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Plus1 - Refugees welcome

Einleitung

Die Berliner Polit-Charity mit solidarischer Gästeliste

Seit Oktober 2015 gibt es in Berlin die Kampagne „Plus1 — Refugees Welcome“. Sie wurde von einem Zusammenschluss engagierter Menschen aus dem Kulturleben initiiert angesichts der katastrophalen Situ­ationen, die Menschen zur Flucht zwingen, der tödlichen Fluchtrouten, des Versagens der Berliner Verwaltung bei der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge hier in Berlin sowie angesichts der Zunahme von Brandanschlägen auf ihre Unterkünfte. Das Ziel der Kampagne ist es, bestehende Initiativen der Flüchtlingshilfe finanziell zu unterstützen. Gleichzeitig soll die Kampagne — in Zeiten, in denen der Rechtspopulismus weltweit auf dem Vormarsch ist, in die Parlamente einzieht und sich der öffentliche Diskurs immer weiter nach rechts verschiebt — dem Berliner Party- und Kulturbetrieb eine Möglichkeit bieten, sich politisch zu positionieren,  Geflüchtete in Berlin willkommen zu heißen und so ein wahrnehmbares Zeichen der Solidarität und Offenheit zu setzen.

Wie funktioniert’s? (oder: Der Name „Plus1“ ist Programm)

Der Name der Kampagne ist Programm: Von all denjenigen, die das Privileg haben, auf der Gästeliste der teilnehmenden Clubs und Veranstaltungen zu stehen, wird als „Gegenleistung“ mindestens 1 Euro als Spende vorgeschlagen. Das Geld wird gesammelt und zu gleichen Teilen an je drei Initiativen gespendet, die Geflüchtete auf unterschiedlichen Ebenen unterstützen. Das bekannte „+1“ auf der Gästeliste bekommt so eine neue und vor allem solidarische Bedeutung. Das Geld wird in Spendendosen mit dem eindringlichen Slogan und Layout am Einlass gesammelt, in die natürlich auch zahlende Gäste spenden können. Das Einsammeln von Kleinstbeträgen mit Spendendosen ist zwar keine neue Idee. Der Vorteil des Plus1-Konzepts besteht aber darin, dass an den Clubtüren und Konzert- und Festivalkassen zum einen an die schon bestehende „Gästelisten“-Routine angeknüpft werden kann – was den unmittelbaren „Sammel-Aufwand“ natürlich deutlich erleichtert (wobei der enorme Anteil, den das Engagement und die Motivation der Leute an den Türen und Gästelisten am Erfolg von Plus1 haben, keinesfalls unterschätzt werden darf). Zum anderen spricht Plus1 mit den Inhaber_innen von Gästelistenplätzen natürlich bewusst jene Menschen an, die gerade das Privileg haben, ohne Eintritt ein Konzert, einen Club oder eine Party zu besuchen — was die Bereitschaft, sich mit denjenigen solidarisch zu zeigen, die nicht auf der „Gästeliste der Europäischen Union“ stehen, deutlich erhöht oder vielmehr: erhöhen sollte.

Während vielerorts das breite und zumeist karitative Engagement für Geflüchtete in der Stadt nachlässt und sich die Mehrheit der Menschen an die menschenunwürdige Unterbringung von Geflüchteten gewöhnt hat, möchte sich die Kampagne als dauerhafte Einrichtung im Berliner Nachtleben etablieren. Dies könnte allein schon dadurch gelingen, dass  „Plus1 — Refugees Welcome“ allen Beteiligten — sowohl den unterstützenden Clubs und Veranstalter_innen als auch den spendenden Gästen — eine einleuchtende und niedrigschwellige Gelegenheit bietet, sich politisch zu positionieren, ohne zwangsläufig selbst politisch tätig werden zu müssen — wenngleich das gemeinhin wünschenswert wäre.

