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Fear of a black Planet - Die Angst vor schwarzen Soldaten

Einleitung

Deutschland, 1920er Jahre. Das nationale Ego war stark verunsichert. Vor kurzem noch Kolonialmacht mit Ambitionen auf Weltherrschaft – und nun standen schwarze Soldaten im eigenen Land als Besatzungsmacht. Waren vielleicht doch nicht die Anderen die kulturlosen Wilden ohne Zivilisationsstandards, sondern – man selber?

Bild: L'Illustration; Public domain; via Wikimedia Commons

Militärische Inspektion einer französischen Ehrengarde senegalesischen Tirrailleus im April 1920 in Mainz.

Der Soziologe Max Weber fand drastische Worte: „Ein Heer von Negern, Ghurkas und allem barbarischen Lumpengesindel der Welt“ würde Deutschland verwüsten. Auch Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) ließ sich nicht lumpen. Die Verwendung „farbiger Truppen niederster Kultur als Aufseher über eine Bevölkerung von der hohen geistigen und wirtschaftlichen Bedeutung der Rheinländer“ würde die Gesetze der europäischen Zivilisation verletzen. Von weißen Soldaten hätte man sich also noch etwas sagen lassen – von schwarzen Soldaten aus den Kolonien jedoch? Niemals.

Was war geschehen?

Deutschland hatte den Ersten Weltkrieg verloren und musste aufgrund des Versailler Vertrages Reparationszahlungen leisten. Die linksrheinischen Gebiete sollten für 15 Jahre besetzt werden. Zur Blamage der besiegten Deutschen wurden auch schwarze Soldaten aus den französischen Kolonien eingesetzt. Dies bildete den Ausgangspunkt für einen Sturm rassistischer und antifranzösischer Propaganda zu Beginn der der 1920er Jahre.

Schwarze Gefahr“, „fremdrassige Truppen“, „Schwarze Schmach am Rhein“, „Schwarze Pest in Europa“ und eine „Entehrung der weißen Rasse“ waren die in der Presse, auf Flugblättern und auf Kundgebung am häufigsten gebrauchten Begriffe. Das Bündnis ging dabei von ganz rechts bis weit in liberale Kreise. Lediglich die USPD und die KPD hielten sich aus dieser rassistischen Kampagne heraus.

Neben der „Schmach“ von „Wilden“ besetzt zu werden stand besonders die Sexua­lität im Vordergrund. Die Kampagnen machten immer wieder auf die „Gefahr“ einer „Rassenmischung“ aufmerksam, welche die „rassische Reinheit“ der Deutschen bedrohen würde.

Besonders zynisch: Während der Deutschen Kolonialzeit waren sexuelle Übergriffe von deutschen Kolonisten auf schwarze Frauen noch mit dem Begriff „Tropenkoller“ bagatellisiert worden. Das merkwürdige Klima habe wohl dazu geführt, dass der deutsche Mann sich habe hinreißen lassen. Ihm konnte man also nichts vorwerfen. Bei der Besetzung des Rheinlandes wurden nun angebliche sexu­elle Übergriffe besonders hervorgehoben. Deutsche Frauen würden systematisch „geschändet“ – Vergewaltigungen würden häufig vorkommen und aufgrund der „Triebhaftigkeit“ der „schwarzen Bestien“ geschehen. Dabei konnte die deutsche Regierung auf Unterstützung aus dem Ausland bauen. Aus Großbritannien, Dänemark, Italien, Frankreich solidarisierten sich einflussreiche Persönlichkeiten mit der deutschen Kampagne gegen die „Schwarze Schmach“ – und belegen damit eindrücklich, dass der Rassismus nicht nur eine wirkmächtige deutsche, sondern eine euro­päische Ideologie war. Schwedische Frauen­verbände sammelten über 50 000 Unterschriften gegen die Stationierung von schwarzen Soldaten in Deutschland.

Eine besonders wirkmächtige Unterstützerin der Kampagne war die Amerikanerin Ray Beveridge (1878-1960). Rassistisch und germanophil sprach Sie auf zahlreichen Kundgebungen und füllte ganze Säle. Um die „Rassenschande“ zu dokumentieren, ließ sie sich mit schwarzen Kindern fotografieren und veröffentlichte diese Bilder dann als Postkarten. Zur NSDAP hatte Beverdige von Beginn an enge Verbindungen und wurde noch 1942 von der Reichskanzlei der Führers für ihre großen „Verdienste um das Reich“ finanziell unterstützt.

