getötet, um die Geheimhaltung der Falschgeldwerkstatt nicht zu gefährden. Das Geheimprojekt stand unter direkter Leitung des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin und war von Adolf Hitler persönlich abgesegnet. Logistisch war der Sicherheitsdienst (SD), der Nachrichtendienst der SS, mit der Durchführung betraut. In den zwei hochmodern ausgestatteten Baracken im KZ Sachsenhausen produzierten die Häftlinge bis 1945 neun Millionen Scheine in einem Gesamtwert von 134 Millionen Pfund Sterling. Nur wenig fehlte und die Nazis hätten den gesamten Gegenwert der Goldreserve der Bank of England in Höhe von 137 Millionen hergestellt.

Das besondere an den »Blüten« war die hohe Qualität, wegen der selbst die englische Staatsbank ihre echten Scheine nicht von denen der Falschgeldwerkstatt unterscheiden konnte. Dies lag daran, dass die Seriennummern der Nachdrucke mit denen der Originale übereinstimmten und demnach jeder Schein doppelt vorlag: nur welcher war gefälscht? Der britischen Staatsbank blieb nichts anderes übrig, als die Scheine einzuziehen bzw. eine veränderte Serie aufzulegen. Zu dieser Zeit liefen in Sachsenhausen noch rund um die Uhr frische Pfundnoten aus den Druckmaschinen.

Mit der »Operation Bernhard« verfolgte die SS-Führung gleich mehrere Ziele. Zum einen konnte die stets um Liquidität bemühte SS ein europaweites Agentennetz aufbauen und seine Spione mit falschen Pässen ausstatten. Zum anderen wollte die SS-Führung Großbritannien durch eine selbst angestoßene Inf lation wirtschaftlich schädigen. Es gab die spektakuläre Idee, per Flugzeug Millionen Pfundnoten über englischen Großstädten abzuwerfen. Diese Pläne wurden jedoch nie realisiert. Andere Druckerzeugnisse hatten einzig propagandistische Zwecke. Die Häftlinge des Spezialkommandos entwarfen Briefmarken, die beispielsweise den britischen König George V. neben Josef Stalin zeigten. Eine Motivation, die in der Planungsphase der Falschgeldaktion noch keine Rolle gespielt haben dürfte, weil man schließlich ein »Tausendjähriges Reich« erwartete, war die Unterstützung von Fluchtplänen hochrangiger NS-Funktionäre.

Die »Operation Bernhard« gilt als besonders geheimnisumwoben, weil noch immer nicht abschließend erforscht ist, in welchem Umfang das Geld aus dem KZ-Sachsenhausen zur Fluchthilfe für NS-Verbrecher, zur Sicherung des Überlebens der nationalsozialistischen Bewegung nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes sowie beim Wiederaufbau der am Boden liegenden Wirtschaft in Westdeutschland nach 1945 verwendet wurde. Es wird spekuliert, dass hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Wehrmacht, NSDAP und SS mit falschen Pässen aus der KZ-Druckerei und einem Startgeld ausgestattet wurden. Über die Fluchtlinie des Vatikans kamen auch die Verantwortlichen der »Operation Bernhard« nach Südamerika, während andere ins faschistische Spanien gingen. International bekannt wurde die Falschgeldaktion durch den österreichischen Film »Die Fälscher« aus dem Jahr 2007, der ein Jahr später mit einem Oscar prämiert wurde. Bis dahin war die »Operation Bernhard« eher als Abenteuergeschichte bekannt und von Mythen umgeben. Zum Ende des NS-Regime verlagerte die SS Maschinen, Material und Häftlinge in ein Außenlager des KZ Mauthausen nach Österreich, wo sie am 5. Mai 1945 befreit wurden. Kurz zuvor hatten die Nazis begonnen, die Spuren ihrer Verbrechen zu verwischen und Dokumente zu vernichten: Druckplatten, Unterlagen und Millionen Pfundnoten versenkten sie in einem See in den österreichischen Alpen. Ein Teil wurde später geborgen, darunter auch Häftlingslisten.

Wie KZ Häftlinge die Falschgeldproduktion sabotierten

Den Angehörigen des Geheimkommandos war es bewusst, dass sie für die NS-Führung kriegswichtige Arbeiten verrichteten. Unter den Häftlingen sabotierten insbesondere die Kommunisten sowie ehemalige antifaschistische Widerstandskämpfer die Falschgeldproduktion. Maschinen setzten plötzlich aus und wichtige Materialien verschwanden spurlos. Ganze Druckserien gefälschter Pfundnoten mussten aufgrund vorsätzlich beschädigter Druckplatten aussortiert werden. Kurt Lewinski, kommunistischer Widerstandskämpfer aus Berlin, konnte 1943 trotz Bewachung die abgeschirmten Baracken verlassen und zwei Scheine einem Gefangenen im Hauptlager übergeben. Lewinski informierte damals Robert Uhrig über die geheimen Vorgängen in den Blöcken 18 und 19 mit dem Ziel, dass die Nachricht Widerstandsgruppen außerhalb der KZ-Mauern erreichte, die wiederum die Geheimdienste der betroffenen Staaten über die Falschgeldaktion unterrichten sollten. Robert Uhrig gehörte zum Illegalen Lagerkomitee (ILK), dem konspirativen Zentrum des politischen Widerstandes innerhalb des KZ. Als die SS-Führung 1944 auch die Fälschung von Dollarnoten befahl, sahen einige Häftlinge die Möglichkeit zur frühzeitigen Sabotage. Peter Edel, Grafiker und Schriftsteller aus Berlin, erinnerte sich: »Die vorläufigen Resultate [der Dollarproduktion] müssen um Krügers und vor allem unseres Nochweiterlebens willen erfolgsversprechend ausschauen, dürfen indessen auch wieder nicht produktionsreif ausfallen, damit immer mehr und mehr Experimente gerechtfertigt erscheinen, wobei ja Pannen und Defekte nicht auszuschließen sind«. Die Häftlinge konnten die Herstellung der Dollars massiv hinauszögern. Erst Anfang 1945 begann deren Produktion, wenige Tage bevor die komplette Produktion im KZ Sachsenhausen eingestellt wurde.

Vom Autor erschien kürzlich das Buch:

»Blüten« aus dem KZ. Die Falschgeldoperation »Operation Bernhard« im Konzentrationslager Sachsenhausen;
Karl-Richter-Edition Band 3, VSA-Verlag, Hamburg, 2009 (ISBN: 978-3-89965-389-2)