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Deutsch-amerikanische (Terror) Freundschaft

Dirk Laabs
Einleitung

Die Reaktion der Öffentlichkeit auf den Mord an Walter Lübcke hat erneut deutlich gemacht, dass die Neonazi-Szene in Deutschland noch immer unterschätzt und missverstanden wird. Die Überraschung darüber, dass ein Neonazi einen Politiker als Opfer ausgewählt hatte, zeigte eindrucksvoll, dass weder das Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker noch die vielen NSU-Untersuchungsausschüsse das Verständnis der Neonazi-Bewegung wirklich vertieft hat. Ihre Ziele und Struktur werden nach wie vor zu oft falsch gedeutet. Weder werden Neonazis erst dann gefährlich, wenn sie ihr ultimatives Ziel, die Machtergreifung, erreicht haben, noch sind nur die scheinbar offensichtlichen Opfer – Migranten etwa – in Gefahr. War für die NSDAP der Antisemitismus die treibende Kraft, mit dem man die Anhänger mobilisierte, ist es heute ein radikaler Rassismus, der sich auf eine internationale Bewegung bezieht.

Werbung für die Bücher "Hunter", "The Turner Diaries" und "A call to arms" Ende der 1990er Jahre im Sprachrohr der US-amerikanischen Neonazi-Organisation "National Alliance", dem Fanzine "Resistance" von William Luther Pierce

Viele deutsche Neonazis haben seit Jahren angelsächsische Vorbilder und wähnen sich in einem weltweiten „Rassenkrieg“. Dabei wird jedoch nicht nur die „feindliche Rasse“ bekämpft: Jeder, der sich in diesem Krieg auf die vermeintlich falsche Seite stellt, kann zum Opfer werden, auch und gerade Bedienstete des Staates.
Die bislang bekannten ideologischen Wurzeln des – zunächst geständigen – Lübcke-­Attentäters Stephan Ernst belegen das. Er gehört zum Umfeld von „Combat 18“, „Combat 18“ gilt wiederum als der bewaffnete Arm der verbotenen Gruppe „Blood & Honour“. Die Gruppe liefert nicht nur Struktur und Kontakte, sondern auch die passende Ideologie, die im Wesentlichen in den USA zugespitzt wurde – und seit den frühen 1990er Jahren führende deutsche Neonazis wesentlich mit prägte, nicht zuletzt die wichtigsten Unterstützer des NSU in Sachsen und Thüringen. Aus Nationalisten wurden radikale Rassisten, die weltweit miteinander im Kontakt stehen.

Die weiße Utopie

Der Sänger der RechtsRock-Band „Skrew­driver“, Ian Stuart Donaldson, stammte aus England. Er gründete „Blood & Honour“ (B&H) und fand dabei seine wesentliche Inspiration in den USA, als er dort die rassistische Ideologie des „Ku-Klux-Klan“ (KKK) kennenlernte. 1989 trat Donaldson in den Klan ein und gründete eine zweite Band, „The Klansmen“. Auf der Rückseite eines Albums hatte Donaldson ein Foto abdrucken lassen, auf dem er einem Klan-Anführer die Hand schüttelt. Das Foto war kein Werbegag: Donaldson war ein fanatischer Rassist, der schon in den 1980er Jahren im Gefängnis saß, weil er eine Nigerianerin angegriffen hatte. Bei einem seiner Konzerte in Deutschland formulierte er seine persönliche Utopie so: „One day white people of the world will get together and the new order will be ours.“1

Die Idee, die der KKK im wesentlichen vorgegeben hatte und nun durch B&H aufgegriffen wurde, funktioniert bis heute in der rechten Szene, vor allem auch in Deutschland: Die „weiße Rasse“ handele aus Notwehr, die „Weißen“ selber seien das Opfer, die anderen – in dem Fall die Afroamerikaner und ihre Komplizen in der jeweiligen Regierung –, missbrauchten ihre Position, um die Macht an sich zu reißen und die „weiße Rasse“ zu unterdrücken. Dabei würden sie von jüdischen Mächten manipuliert.