Die Kampagne war besonders deshalb so erfolgreich, da sich die Kategorien Rasse, Nation und Geschlecht verbanden. Der Zusammenhalt der „weißen Rasse“ wurde beschworen (wodurch sich auch rassistische ausländische Protagonisten gewinnen ließen), die Abwehr des Angriffs auf die „Deutsche Frau“ versprach klassen– und geschlechtsübergreifend Bündnisse. Neben dem vordergründigen Zweck, die französische Besatzungsmacht international zu ächten, basierte die rassistische Stoßrichtung auf tiefen Überzeugungen und Vorurteilen.

Die Kampagne und Wirkmächtigkeit gegen die „Schwarze Schmach“ beschränkte sich daher nicht nur auf Kundgebungen und Flugblätter. In Romanen, Filmen, Zeitungen Gedichten, Karikaturen und Zigaretten-Sammelbildchen tauchte das Stereotyp des barbarischen und vergewaltigenden Schwarzen immer wieder und wie selbstverständlich auf. Diese Bilder prägten daher eine ganze Generation. Der Schriftsteller Klaus Mann berichtete davon, dass er als Kind jahrelang davon überzeugt gewesen sei, dass „Marokkaner“ während der Besatzungszeit dutzende Mädchen und Jungen vergewaltigt hätten und auch vor einer Pferde-Stute nicht halt gemacht hätten.

Adolf Hitler machte die Juden für die gezielte Stationierung der schwarzen Soldaten verantwortlich. Damit hätten diese die „weiße Rasse“ schwächen und eine leichter beherrschbare „niedere“ Rasse züchten wollten.

Vorurteil und Wirklichkeit

Diese weltweit mit allen Mitteln und Methoden geführte Kampagne hatte in der Realität nur eine äußerst schmale Basis. Tatsächlich begingen die Kolonialregimenter nachweislich weniger Delikte als andere Regimenter. Auch die Zahl der schwarzen Soldaten in Deutschland war relativ gering: Waren es zu Beginn noch ca. 25 000 nicht-weiße Soldaten (ca. 1/3 der französischen Truppe), sank diese Anzahl bis 1927 auf nur noch 2 000 Männer. Die Aufregung die also um diese Truppen geschürt wurde stand in keinem Verhältnis zu ihrer tatsächlichen Präsenz im Alltag.

Die Pazifistin Lilli Jannasch schrieb bereits 1921, dass die Vorwürfe völlig substanzlos seien: Übergriffe seien Einzelerscheinungen, insgesamt sei die Bevölkerung vor Ort sehr gut mit den schwarzen Soldaten ausgekommen. Letztere hätten auch häufig hungernden deutschen Kindern etwas von Ihren Mahlzeiten abgegeben – und wenn es doch mal zu Liebschaften zwischen den schwarzen Soldaten und weißen Deutschen kam, beruhten diese meist auf gegenseitigem Einverständnis.

Doch all diese Fakten taten der Kampagne keinen Abbruch – Das Horrorbild vom „Schwarzen Monster“ hatte sich in der antifranzösischen Propaganda als so wirkungsvoll gezeigt, dass man diese nicht wegen entgegenstehender Realitäten aufgab.

Verfolgungen im Nationalsozialismus

Die Propaganda hielt sich noch in den gesamten 1920er Jahren – auch als es fast schon keine schwarzen Soldaten im Rheinland mehr gab. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten ab 1933 sollte auch die „Schmach“ der Rheinlandbesatzung revidiert werden. An den ehemals stationierten schwarzen Soldaten konnte man sich nicht mehr rächen, da diese längst abgezogen waren. Also hielt man sich an deren Kinder. Eine, durch keinerlei gesetzliche Grundlage, eingerichtete Kommission fahndete ab 1937 nach Nachkommen von schwarzen- und nicht-schwarzen Eltern und ließ über 400 dieser Kinder und Jugendlichen zwangssterilisieren. Dabei konnte das NS-Regime bereits auf Listen zurückgreifen, die noch während der demokratischen Weimarer Republik angelegt worden waren. Die beteiligten Ärzte wurden nach dem Krieg zwar vor Gericht gestellt – aber durchgängig freigesprochen. Teilweise erreichten Sie hohe medizinische Posten in der BRD, z.B. als Vorsitzende der Ärztekammer.

Mit der Niederlage der Deutschen Wehr­macht rückten erneut Schwarze Soldaten in Deutschland ein – diesmal als Soldaten der US Army. Doch diesmal wurde keine Kampagne hiergegen entfacht. Stattdessen standen die Rotarmisten im Mittelpunkt der westdeutschen Propaganda. Und auch hier waren es (tatsächlich vorgekommene, aber in der Propaganda heillos übertriebene) Übergriffe auf Frauen, die die Gemüter am meisten erregte.