Zwei Bücher zur Antifa
Florian OsuchBernd Langer, langjähriger Antifaaktivist und einstiges Mitglied der Göttinger Gruppe Autonome Antifa M, hat ein Buch zur Geschichte der Antifaschistischen Aktion vorgelegt. Auf 266 Seiten, vielfach ergänzt durch Fotos und zeitgenössische Plakate, erzählt er die „Geschichte einer linksradikalen Bewegung“.
Das Buch gliedert sich in zwei Abschnitte. Im ersten Teil geht es um die Entwicklung der kommunistischen und sozialistischen Bewegung in der Weimarer Republik. Der KPD-Vorsitzende Thälmann formulierte zur Gründung der Antifaschistischen Aktion 1932, seine Partei strebe ein „überparteiliches Sammelbecken für alle zum rücksichtslosen Kampf gegen den Faschismus gewillten Arbeiter“ an.
Der zweite Teil widmet sich antifaschistischen Bestrebungen in Westdeutschland nach 1945. Langer legt den Schwerpunkt auf die Bewegung der Autonomen der 1980er Jahre und die folgende Dekade, als Antifaschismus „zur dominierenden Tendenz in der linksradikalen Szene“ im nun vereinigten Deutschland wurde. Die Autonomen bezogen sich auf den Antifaschismus der historischen KPD, da er auch immer „eine grundsätzlich antikapitalistische Strategie“ gewesen war, so der Autor. Dies sei der Grund weshalb „das Emblem der Antifaschistischen Aktion seine inspirierende Kraft nicht verloren hat und in den 1980er Jahren, umgestaltet und uminterpretiert, zum Zeichen einer neuen Bewegung werden konnte“.
Langer gibt Einblicke in Aktionen, Zerwürfnisse und auch Debatten der verschiedenen Antifagruppen. Die Darstellungen konzentrieren sich auf die 1980/90er Jahre. Neuere Entwicklungen, insbesondere die für die Antifabewegung bedeutsamen Mobilisierungen des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ in den Jahren 2010 bis 2013, werden nur am Rande erwähnt.
Auf die Geschichte des Antifaschismus in der DDR geht der Autor nicht ein, da dieser dort „nach Lesart der Sowjetunion Staatsdoktrin“ war. Es habe in Ostdeutschland weder eine außerparlamentarische Bewegung noch eine Antifaschistische Aktion gegeben. Keine Erwähnung finden die Aktivitäten unabhängiger Antifagruppen in der DDR, die sich zum Ende der 1980er Jahre zumeist im Schutz von Kirchen gründeten.
In „,Antifa heißt Luftangriff!‘ Regression einer revolutionären Bewegung“ gehen Autoren hart ins Gericht mit der antifaschistischen Bewegung. Eine „radikal linke Bewegung [tendiert] zum Rückzug in die machtgestützte Innerlichkeit des Bürgertums“, meint Herausgeberin Susann Witt-Stahl. Wie es dazu kommen konnte und wie es dem Neoliberalismus gelungen sei, „den revolutionären Antifaschismus zu neutralisieren“, soll in dem Band geklärt werden. Das Buch ist eine Streitschrift. Acht Beiträge haben Susann Witt-Stahl und Michael Sommer zusammengetragen. Anliegen des Duos ist eine „grundlegende Kritik an der hegemonialen Theorie und Praxis des Antifaschismus in Deutschland zu formulieren und eine überfällige Debatte anzustoßen“.
Zunächst irritiert der „Luftangriff“-Titel. Er bezieht sich auf eine Parole der antideutschen Strömung. Es ist zwar schon eine Weile her, doch bezogen sich einige antifaschistische Gruppen positiv auf alliierte Bombardements auf deutsche Städte während des Zweiten Weltkriegs, wie zum Beispiel im Zusammenhang mit Antifaprotesten in Dresden, oder auch auf Militäreinsätze in Gaza.
Die „unschöne Begleitmusik“ (Bernd Langer) kann als weitgehend ausgespielt bezeichnet werden. Viele antideutsche Gruppen dieser Strömung haben sich mittlerweile aufgelöst. Susann Witt-Stahl fehlt jedoch eine (selbst-)kritische Auseinandersetzung mit diesem Abschnitt der Antifa und eine Reflexion „mit dem sich beschleunigenden Neoliberalismusprozess des organisierten Antifaschismus und seiner zunehmenden Staatshörigkeit“. So habe der Kongress „Antifa in der Krise“ vom Frühjahr 2014 eine „kritisch-analytische Aufarbeitung von Fehlentwicklungen“ ausgeklammert. Kein einziger Programmpunkt des Kongresses sei dem „vom Westen unterstützten Vormarsch der militanten Ultranationalisten und Faschisten in der Ukraine gewidmet“ gewesen. Ein weiteres strittiges Thema war nur am Rand Thema: Die Überführung eines Teils der Bewegung in die sogenannte Staatsantifa. Auf dieses Phänomen geht Wolf Wetzel ein. Er weist darauf hin, dass ausgerechnet im Jahr 2000, als der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) den „Aufstand der Anständigen“ ausrief und millionenschwere Programme der Anti-Rechts-Arbeit aufgelegt wurden, das NSU-Netzwerk seine Mordserie begann.
Wetzel kritisiert auch die Gleichsetzung von radikalem Islamismus mit Faschismus. Einige Antifagruppen hätten so neue Bündnispartner bei den westlichen Alliierten in einer Anti-Hitler-Koalition 2.0 gefunden.
Dem Anspruch einer Streitschrift wird das Buch allemal gerecht.
Bernd Langer:
Antifaschistische Aktion. Geschichte einer linksradikalen
Bewegung, 266 S., 16 EUR, Münster 2014
Susann Witt-Stahl /Michael Sommer (Hrsg.):
„Antifa heißt Luftangriffe“ Regression einer revolutionären Bewegung
214 Seiten, 21 EUR, Hamburg 2014