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Schwarzbuch Lega

Giovanni Tizian Stefano Vergine

Mit dem „Schwarzbuch Lega“ legen die beiden Journalisten Giovanni Tizian und Stefano Vergine eine sehr detailreiche Auseinandersetzung mit der rechten Lega aus Italien und insbesondere deren Vorsitzenden Matteo Salvini vor. Unter dem Namen „Lega Nord“ machte sich die 1991 unter Umberto Bossi gegründete rechte Partei für die Abspaltung des wirtschaftlich besser aufgestellten Nordens Italiens vom Rest des Landes stark. Unter ihrem ab 2013 neuen Vorsitzenden Salvini veränderte die „Lega Nord“ ihre Agenda nachhaltig. Inhaltlich entwickelte sie sich immer mehr zu einer klassischen extrem rechten Partei, die zuvorderst gegen die EU und Migrationsbewegungen nach Europa agitiert. Besonders die rassistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete und das harte Vorgehen gegen Seenotretter*innen im Mittelmeer brachten hohe Wahlerfolge sowie Salvini von Juni 2018 bis September 2019 den Posten des Innenministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten ein.

Die über mehrere Jahre recherchierten Ergebnisse unterteilen sich im Buch in drei (auch unabhängig voneinander lesbare) Bereiche. Im ersten Teil geht es um die Veruntreuung staatlicher Wahlkampfkostenrückerstattung in Höhe von 48,9 Millionen Euro, zu deren Rückzahlung die Partei mittlerweile verurteilt wurde. Kenntnisreich wird dargelegt wie die Lega versucht hat die Finanzströme über regionale Parteiverbände, unterschiedlichste nationale und internationale Unternehmen, aber auch Briefkastenfirmen oder parteinahe Vereinsstrukturen zu verschleiern. Dennoch ist Salvini in den letzten Jahren zum wichtigsten Akteur der extremen Rechten in Italien geworden. Er verstand es die Partei auf sich zuzuschneiden und mit der Umbenennung in Lega in ganz Italien zu verankern. Am Beispiel der südlichen Regionen Sizilien und Kalabrien zeichnen Tizian und Vergine im zweiten Abschnitt des Buches nach, dass hierfür neben konservativen und neofaschistischen Akteuren insbesondere Verbindungen zu den kriminellen Strukturen der ‘Ndrangheta genutzt wurden.

Wie es darüber hinaus gelang die Lega im politischen Bündnis der internationalistischen Rechten von Trump bis Putin über die europäischen Partner*innen wie Marine Le Pen, Geert Wilders oder Viktor Orbán gewichtig zu positionieren zeigt der dritte und letzte Teil auf. Die beiden Autoren machen deutlich, dass die für die Zusammenarbeit obligatorische ablehnende Haltung der Sanktionen gegen Russland auch mit unternehmerischen Interessen zusammenhängt. Neben dem offiziellen Abkommen mit der Putin-Partei „Einiges Russland“, sind es jedoch besonders die Verstrickungen zu reaktionären Kreisen im Vatikan, erzkonservativen katholischen Vereinen wie dem „World Congress of Families“ und der orthodoxen russischen Kirche, die eine politische Kooperation befördern. Antifeminismus, die Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen und Rechten für LGBTIQ liefern die ideologische Basis und formen ein internationales Netzwerk in dem sich erzkonservative und rechte Akteure wiederfinden.  So nahm u.a. auch der AfD-Politiker Maximilian Krah am „World Congress“ im letzten Jahr in Verona teil und sich mit Salvini fotografieren. Allein aus diesen Beispielen ließe sich eine interessante Analyse rechter Netzwerkarbeit entwickeln, doch geht es Tizian und Vergine in ihrem „Schwarzbuch“ nicht darum die Lega politisch einzuordnen.

Die detaillierten Beschreibungen machen das Buch (gerade ohne Vorwissen) nicht immer leicht lesbar. Wer sich aber darauf einlassen kann, blickt tief in das politische und finanzielle Innenleben der Lega sowie die weitverzweigten Netzwerke einer Vielzahl an eigenen wie der Partei nahestehenden Unternehmen und Organisationen. Eine ähnlich intensive Beschäftigung mit den oft verschleierten Finanzströmen der AfD wären auch für die Debatte hierzulande wünschenswert.•

Giovanni Tizian / Stefano Vergine
Schwarzbuch Lega
edition.fotoTAPETA, Berlin 2019
240 Seiten
ISBN: 978-3-940524-83-6
17.50 Euro