Leipziger Zustände 2016
chronik.LESeit 2008 dokumentiert das Leipziger Projekt chronik.LE auf seiner Website faschistische, rassistische und diskriminierende Ereignisse in und um Leipzig. Alle zwei Jahre veröffentlicht es außerdem die Broschüre „Leipziger Zustände“. In der fünften Ausgabe vom Januar 2017 beschäftigen sich erneut eine Vielzahl von Aktivist_innen, Journalist_innen und Wissenschaftler_innen mit den Formen und Auswirkungen neonazistischen, rassistischen und menschenverachtenden Denkens und Handelns in der Region Leipzig.
Die Broschüre ist in fünf Schwerpunkte eingeteilt. Der erste bildet die Auseinandersetzung mit dem PEGIDA-Ableger Legida und seinen FürsprecherInnen in Medien, Politik und Zivilgesellschaft, wie zum Beispiel dem in Leipzig ansässigen Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer oder der CDU-Bundestagsabgeordneten Bettina Kudla, die immer wieder mit rassistischen Tweets auf sich aufmerksam macht. Im Kapitel „Neue und alte Rechte“ werden aktuelle Entwicklungen von Gruppen, Parteien und Personen analysiert, die sich Volksgemeinschaft, Rassismus und Diskriminierung zum maßgeblichen Teil ihrer Politik gemacht haben. Sehr informativ ist ein Rechercheartikel über den einflußreichen Neonazikader und ehemaligen NPD-Funktionär Maik Scheffler, der inzwischen als angeblicher Aussteiger in sächsischen Schulen den politischen Bildner gegen Rechts mimt. Sehr pointiert sind auch die Artikel zur AfD und der Entwicklung ihrer Wählerschaft. Das Kapitel „Rassismus“ widmet sich ausführlich den miserablen Alltags- und Lebensbedingungen, mit denen People of Color und Geflüchtete in Leipzig und Umgebung konfrontiert sind. Verschiedene Betroffene und deren Unterstützer_innen kommen in Interviews ausführlich zu Wort und berichten über menschenunwürdige Unterbringungsmethoden, strukturelle und institutionelle Diskriminierung und alltägliche Bedrohungen. Das Kapitel „Rechte Subkultur“ skizziert das umfassende Freizeitangebot für Neonazis und Rassisten im Bereich Sport und Musik und beinhaltet einen sehr lesenswerten wissenschaftlichen Artikel zur Verbreitung von Menschenfeindlichkeit im sächsischen Breitensport. Das Kapitel „Rechte Gewalt“ benennt Zahlen, Vorfälle und Hotspots rechter Gewalttaten in und um Leipzig, zeigt auf, wie Gewalt insbesondere gegen politische Gegner_innen und Geflüchtete als politische Strategie eingesetzt wird und welche Folgen das für die Betroffenen und ihre Unterstützer_innen haben kann.
Die Stärken der mit 84 Seiten prall gefüllten Broschüre liegen in der Qualität der Analysen, der kenntnisreichen Darstellung lokaler Erscheinungsformen menschenverachtenden Denkens und Handelns, dem weitreichenden Blick auf die unterschiedlichen Phänomene Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, insbesondere Rassismus, und dass die davon Betroffenen ihre Perspektiven einbringen. Gewiss, alle in Leipzig und Sachsen herrschenden Zustände auf- und anzugreifen kann in diesen Zeiten kaum gelingen. Dass Antisemitismus, Sexismus, LGBT-Feindlichkeit und Sozialdarwinismus kaum Berücksichtigung finden, ist trotzdem schade. Dennoch: „Leipziger Zustände“ ist eine sehr gelungene und beispielhafte antifaschistisch-antirassistische Lokalanalyse, die wir nicht nur unseren Leser_innen in Sachsen empfehlen.
Leipziger Zustände 2016
chronik.LE — Dokumentation und Analyse faschistischer, rassistischer und diskriminierender Ereignisse in und um Leipzig
84-seitige Broschüre, als PDF-Download unter www.chronikLE.org
Kostenlos, Versand gegen Porto