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Blue by Day, White by Night

Einleitung

USA: Am Samstag, den 27. Februar 2016, planten Anhänger des rassistischen Ku-Klux-Klans eine Demonstration in Anaheim im kalifornischen Orange County. Dabei kam es zur Konfrontation mit Anwohner_innen und Antifaschist_innen — medial auch als „some crustpunky dudes, along with African Americans“ betitelt, die sich den Klan-Mitgliedern spontan und entschlossen in den Weg stellten.  

Foto: Screenshot von YouTube

Das KKK-Mitglied Charles Edward Donner aus San Francisco.

Die rassistischen DemonstrantInnen trugen KKK-Insignien und Schilder mit Parolen wie „White Lives Do Matter“ und „Say No To Cultural Genocide“. Die Auseinandersetzung eskalierte, als der KKK-Landeschef William Quigg (eigentlicher Name William „Billy“ Hagen) begann, mit der Spitze einer US-Flagge die Gegendemonstrant_innen zu attackieren. Durch das beherzte Eingreifen der Antifaschist_innen konnten die KKK-Mitglieder niedergeschlagen und verjagt werden, wobei drei Gegendemonstrant_innen Stichverletzungen erlitten und insgesamt sieben von ihnen verhaftet wurden.
Als das Fahrzeug mit den KKK-AktivistInnen erschien, stand auch Brian Levin, Direktor des „Cal State San Bernardino’s Center for the Study of Hate and Extremism“ und ehemaliger New Yorker Polizist, in der Nähe. Er berichtete später, er habe versucht, den lokalen KKK-Rädelsführer Quigg zu interviewen. Dessen „Loyal White Knights“ sehen sich selbst als „Klan ohne Roben“. Levin brachte den Klan-Führer in Sicherheit, während die drei antirassistischen Demonstranten niedergestochen wurden. Die Los Angeles Times zitierte Levin mit seiner Frage, die er dem KKK-Anführer gestellt haben will: „How do you feel that a Jewish guy just saved your life?
Als Antwort soll dieser sich brav bei ihm bedankt haben. In späteren Interviews stellt Levin seine Position klar: „Gewaltlosigkeit“ und ein „Marktplatz der Ideen“ seien die einzig angemessene Weise mit rassistischer Hetze umzugehen. Der rassistische „Daily Stormer“ sieht das ähnlich und verkündete: „He’s like the Jewish Batman!“.

Bei soviel — den tödlichen Rassismus des KKK komplett ausblendenden — Pseudo-Heldenepos war es lediglich die Los Angeles Times, die in einer Rückschau „The Ku Klux Klan’s ugly, violent history in Anaheim“ in Erinnerung rief und darüber berichtete, vor welchem politischen Hintergrund diese Auseinandersetzung stattfand. Anaheim wurde in den 1920er Jahren von einer kaufmännisch-bürgerlichen Elite dominiert, die hauptsächlich aus Deutsch-Amerikaner_innen bestand.
Unter der Führung des Pfarrers der „ersten christlichen Kirche“ repräsentierte der Klan eine aufstrebende Gruppe von „non-ethnic Germans“, welche diese Elite als korrupt, undemokratisch und eigennützig denunzierte. Der Historiker Christopher Cocoltchos1 beschrieb, der Klan habe versucht, eine mustergültige geordnete Gemeinschaft zu schaffen. Allein im kalifornischen Orange County zählte der KKK um die 1.200 Mitglieder. Im Jahr 1924 gewann der Klan die lokalen Wahlen in Anaheim. Bekannte Amtsträger der Stadt, die katholisch waren, wurden daraufhin entlassen und durch protestantische Klan- Mitglieder ersetzt. Die „Klansmen“ waren damit in Anaheim die dominierende politische Kraft und bekleideten vier von fünf Sitzen im Stadtrat. Eine bekannt gewordene Liste der lokalen Klan-Mitglieder enthielt die Namen der vier Ratsherren, neun der zehn Mitglieder der örtlichen Polizeibehörde und mehrere andere Beamte der Stadt. Anaheims damalige führende Zeitung, der „Plain Dealer“, hatte die Klan-Kandidaten beim Wahlkampf massiv unterstützt. Nach dem Wahlsieg versuchten sie, die Prohibition voranzutreiben und hielten riesige Kundgebungen und Einweihungszeremonien ab. Eine davon fand an dem anvisierten Ort der diesjährigen verhinderten KKK-Kundgebung statt, dem „Person Park“ in Anaheim, und wurde von mehr als 30.000 RassistInnen besucht. Dabei brannte ein dreißig Fuß großes Holzkreuz über der Stadt. Es war eine der größten KKK-Versammlungen in der amerikanischen Geschichte.

