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Familienpolitik von Rechts

Juliane Lang

Propagandamaterial der NPD-Jugendorganisation.

Familienpolitische Forderungen sind in den Wahlkämpfen extrem rechter Parteien der letzten Jahre zunehmend präsent. Allen voran die NPD, die sich neben der Asyl- sowie der Euro- und Währungspolitik das Thema Familienpolitik zentral auf die Agenda des diesjährigen Wahlkampfes gesetzt hat. Dabei geht es einer völkischen Partei wie der NPD mitnichten um das Wohl aller in Deutschland lebenden und aufwachsenden Kinder. Unverhohlen setzt sie Forderungen etwa nach der Erhöhung des Kindergeldes für jedes »deutsche« Kind in Bezug zu Sozialleistungen an Asylsuchende und fordert, »zur gegenfinanzierung ist das kindergeld für ausländer (sic!) zu streichen«. Was unter dem Label einer vermeintlich sozialeren Familienpolitik daher kommt, ist letztlich Teil einer rassistischen Politik, die bestimmt, wer in Deutschland möglichst zahlreiche Kinder bekommen und ein gutes Leben führen und wer des Landes verwiesen werden soll. Hierbei spielt nicht nur »Deutschsein« eine Rolle, sondern auch die heteronormative Vorstellung der Familie – bestehend aus Mann und Frau – als kleinster Zelle der angestrebten Volksgemeinschaft. So fordert die NPD ein »Adoptio­nsverbot für Homosexuelle und deren Lebensgemeinschaften sowie Aber­ken­nung des ›Familien‹-Status für Homosexuelle«. Nicht zuletzt sind es For­derungen nach der »sofortigen Ein­stellung aller Gender-Mainstreaming-Maßnahmen«, mit denen die NPD um den Erhalt einer tradierten Geschlechterordnung mit klaren Rollenzuschreibungen an Männer und Frauen ringt.

»Kondome für Ausländer« – Gehalt für ›deutsche‹ Mütter

Nach der eigens publizierten Broschü­re »Deutsche Kinder braucht das Land. Familienpolitische Kehrtwende«, erstellt durch die »AG Familienpolitik« innerhalb der NPD1 , finden sich keine Neuerungen in den Verlautbarungen der Partei im diesjährigen Wahlkampf. Bemerkenswert ist lediglich die offene Verknüpfung familienpolitischer Forderungen mit rassistischer und homophober Propaganda. Konzentrierten sich die AutorInnen der Broschüre noch auf die Beschreibung von zu erbringenden Leistungen für »deutsche« Familien, greifen nun Männer der Jungen Nationaldemokraten (JN) das Thema auf und demonstrieren unverhohlen, worum es der extremen Rechten eigentlich geht: um rassistische Bevölkerungspolitik und der Konstruktion eines »Wir«, das sich vermehrt gegenüber einer Gruppe der »Volksfremden«, die von familienpolitischen Leistungen ausgeschlossen bleibt. So ließen die JN im Wahlkampf 2013 Kondome mit der Aufschrift »Kondome für Ausländer und ausgewählte Deutsche« produzieren. Selbstbewusst treten sie an die Öffentlichkeit und kommentieren dies auf den Seiten des NPD-Materialdienstes mit den Worten: »Ab jetzt kann jeder durch die Stadt gehen und aktiv den demografischen Wandel bekämpfen. Einfach diese netten Kondome verteilen.« Unter der Parole »Volkstod stoppen!« widmen sich zahlreiche extrem rechte Kampagnen der letzten Jahre dem Thema des demographischen Wandels. Nicht die Geburtenraten allgemein erfahren hier die Aufmerksamkeit, sondern die Frage, wer in Deutschland Kinder bekommt. Der völkischen Politik geht es darum, mehr ›deutsche‹ Kinder in tradiert heteronormativen Verhältnissen aufwachsen zu sehen. Als »ausgewählte Deutsche« werden »Bundestagsabgeordnete, Minister und Ausländerlobbyisten, die sich in der Vergangenheit besonders durch ihre volksfeindliche Heimatabwicklungspolitik hervorgetan haben« adressiert. Die Familienpolitik dient hier als willkommenes Moment, »Multikulti« – also die Vorstellung der Mischung in sich homogen konstruierter Kulturen – als das Feindbild der extremen Rechten auf- und anzugreifen.