Die Kernideologie der NSDAP spiegelt sich nicht zufällig in dieser Idee wieder. Die Ideologie des radikalen Rassismus’ des KKK fiel deswegen in den frühen 1990er Jahren in der deutschen rechten Szene auf fruchtbaren Boden. Hier verfing zudem das Angebot, das diese Ideologie Neonazis in aller Welt machte: Man konnte zum Held werden, denn die „unterdrückte weiße Rasse“ sei auf der Suche nach Kämpfern, die einen aussichtslosen, mutigen Krieg führen müssten, um alle Weißen am Ende in die Freiheit zu führen. Jeder konnte zu dieser „Elite“ gehören, er musste nur wollen – und „weiß“ sein. Jedes Mittel war der Elite erlaubt – ausdrücklich auch terroristische Anschläge.

Die Bezüge zwischen Deutschland und den USA waren dabei schon zuvor nicht abstrakt, sie waren vielmehr konkret und vielfältig. Der deutsche Rechtsterrorist Manfred Roeder hatte schon in den 1970er Jahren Kontakte zum Klan aufgebaut, er wohnte 1980 dann sogar kurzzeitig bei Tom Metzger, Anführer der Gruppe „White Aryan Resistance“ (WAR).2 Auch in den späten 1990er Jahren hatten die neuen Schlüsselfiguren der deutschen Neonazi-­Szene intensiven Kontakt mit Vordenkern aus den USA. Darunter waren auch deutsche Neonazis, die aus dem direkten Umfeld des NSU stammten. Diese Kontakte sind nach wie vor nicht vollständig aufgeklärt, insbesondere weil verschiedene Sicherheitsbehörden ihr Wissen bis heute unter Verschluss halten.

Germany needs a little more terrorism

Tino Brandt, Chef des „Thüringer Heimatschutz“ (THS), Freund der Kernmitglieder des NSU, V-Mann des Verfassungsschutzes, war für diverse deutsche Nachrichtendienste auch deswegen interessant, weil er umfangreiche Kontakte ins Ausland unterhielt.
Brandt reiste spätestens 2001 in die USA. Dort verbrachte er mehrere Tage mit einem der einflussreichsten Vordenker der rechten Terror-Szene: William Luther Pierce, Chef der „National Alliance“. Die deutschen Nachrichtendienste hielten Pierce für eine große Bedrohung und waren offenbar sehr gut informiert: „Bei einem Gespräch soll er gesagt haben ‚Germany needs a little more terrorism.‘ Konkret meinte er damit Anschläge gegen Richter, Staatsanwälte, Politiker und Journalisten.“3 Dass Tino Brandt, Bekannter der NSU-Mitglieder, engen Kontakt zu Pierce hatte, ist vor diesem Hintergrund besonders interessant. Zu dem Zeitpunkt des Treffens hatte der NSU bereits mit dem Morden begonnen. Dennoch fällt auf, dass zwei Männer sich trafen, die eine große Gruppe anführten, selber nie belangt wurden, aber intensiven Kontakt zu späteren Terroristen hatten.

In einem Interview mit dem Autoren bestätigte Brandt den engen Kontakt zu dem Chef der „National Alliance“: „Ich habe Dr. William Pierce bei der National Alliance getroffen und mich mehrere Tage mit ihm unterhalten. Ich habe ihn als angenehmen Mensch kennengelernt und ich weiß, dass er Autor verschiedener Bücher ist. Und dass er damals verschiedene Deutsche unterstützt hat in den USA. Man hat sich über den Aufbau der Bewegung in den USA unterhalten. Er hatte Interesse an unserer Arbeit in Deutschland, vor allem in Thüringen, an der Bewegung, an den Zusammenhängen zwischen heutigem Aktionismus und dem damaligen Nationalsozialismus im Vergleich.“4

Tatsächlich hatte Pierce, als er Brandt empfing, seit langem versucht, eine Verbindung mit deutschen Neonazis aufzubauen. Schon im September 1996 war ein Abgesandter von ihm, der US-Neonazi Erich Gliebe, nach Europa gereist. Er nahm dort auch am „Europäischen Jugendkongress“ teil, den NPD und die JN organisiert hatten – man traf sich in Thüringen. In einem internen Vermerk einer deutschen Behörde heißt es: „Diese Europa-Reise sollte der Anwerbung von Mitgliedern dienen, um für die ‚NA‘ eine Zellstruktur, vor allem in DEU aufzubauen.“ Ein führender Neonazi  aus den USA sagte später in Haft aus, dass es ein „operationsfähiges“ Klan-Netz in Europa gebe, damit waren vor allem die Kontakte von Pierce gemeint. William Pierce reiste schließlich 1999 selber zu einem Kongress der NPD und JN in Deutschland.

