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Antifeministische Richtungsstreits

Robert Claus
Einleitung

Über Homophobie im Maskulismus

Screenshot: mann-pass-auf.de

Das ist Maskulinismus: Frauenfeind­liche Inhalte und Darstellungen im web.

Die sog. Männerrechtsbewegung bzw. der Maskulismus hat im deutschsprachigen Raum in den vergangenen Jahren erheblichen Aufwind erfahren. Sowohl in bundesdeutschen Leitmedien1 als auch diversen Internetforen unterliegen Frauenquoten, Frauenförderung und Gender Mainstreaming einer Diffamierung als männerdiskriminierend, wobei maskulistische AktivistIn­nen nicht einmal davor zurückschrecken, die Adressen anonym arbeitender Frauenhäuser zu veröffentlichen. Nicht nur die männerrechtliche und bürgerlich-konservative Organisation »Agens e.V.« aus Bremen sowie die UserInnen des Forums auf www.wgvdl.com2 sind im Phantasma geeint, Männer als stete Opfer geschlechterpolitischer Maßnahmen zu wähnen. Darüber hinaus zeigt sich die Szenerie, die so gerne eine mobilisierungsfähige Bewe­gung wäre, tief zerstritten. Die Konflik­te reichen von der Wahl interessenpolitischer Instrumente und der Frage nach der Mitwirkung in demokratischen Diskursen bis hin zum Gemeinschaftsziel maskulistischer Politik zwischen Männerbund und Familie. Zudem streitet man emsig darüber, wer denn als Subjekt der »Bewegung« begriffen wird. Homosexualität bildet hierbei eine der zentralen Konfliktlinien, für deren Existenz im heteronormativen Weltbild des Maskulismus nur wenig Raum bleibt.

Der Maskulismus verfolgt ein überaus traditionelles Gesellschaftsbild, welches auf einem patriarchalen Familienkonzept fußt. In maskulistischer Lesart habe der Feminismus Frauen von ihren familiären Aufgaben zugunsten von individuellen Karriereinteressen entfremdet und folglich die bürgerliche Kleinfamilie als gesellschaftliches Fundament zerstört. Um dem entgegenzuwirken, veröffentlichte »Agens« im Vorfeld der Bundestagswahlen 2013 seine Wahlprüfsteine und fragt dabei, was die Parteien unternähmen, um »Trennungs-/Scheidungs­folgen z.B. durch Information und Prä­vention zu reduzieren«3 . Das Objekt dieser Familienpolitik bleibt das heterosexuelle Paar mitsamt einer traditionellen Verteilung weiblicher Reproduktionsarbeit sowie männlicher Erwerbsarbeit und Macht über familiäre Verhältnisse; homosexuelle Partnerschaften werden an keiner Stelle auch nur erwähnt. Agens geriert sich als Verfechter eines heteronormativen Gemeinwohls, was u.a. in seinem grobschlächtigen Namensslogan »Mann und Frau miteinander« hervortritt. So wird Homosexualität des Öfteren mit dem Thema Pädophilie4 verbunden und der Entfremdung von »natürlichen Grundlagen« bezichtigt: »Der Angriff der homosexuellen Szene auf die Familie. Kein Wunder, die homosexuelle Lebensweise kann  ›Normalität‹ nur erlangen über die Ideologie einer freien Geschlechtswahl. Das bedeutet die Möglichkeit, neben Mann und Frau, auch andere ›Identitäten‹ wie Homosexualität zu ›wählen‹.«5 Somit bilden die stets heterosexuell gedachten Kategorien Mann und Frau die Basis maskulistischer Ideologie und strukturieren ihre innere Ordnung.

Jedoch sorgt die Existenz homosexu­eller Männer regelmäßig für kontroverse Diskussionen innerhalb der maskulistischen Community. Diese betreffen vorrangig die Partizipation schwuler Männer am Maskulismus. »Forumsuser« OpiWahnGanovi ergeht sich beispielsweise in folgendem homophoben Bedrohungsszenario: »Wenn ich weiß, dass mein Kollege rumschwuchtelt, dann werde ich ihn meiden, um mich nicht der Gefahr einer Infektion auszusetzen und nicht angegrapscht, vielleicht gar vergewaltigt zu werden.«6 In der Verbindung von Homosexualität als sexuell deviantem Verhalten mit Krankheit und sexueller Gewalt expliziert sich die Selbstkonstruktion als gesund und wohltätig. Zudem ist der Angst, als Mann passives Objekt männlich-sexuellen Begehrens zu werden, die Abwehr von Verweiblichung immanent. Die Konstruktion des homosexuellen Mannes verortet diesen außerhalb der maskulistischen Gemeinschaft.

