Das Netzwerk der Neuen Rechten – Wer sie lenkt, wer sie finanziert und wie sie die Gesellschaft verändern
Christian Fuchs Paul MiddelhoffIn „Das Netzwerk der Neuen Rechten“ wollen die beiden Journalisten der Wochenzeitung „Die Zeit“, Christian Fuchs und Paul Middelhoff, den Blick auf eine Bewegung von rechts werfen, die mit der AfD ihre bisher erfolgreichste Vertreterin in die Parlamente gebracht hat. In diesem Dunstkreis entwickelten sich zahlreiche weitere Zeitschriften, Verlage und Organisationen, die zum Teil schon seit Jahrzehnten aktiv sind. Im Untertitel heißt es: „Wer sie lenkt, wer sie finanziert und wie sie die Gesellschaft verändern“ und tatsächlich würde eine Beantwortung dieser Punkte das Buch zu einem wichtigen Nachschlagewerk machen. Leider erfüllen die beiden Autoren diesen selbstgesteckten Anspruch nicht.
Herausgekommen ist eine Skizzierung der aktuell relevanten Akteure und wie diese auf unterschiedlichen Ebenen zusammenarbeiten. Dem Buch fehlt dabei jedoch eine politische Kontextualisierung und gesellschaftliche Einordnung. Da verwundert es kaum, dass der Entstehungsgeschichte der sogenannten Neuen Rechten knappe drei Seiten eingeräumt werden und die Rolle konservativer Akteure und Debatten nicht mal mit einem Satz erwähnt wird. Zwar wird festgestellt, dass sich „die Gesellschaft im Kern verändert“ und die AfD „auf einigen Themenfeldern den politischen Diskurs“ bestimmt, die im Buch genannten AktivistInnen agieren aber weiterhin „am rechten Rand“. Eine gesellschaftspolitische Debatte, die für das Verständnis der neuen Bewegung von rechts zwingend scheint, wird so erneut in das Gewand der Extremismusideologie gehüllt. Der Verweis auf linke Feinde der Demokratie darf da nicht fehlen. Über „publizistische Persönlichkeiten“ des rechten Netzwerks, zu denen etwa Akif Pirincci, Roland Tichy oder Jürgen Elsässer gezählt werden heißt es, „sie sind ideologisch offener und weniger theoriefest als die Intellektuellen. Damit bieten sie auch Anknüpfungspunkte für die extreme Linke und stoßen so die Türen auf für eine sogenannte ‚Querfront‘ gegen die offene Gesellschaft.“ An welchen Beispielen Fuchs und Middelhoff sich hierbei orientieren bleibt unbeantwortet. Auch die Einordnungsversuche von Propagandaaktionen z.B. der „Identitären“ zeugen von einer ähnlichen Oberflächlichkeit. Demnach werden vermeintlich linke Konzepte adaptiert und bringen die Autoren zu Stilblüten wie „auch die Aktion ‚Defend Europe‘ (…) wirkt wie eine Kopie der Aktion des Greenpeace-Schiffes ‚Rainbow Warrior‘.“ Dass die einzige Gemeinsamkeit darin besteht, dass in beiden Aktionen jeweils ein Schiff vorkommt, muss die Annahme, „der Aktivismus wird oftmals nach dem Vorbild radikaler linker Antifa-Gruppen organisiert“ nicht zwangsläufig untermauern.
Von solch fragwürdigen Thesen abgesehen liegt das größte Ärgernis darin, dass die Autoren das Bild einer 270-seitigen Investigativrecherche mit Reisen von Halle bis nach Budapest entwerfen, ohne auch nur irgendetwas Neues zu Papier zu bringen. Es wird etwa über die Betreiberin des rechten Blogs radikal feminin „‘Franziska‘, die ihren Namen geheim halten möchte“ und ihr „Interview mit einer Szene-Zeitschrift“ berichtet. Dass „Franziska“ die Identitäre Annika Stahn aus Tübingen ist, wie das Rechercheportal „Tübingen rechtsaußen“ schon im März 2018 öffentlich gemacht hat und es sich bei der Zeitschrift um „Arcadi“, die im Buch sogar selbst vorgestellt wird, handelt, ist schnell herausgefunden. Fuchs und Middelhoff bedienen sich nicht nur hier der Darstellung eines quasi abgeschotteten konspirativen Bereichs, dem sie sich in journalistischer Kleinarbeit angenähert haben, nur um die eigene Rolle aufzuwerten. Durch das gesamte Buch ziehen sich Verweise auf vorherige Publikationen bzw. Einschätzungen und Recherchen anderer Autor_innen, auffällig ist allein die konsequente Negierung explizit antifaschistischer Recherchezusammenhänge. Gerade solchen Projekten Aufmerksamkeit oder Unterstützung zukommen zu lassen, dürfte jedoch gewinnbringender sein als die Lektüre dieses Buches.•
Christian Fuchs, Paul Middelhoff
Das Netzwerk der Neuen Rechten –
Wer sie lenkt, wer sie finanziert und wie sie die Gesellschaft verändern
Paperback
rororo
16,99 Euro, 288 Seiten
ISBN: 978-3-499-63451-2