Dass vor dem Hintergrund der Morde des NSU, deren Mitglieder sich genau in der Zeit in Thüringen zunehmend radikalisierten, diese Verbindungen etwa von einem der vielen NSU-Ausschüsse nie genau beleuchtet werden konnten, passt in das Gesamtbild einer gescheiterten Aufklärung.

„Der Einfluss des Buches kann nicht hoch genug veranschlagt werden“

Bekannt wurde William Pierce für einen Roman, den er Ende der 1970er Jahre verfasst hatte: „The Turner Diaries – Die Tagebücher des Earl Turner”. Im Zentrum der Erzählung steht die Figur Earl Turner, dessen Tagebuch 100 Jahre nach den darin beschriebenen Ereignissen gefunden wird. Der fiktive Turner erlebt, wie weiße Christen 1991 einen Bürgerkrieg in den USA anzetteln – und mit großer Brutalität aus dem Untergrund heraus führen. Das Buch wurde Vorbild für weiße Rassisten auf der ganzen Welt. Denn Pierce hatte die Realität einfach umgedreht – nicht die Nachfahren der Sklaven waren die Opfer, sondern „die Weißen“. Er sprach damit Leser an, die längst Rassisten waren und nur noch überredet werden mussten, ihren Hass in Aktion umzusetzen.5

Die Handlung beginnt im September – wie später auch die Mordserie des NSU. Nachdem die Bundesbehörden Afroamerikaner schicken, um Turner und allen weißen Christen ihre Waffen wegzunehmen, geht er in den Untergrund. Mit anderen Aufständischen überfällt er Banken und Geldtransporter, fälscht große Mengen Geld, um die Bundesbehörden bekämpfen zu können. Turner und Komplizen sprengen dann ein FBI-Gebäude in die Luft, töten dabei 700 Menschen. Geführt wird der Aufstand von einer Gruppe, von der selbst viele Kämpfer nichts wissen dürfen – „The Order“. In einem internen Papier einer deutschen Sicherheitsbehörde heißt es: „Der Einfluss des Buches kann nicht hoch genug veranschlagt werden.“ In der Tat wird das Buch von Rassisten weltweit schnell als technische Anleitung und Manifest verstanden, weniger als fiktiver Roman.

In einem Interview mit dem Autoren sagte Tino Brandt über das Buch: „Ich habe das in meiner Jugend gelesen und habe auch ein Buch mit Widmung von Dr. W. Pierce.“ Wie lautete die Widmung? „Meinem Kameraden Tino Brandt.“  Und wie fand er das Buch? „Es war nach meiner Meinung sehr realistisch, authentisch geschrieben. Man konnte sich das vorstellen, dass es zu solchen Vorkommnissen in den USA kommen kann.“ Solche Vorkommnisse: Eine US-Regierung unterdrückt Weiße, die sich angeblich wehren müssen und Millionen von Afroamerikanern werden bei Pogromen im Laufe eines Bürgerkriegs ermordet, später werden alle „Nicht-Weißen“ bei einem Genozid getötet. Der Traum von Massenmord aus Rassenhass, als Selbstverteidigung verbrämt.

Der intensive Austausch zwischen dem V-Mann Brandt und Pierce ist auch deswegen interessant, weil der NSU von einer Gruppe inspiriert gewesen zu sein schien, die sich direkt auf die „Turner Diaries“ bezog. Der Rassist Bob Matthews gründete tatsächlich eine Gruppe „The Order“, wie sie auch in dem Buch beschrieben wurde. Die Mitglieder fälschten wie das Vorbild Turner Dollar-Noten, überfielen Geldtransporter, Banken und ermordeten einen jüdischen Radiomoderator. Ein Teil der Beute spendeten „The Order“ auch William Pierce, ähnlich wie später der NSU Teile des Geldes aus Banküberfällen an die Redaktionen von Neonazi-Magazinen schickte und in einem beiliegende Brief zu gewaltsamen Aktionen aufrief.