Auf der Höhe ihrer Macht hatte die rassistische Vereinigung etwa 300 Mitglieder in Anaheim. Heute ist die Stadt eher für seinen Disneyland Park bekannt, der Rassismus ist jedoch geblieben. Die Zeitung Orange Country Weekly bilanziert dazu: „the KKK isn't an anomaly; it's the hometown cheer squad“.2

Die verhafteten Anti-Klan-Demonstrant_innen können von den lokalen etablierten NGOs und liberalen Gruppen keine Unterstützung erwarten. Während die Polizei bewaffnete KKK-Mitglieder weitestgehend unbehelligt ließ, wurden die durch Messerstiche Verletzten festgenommen. Gegen die antirassistischen Aktivist_innen wurde Anklage wegen „Angriff mit einer tödlichen Waffe“ und „Missbrauch von Senioren“ erhoben. Die meisten Klan-Mitglieder wurden mit der Begründung, sie hätten in Notwehr gehandelt, von der Polizei schnell wieder entlassen. Auch der Angriff mit der Spitze der US-Flagge wurde nicht als ein solcher gewertet, da er keine Verletzungen zur Folge gehabt habe und angeblich nur der Verteidigung dienen sollte. Lediglich gegen das KKK-Mitglied Charles Edward Donner aus San Francisco sollte Anklage wegen des Angriffs mit einer tödlichen Waffe erhoben werden. Nachdem er nach der Kundgebung am Samstag verhaftet und eine Kaution von 25.000 Dollar festgelegt worden war, kam er am Sonntag bereits ohne Anklage wieder frei.3 Nach Angaben der New York Times haben die Ermittlungsergebnisse der Polizei ergeben, dass Donner in Notwehr gehandelt habe. Ein weiterer Gegendemonstrant wurde zu diesem Zeitpunkt hingegen noch per Steckbrief von der Polizei gesucht. Zu den Verletzten gehörte auch Tom Bibiyan, ein 34-jähriger Stadtratskandidat für die „Green Party“ in Los Angeles. Ein Messerstich traf ihn in die linke Seite der Brust. Auch hier ließ die Polizei Notwehr gelten, obwohl Bibiyan nicht direkt an den Auseinandersetzungen beteiligt war.

Einen Tag nach der KKK-Kundgebung, am 28. Februar, stürmte daher eine Gruppe Aktivist_innen mit Schildern mit den Aufschriften „Don't protect racism“ und „We got stabbed while you protected the KKK“ den Eingangsbereich des Polizeireviers von Anaheim und forderte die Freilassung der verhafteten Gegendemonstrant_innen. „Die ungleiche Behandlung von KKK-Mitgliedern und Gegendemonstrant_innen durch die Polizei ist der Grund, warum wir ,Blue by Day, White by Night’4 singen“, sagt ein Mitglied von „Turning the Tide“, einer antirassistischen Initiative aus Los Angeles.

Dieser Slogan soll den Zusammenhang zwischen den Strafverfolgungsorganen (blau) und dem rassistischen KKK (weiß) zum Ausdruck bringen, deren Mitgliedschaften sich oft überschneiden. Weiter erklärt er: „Es ist ein systematisches Muster. Beispielsweise der engagierte Trump-Supporter William Celli, der im Norden Kaliforniens wegen Bombenbaus in der Absicht, damit einen Moslem zu ermorden, verhaftet wurde, erhielt lediglich eine Gefängnisstrafe von 90 Tagen, 3 Jahre Bewährung und ein Facebook-Verbot wegen eines Deals in seinem Strafverfahren. Celli wurde im Dezember in seinem Haus mit Sprengstoff festgenommen, nachdem ein anonymer Hinweis tele­fonisch bei der Polizei eingegangen war. Seine gesamte Nachbarschaft musste evakuiert werden, während ein SWAT-Team die Bombe entschärfte. Vorher hatte Celli der Islamischen Gesellschaft von West Contra County bereits in zahlreichen Facebook-Einträgen gedroht, sie 'alle umzubringen'. Die ursprüngliche Anklage umfasste auch die Planung eines Hassverbrechens, doch nach einem Deal im Strafverfahren blieb nur noch ein einziger Anklagepunkt, die Verletzung der Ausübung der freien Bürgerrechte, übrig, weshalb Celli lediglich zu einem Anti-Gewalt-Training, zu drei Jahren Bewährung und dazu verurteilt wurde, keine Facebook-Seite betreiben zu dürfen. Verglichen dazu werden Muslime, die wegen angeblich geplanten Bombenanschlägen vom FBI verhaftet wurden, zu langen Gefängnisstrafen verurteilt."

Um Geld für medizinische und juristische Unterstützung der verhafteten Aktivist_innen zu beschaffen, wurde von der Gruppe „Copwatch Santa Ana“ eine Crowd­funding-Kampagne ins Leben gerufen. Bis zum 1. Mai 2016 konnten so 31.422 Dollar gesammelt werden. Am 27. März fand in Los Angeles (Kalifornien) das Musikfestival Rock Against Fascism in Solidarität und zur Unterstützung der inhaftierten und verletzten Gegen­demons­tran­t_innen von Anaheim statt, mit dabei bekannte Bands wie Resist and Exist.