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Ex-NS-Gebirgsjäger nun doch wegen Mordes verurteilt

Einleitung

Eine Sensation mit großer, auch internationaler Signalwirkung kann das Urteil des Schwurgerichts genannt werden, das am 11. August 2009 vor dem Landgericht München I im Prozess gegen den ehemaligen NS-Gebirgsjäger-Leutnant Josef Scheungraber erging: Der 91-jährige Angeklagte wurde eines 65 Jahre zurückliegenden 10-fachen Mordes und eines Mordversuchs im toskanischen Weiler Falzano di Cortona für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. 

Foto: FCB

Der Angeklagte Josef Scheungraber (links) und sein Anwalt Rainer Thesen vor Gericht.

Am 27. Juni 1944 habe der Leutnant, so stellte das Gericht nach über 40-tägiger Beweisaufnahme fest, als »einziger anwesender Offizier« der agierenden 1. Kompanie des Gebirgspionier-Bataillons 818 ein Massaker unter der Zivilbevölkerung angeordnet und seine Durchführung überwacht. Weil zwei Soldaten seiner Kompanie von italienischen Partisanen erschossen worden waren, diese jedoch beim Anlaufen der von der Division abgesegneten »Racheaktion« bereits über alle Berge gewesen seien, habe Scheungraber das Festsetzen unbeteiligter Zivilisten befohlen. 11 Männer, darunter Halbwüchsige, ließ er in ein Haus sperren, das über ihnen gesprengt wurde. 10 von ihnen starben, der damals 15jährige Gino Masetti überlebte schwer verletzt und hatte Anfang Oktober 2008 auch im Prozess ausgesagt.

Dem Gericht ist es in seiner Urteilsbegründung in beeindruckender Weise gelungen, aus dem Nebel früherer Aussagen bereits Verstorbener und aktuellen Einlassungen hoch betagter Zeugen, den Konstruktionen der Verteidigung und widersprüchlicher historischer Expertise einen stringenten Tathergang herauszuarbeiten. Dieser weist Scheungraber die alleinige Verantwortung und einen klaren Willen, die brutale Rache zu vollziehen, zu. In der »ersatzweisen« Auswahl unbeteiligter Bauern aus der Umgebung und deren wissentlich widerrechtlicher Ermordung zur Befriedigung seines und seiner Truppe Rachebedürfnisses erkannte das Gericht den »niedrigen Beweggrund« des Mordes und bescheinigt dem Verurteilten ein »Verhalten auf sittlich niedrigster Stufe«.

Die Verteidigung, die offenbar fest davon überzeugt war, dass es ihr großer Tag sein würde, zeigte sich schwer erschüttert von der Eindeutigkeit des Urteils. Rechtsanwalt Rainer Thesen erlitt einen Schwächeanfall. Er und seine einschlägig in extrem rechten Kreisen verstrickten Kollegen Dr. Klaus Goebel und Christian Stünkel kündigten Revision gegen das Urteil an, das noch nicht rechtskräftig ist. (fcb)