„The Order“ wurde folgerichtig unter anderem auch vom NSU-Unterstützer André Eminger verehrt. Er verantwortete das Skinzine „Aryan Law and Order“, in dem „The Order“ schon im Jahr 2000 als Vorbild gefeiert wurde: „Es handelt sich hierbei aber nicht um eine neue Bewegung, die mit den anderen konkurriert. Nein, hier handelt es sich um Elitekämpfer, die aus den besten Leuten der verschiedenen Bewegungen [sic], die schon existierten. … Es ist eine neue Art des Kampfes, einer Untergrundbewegung.“6

Es gibt noch weitere verblüffende Überschneidungen zwischen den Büchern von Pierce und dem NSU. Einen weiteren Roman – „The Hunter“ – widmete Pierce nicht nur dem Klan-Mitglied und Serienmörder Joseph Paul Franklin, er beschrieb praktisch Franklins Morde in dem Buch.7 Der rassistische Mörder hatte zwischen 1977 und 1980 mindestens zwanzig Menschen getötet, dabei Afroamerikaner nur wegen ihrer Hautfarbe ermordet, zudem Banken überfallen und Bomben gelegt. Bei einigen Taten hatte er ein Fahrrad benutzt, um zum Tatort zu kommen.8 Ähnlich wie später der NSU in Deutschland also. Ob die Mitglieder des NSU die Taten vom Franklin kannten oder von ihnen inspiriert wurden, ist jedoch unklar.

„Handbuch für den Sieg der Weißen“

Die „Turner Diaries“ leiteten auch weitere Terroranschläge konkret an. Timothy Mc Veigh, der mit zwei Komplizen 1995 einen Gebäude in Oklahoma in die Luft sprengte, in der US-Bundesbehörden untergebracht waren, hatte kopierte Seiten aus dem Buch bei der Tatausführung dabei. McVeigh war besessen von den „Diaries“, er verteilte Kopien, mit Unterstreichungen, an Bekannte, Freunde, und als er selber noch Soldat war, an andere Soldaten.5

In dem Roman beginnt die „Revolution“ der „weißen Christen“ mit einem Angriff auf ein Gebäude des FBI – das vollzieht McVeigh mit seinen Komplizen später exakt nach. Eine deutsche Sicherheitsbehörde nahm sogar an, dass McVeigh und seine Komplizen die Zusammensetzung der Bombe – 2,4 Tonnen Selbstlaborat – aus dem Buch übernommen hatte. Die Tagebücher waren, so die Analysten, nur ein schlecht getarntes „Handbuch für den Sieg der Weißen“ – es bestehe „vorwiegend aus Lektionen in Sachen Überleben, Guerillataktik u. Mordtechniken.

Tatsächlich richteten sich auch in Europa rechte Terroristen nach dem Buch. David Copeland, der 1999 innerhalb von dreizehn Tagen drei Nagelbomben in London zündete, bezog sich ausdrücklich auf Pierce. Der Berliner Neonazi Kay Diesner, der zwei Jahre zuvor den linken Buchhändler Klaus Baltruschat mit einer Pumpgun anschoss, auf der Flucht einen Polizisten tötete und einen weiteren schwer verletzte, benannte ebenfalls Pierce als seine Inspiration. Er sagte in einem Interview mit anderen Neonazis: „Jeder sollte erkennen, wie die Welt da draußen wirklich ist. Er kann sich letztendlich nur für unsere Sache entscheiden. Die Turner Tagebücher sagen und zeigen alles, was von Wichtigkeit ist. Lasst sie uns in die Tat umsetzen.9 Diesner hatte Pierces Buch so verstanden, wie es gemeint war: Als Aufruf zum Mord. Kay Diesner hatte sich nicht nur auf die „Turner-Diaries“ bezogen, sondern sich auch als Mitglied des „Weißen Arischen Widerstand“ bezeichnet. Dass also Tino Brandt – eine Kontaktperson des NSU – gut mit dem Autoren Pierce bekannt war, hätte mehr Aufmerksamkeit erregen müssen.

„Weißer Arischer Widerstand“

Es ist auffällig, wie eng deutsche und US-amerikanische Szenen darüber hinaus zusammenhingen. Einer der wichtigsten Unterstützer des NSU, Thomas Starke, damals Vizechef der sächsischen „B&H“-Sektion, reiste 1997 in die USA und traf dort eine Neonazi-Band, die auch die rassistische Klan-Ideologie vertrat. Man posierte damals gemeinsam mit Waffen. Die Richtung war also immer klar.

Der NSU-Unterstützer André Eminger druckte mit seinem Bruder zudem ein Statement von Tom Metzger in seinem Magazin „Aryan Law and Order“ ab: „Wir unterstützen alles, was unserer Rassenkultur nutzt… Die schlimmste terroristische Organisation dieses Land ist die sogenannte Bundesregierung.“ Die Jenaer Mitglieder des NSU hatten in einer Garage, in der sie Rohrbomben und das Archiv ihrer Gruppe lagerten, eine Adresse von Metzger in den USA in den Unterlagen.