Dagegen sind es vor allem Frauen wie die Berliner NPD- und RNF-Politikerin Maria Fank sowie die RNF-Bundesvorsitzende Sigrid Schüssler, die sich als Mütter und Fürsprecherinnen der Familien inszenieren, indem sie die immer selben Forderungen der NPD vortragen. Diese lassen sich in wenigen Sätzen zusammenfassen:  eine Erhöhung des Kindergelds für alle »deutschen« Kinder, ein sozialversicherungspflichtiges Müttergehalt – »das selbstverständlich nur an deutsche Mütter ausgezahlt wird« – sowie einen Ehekredit, der mit der Geburt des dritten Kindes als abgezahlt gilt. Die aufgeführten Leistungen sind Teil eines »Fördersystem[s], das ausschließ­lich deutschen Familien und Kindern zugute kommen darf«. Ziel der Geburtenfördernden Politik der NPD ist es nicht, ein familienfreundliches Klima für alle in Deutschland lebenden Menschen zu schaffen. Ziel ist es, junge deutsche Frauen zum Gebären möglichst zahlreicher Kinder anzuhalten – ganz im Sinne der nationalsozialistischen Lebensborn-Ideologie »ein Kind für den Führer«.

»Beziehungen der Beliebigkeit«

Offener als zuvor – und offensichtlich durch die internationale Debatte um die rechtliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften angeschoben – polemisieren NPD und RNF derzeit offen gegen die Anerkennung nicht-heterosexueller Lebensweisen. So fordert der Ring Nationaler Frauen in einem Aufruf zur »Wortergreifung deutscher Frauen« aus dem August 2013 ohne einen erkennbaren Zusam­menhang die »Abschaffung des Christopher-Street-Days« und stilisiert damit die bloße Sichtbarkeit von Homosexualität in der Öffentlichkeit zur Gefahr für die völkische Ordnung. Dezidiert markiert die NPD »[d]ie auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau (...) [als] die einzige Familienform, die Förderung und besonderen staatlichen Schutz verdient, denn nur in ihr können Kinder geboren werden.« In dem Zuge, wie nicht-heterosexuellen Partnerschaften die Fähigkeit abgesprochen wird, Kinder zu bekommen und diese aufzuziehen, setzen sie sich in der völkischen Denke gleichsam dem Vorwurf aus, sich der Verantwortung für den Fortbestand des deutschen Volkes zu entziehen.

Und dahinter steckt noch mehr: unter dem Vorwurf der »Beliebigkeit« von Beziehungsformen und Bindungsmodellen delegitimiert völkische Familienpolitik all jene Beziehungsmodelle, die nicht der Norm der heterosexuellen Kleinfamilie aus Vater, Mut­ter, Kind entsprechen. Gitta Schüß­ler, familienpolitische Sprecherin der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag und Vorstandsmitglied des RNF, erklärt anlässlich des weitgehend unbekannten Internationalen Tages der Familie am 15.05.2012: »Im Gegensatz aber zu anderen Parteien (...) erscheint es uns nicht sinnvoll, sogenannten ›modernen Familienformen‹ hinterherzuhecheln, schwulen Minderheiten Adoptionsrechte einzuräumen und ganz allgemein ›Beziehungen der Beliebigkeit‹ unter dem Deckmantel der ›Moderne‹ zu propagieren.« Die hete­ro­sexuelle Kleinfamilie als kleinste Zelle der angestrebten Volksgemeinschaft garantiert in der völkischen Ordnungsvorstellung das Zusammenspiel der Geschlechter. Männern und Frauen kommt qua Geschlecht die Verantwortung für einen jeweiligen Teilbereich zu: Männer sind demnach für die Gestaltung des öffentlichen Lebens – der Politik – und die Verteidigung des Vaterlandes gegen etwaige Feinde zuständig; Frauen gebären und erziehen die Kinder und sorgen für den sozialen Zusammenhalt der völkischen Gemeinschaft. Die Rollenaufteilung wird mit Hinweis auf die »natürliche«, qua Biologie bestimmte Ordnung der Geschlechter argumentiert. Allein die Vorstellung eines sozial hergestellten Geschlechtes – Gender – stellt diese Ordnung in Frage und wird in der extremen Rechten demnach flügelübergreifend abgelehnt. In dem Maße, wie sich gesamtgesellschaftliche Geschlech­terverhältnisse modernisieren, hält völkische (Familien-) Politik dagegen und unternimmt den Versuch der (Re-) Stabilisierung tradierter Verhältnisse. In der aktuellen Debatte um die rechtliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der bürgerlichen Ehe erhoffen sich NPD und RNF offenbar die Möglichkeit der Teilhabe an gesamtgesellschaftlichen Diskursen – was ihnen bisher jedoch nicht gelingt.

 

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  • 1vgl.: Rechter Rand: Lang 2013.