Doch erfährt dies Widerspruch: »Schwule sind die aufrichtigsten Maskulisten, die es gibt, da sie nie einer V**** in Aussicht auf einen Fick hinterherhecheln werden.«7 Der »Forumsuser« Roslinfan erörtert Unabhängigkeit von Frauen als gemeinsamen Nenner zwischen maskulistischen und homosexuellen Männern. Homosexu­elle Männer erfahren somit keine Zuschreibungen der Verweiblichung und sexuellen Devianz, sondern werden als mögliches Subjekt des Maskulismus integriert sowie quasi als Minderheit im männlichen Hierarchiegefüge toleriert, da sie keine Kon­­kurrenz innerhalb heterosexueller Bezie­hungs­kons­tellationen darstellen. Anhand der in diesem Forum geführten Diskussionen und ihrer Ambivalenzen bleibt erstere Position im Maskulismus dennoch dominant und Homosexualität erfährt eine Marginalisierung auf biologistischen Grundlagen. Sie wird als Bedrohung für die Fortpflanzung von Familien und die Schwulenbewegung als Weggefährte lesbischer Emanzipation wahrgenommen8 .

Eine weitere, äußert kontrovers dis­kutierte Spielart maskulistischer Politik präsentierte Arne Hoffmann, der u.a. in der rechten Zeitschrift »Jungen Freiheit« publiziert, lange Jahre in der »Freien Welt« eine Kolumne unter dem Titel »Feminismus oder Freiheit« unterhielt und das Buch »Männerbeben. Das starke Geschlecht kehrt zurück« veröffentlichte. In seiner Kon­zeption eines »linken Maskulismus«9 versucht er das Verhältnis des Maskulismus zu schwulen Männern zu verändern: »Linke Männerpolitik solidarisiert sich mit sexuellen Minderheiten wie den Schwulen, Transgendern und SMern.« (Hervorhebung im Original). Doch bleibt der homophobiekritische Schritt auf halbem Wege stecken. Denn eine Gruppe zählt Hoffmann offenbar nicht dazu: Lesben. Diese gelten im Maskulismus als Strippenzieherinnen des Feminismus, in dessen Folge Männer generell unter Unterdrückung litten. Insofern verbirgt sich der antifeministische und frauenverachtende Impetus nur schlech­­ter­dings hinter dem selbstgesteckten Anspruch, zu einem Emanzipationsprozess für Männer beizutragen und muss nicht nur deshalb äußerst kritisch betrachtet werden. Denn zugleich erfuhren Hoffmanns Ausführungen reichlich Gegenwind unter maskulistischen AktivistInnen und brachten ihm den Vorwurf des Bewegungsverrats ein. Repräsentativ für den Maskulismus ist er an dieser Stelle keineswegs.

Letztlich birgt das Thema Homosexualität enorme Sprengkraft für den Maskulismus, der gefangen ist im Spannungsfeld zwischen heteronorma­tiv-biologistischen Standpunkten  und bewegungsstrategisch-inkludieren­den Positionen. So ist abzuwarten, ob der Bezug auf Homosexuelle (Männer) die Szenerie tiefer zu spalten vermag.

Ohnehin sollte eine an Geschlechteremanzipation interessierte Pers­pektive den Maskulismus nicht aus den Augen verlieren. Er bleibt ein Gradmesser für gesellschaftliche Geschlech­terverhältnisse und die Bedrohung jeglicher Emanzipationsbestrebungen durch Modernisierung und  Resouveränisierung patriarchaler Männlichkeitskonzepte. Darüber hinaus liegt genau hier die Verbindung zu rechtsextremer Geschlechterpolitik, denn die Feindbilder ›lesbischer Feministinnen‹ und Bedrohungsszenarien ›zerstörter Familien‹ sowie ›entwerteter Männer‹ ähneln sich bis in die Haarspitze. So kann eine Kritik am Maskulismus aufgrund seines antifeministischen Gehalts auch gut ohne den direkten Verweis auf rechtsextremes Gedankengut auskommen. Doch die Gefahr, die sich aus dem breiten Schulterschluss von bürgerlichen und rechtsextremen Kräften gegen Feminismus und zur Stärkung patriarchaler Geschlechterverhältnisse ergibt, ist jede Achtsamkeit wert.