Metzgers Mitstreiter war Dennis Mahon. Dieser wiederum stand in engem Kontakt mit Timothy McVeigh. Mahon verfolgte zudem das gleiche Ziel wie William Pierce, der McVeigh so inspiriert hatte: Den Aufbau von Strukturen in Deutschland, weswegen Mahon schon 1991 dorthin reiste. In einem Interview erklärte er den Hintergrund: „Wenn die Entwicklung ... so weitergeht, dass mexikanische und japanische Einwanderer unser Land überschwemmen, dann ist die weiße Rasse vom Aussterben bedroht. Dann müssen wir Arier nach Europa zurück. Deswegen haben wir keine andere Wahl, als den Europäern, vor allem den Deutschen, in ihrem Kampf für ein weißes Europa zu helfen.10 2012 wurde Mahon zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte 2004 in Arizona eine Briefbombe verschickt, die in einer städtischen Einrichtung, in der man sich unter anderem anderem für einen Dialog zwischen verschiedenen Religionen eingesetzt hatte, explodierte und drei Menschen verletzte. Er hatte also Angehörige des verhassten Staats angegriffen.

Mahon, Pierce, Metzger – zu diversen zentralen Figuren der rechten Terrorszene in den USA, die den „weißen arischen Widerstand“ predigten, hatten deutsche Neonazis Kontakt. Auch wenn bis heute nicht bekannt ist, was genau bei den vielen Treffen wirklich besprochen wurde - ob es Aufträge, gemeinsame Planungen oder ähnliches gab - so steht dennoch fest, dass die deutschen Neonazis in den USA etwas sehr Gefährliches fanden: Inspiration, Ideologie, Vorbilder.

In der Tradition des „WAR“, des „weißen arischen Widerstands“, handelte so auch der NSU – und Stephan Ernst. Die Mörder sind Teil einer globalen Bewegung, die Mitgliedschaft in einer konkreten Gruppe ist dabei zweitrangig. Entscheidend ist, dass die Attentäter am Ende töteten. In den Jahren zuvor wurden sie darauf durch Bücher, Lieder, Diskussionen vorbereitet, die alle im Kern die globale Propaganda des Ku-Klux-Klans in sich trugen.

  • 1Dirk Laabs und Stefan Aust: „Heimatschutz – Der Staat und die Mordserie des NSU“, München 2014
  • 2AIB Nr. 11 (1990): „Neonazi-Terrorist Manfred Roeder aus Haft entlassen“
  • 3Der Autor konnte das Dokument einsehen.
  • 4Pierce hat u.a. einen flüchtigen Neonazi Hendrik Möbus aus Deutschland bei sich in den USA versteckt. Möbus hatte 1993, als er selber gerade 17 war, einen 15-jährigen ermordet. Er wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, fand im Gefängnis zum Nationalsozialismus, gründete später ein Plattenlabel, das sich auf Black Metal spezialisierte. Nachdem er gegen die Bewährungsauflagen verstossen hatte, sollte Möbus wieder ins Gefängnis, setzte sich jedoch zuvor in die USA ab. Angeblich hatte Pierce große Pläne mit Möbus und wollte dessen Einfluss in der Musikszene ausnutzen. Doch nach zwei Wochen auf Pierce‘ Anwesen wurde Möbus in West-Virginia von der Polizei verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert.
  • 5 a b Vgl. die Analyse J.M. Berger: „The Turner Legacy“, ICCT Research Paper, September 2016
  • 6Vgl. AIB Nr. 105: „Der NSU, „The Order“ und die neue Art des Kampfes“
  • 7NSU Watch: „Der Roman „Hunter“ von William Pierce als Vorlage für den Lone Wolf Terrorist“, 13. Mai 2015
  • 8Joseph Paul Franklin wurde unter einem anderen Namen geboren. Er gab sich den Namen Joseph, um wie Joseph Goebbels zu heißen. Franklin wurde 2013 hingerichtet.
  • 9Das Interview gab Diesner den „Freien Nationalisten – Nationaler Widerstand Ruhr“. Es wurde im Internet veröffentlicht, ist aber inzwischen nicht mehr abrufbar.
  • 10Tempo, Dezember 1991, Interview mit Dennis Mahon: »Unsere Show für RTL PLUS war ein großer Erfolg«