„Plus1 — Refugees Welcome“ läuft inzwischen seit über einem Jahr und kann als großer Erfolg gewertet werden. An die 100 Clubs, Konzert- und Festivalveran­stalte­r_innen und Partyreihen beteiligen sich an der Kampagne, und über 125.000 Euro konnten mit ihrer Hilfe bislang gesammelt werden. Mit den Initiativen „Support Act“ in London und „The IN Project“ in Quebec hat das Konzept von Plus1 inzwischen sogar international Nachahmer_innen gefunden.

Wohin geht das Geld? (oder: Materielle Unterstützung und ein Zeichen praktischer Solidarität)

Ein wichtiger Aspekt von „Plus1 — Refugees Welcome“ ist die Transparenz für alle Mitwirkenden: Jeder Euro, der in den Spendendosen landet, wird zu 100 Prozent an die ausgewählten Initiativen der Flüchtlingshilfe weitergeleitet. Alle entstehenden Kosten wie Flyer, Plakate, Spendendosen u.ä. werden von der Initiative selbst getragen. Jeder Spender und jede Spenderin kann über die ausliegenden Flyer auf Englisch und Deutsch sowie über die Facebookseite der Kampagne erfahren, an welche Initiativen ihr Geld geht.

Die Initiator_innen der Kampagne Plus1 sind über ein „Patensystem“ jeweils individuelle Ansprechpartner_innen für die teilnehmenden Veranstaltungen und Clubs, tauschen die verplombten Spendendosen in regelmäßigen Abständen aus und zahlen das Geld in bar auf das eigens eingerichtete Spendenkonto des gemeinnützigen VDK e.V. ein. Um Geflüchtete auf einer möglichst breiten Basis unterstützen zu können, wurde von den Initiator_innen entschieden, das Geld grundsätzlich zu drei je gleichen Teilen zu spenden: an eine Organisation aus dem Bereich der zivilgesellschaftlichen Seenotrettung an den EU-Aussengrenzen, an eine Organisation, die sich der politischen Vertretung und berlinweiten Unterstützung Geflüchteter widmet, und an ein Projekt, das lokal Flüchtlinge beim Ankommen und Leben in den Berliner Bezirken unterstützt. Nach einem halben Jahr werden jeweils neue Initiativen ausgewählt, unterstützt und der Öffentlichkeit bekannt gemacht. So konnten im vergangenen Jahr Sea-Watch, der Flüchtlingsrat Berlin, Moabit hilft, SOS Méditerrannée, Women in Exile, Hellersdorf hilft sowie KuDePo e.V. finanziell unterstützt werden. In den kommenden Monaten werden wegen des akuten Bedarfs gleich vier Initiativen der zivilen Seenotrettung unterstützt. 

Gewöhnt euch nicht an die Bilder der Toten! Unterstützt die zivile Seenotrettung im Mittelmeer!

Laut UNHCR sind fast 4.700 Menschen 2016 bei ihrer Flucht über das Mittelmeer gestorben. Dieser traurige Rekord ist das Ergebnis einer todbringenden europäischen Abschottungspolitik, die unbedingt ein Ende haben muss. Die politische Forderung nach sicheren und legalen Einreisewegen ist drängend und muss stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken.

Solange aber die Überquerung des Mittelmeers für Flüchtende der einzige Weg nach Europa ist, bleibt auch die zivile Seenotrettung eine traurige Notwendigkeit. In den vergangenen Jahren haben sich in Berlin vier Organisationen gegründet — SOS MEDITERRANNEE, SEA-WATCH, JUGEND RETTET und CADUS – um Menschen auf der Flucht vor dem Ertrinken zu retten. Sie übernehmen damit ehrenamtlich eine Arbeit, die eigentlich von der Europäischen Union übernommen werden müsste und trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht geleistet wird. Das lebensrettende Engagement dieser Projekte ist also wichtiger denn je. Die Kampagne „Plus1 — Refugees welcome“ hat sich deshalb entschieden, in den kommenden Monaten, bevor es in die nächste „reguläre" Plus1-Runde geht, mit einem so genannten „Winter-Special“ diese buchstäblich lebenswichtige Arbeit der Initiativen der zivilen Seenotrettung zu unterstützen. In diesem Sinne: Wenn Gästeliste — dann Plus1!