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MOBILISIERBARE DEUTSCHE

eklat_ms

Mit Beginn des letzten Jahres breitete sich nicht nur das Virus SARS-CoV-2 rasant aus, mindestens ebenso schnell fand sich ab April 2020 eine reaktionäre Bewegung zusammen um vorgeblich gegen die staatlichen Maßnahmen der Pandemieeindämmung zu protestieren. Diese Szene aus selbsternannten „Querdenkern“ und „Corona-Rebellen“ führte sich im Gestus einer konformistischen Revolte vermeintlich subversiv auf und brachte dabei nicht nur ganz unterschiedliche Akteur_innen zusammen, sondern auch mehr als fragwürdige Führungspersönlichkeiten hervor.

Nicht immer wurde von den Beteiligten die Existenz des Virus geleugnet, wohl aber dessen pandemischer Charakter. Auch dadurch wurden die Proteste zu einem Schmelztiegel verschwörungsideologischer Erzählungen. Sind die Zahlen der Demonstrierenden zwar wieder rückläufig haben Antisemitismus, esoterische Welterklärungsmodelle und antidemokratische Reaktion eine Dynamik erfahren, die Antifaschist_innen noch länger beschäftigen wird.

Grund genug also einen Blick in die lesenswerte Broschüre der antifaschistischen Gruppe eklat_ms aus Münster zu werfen. Entgegen einer Reihe anderer Publikationen zum Thema wird hier weniger auf de Personen und organisatorischen Zusammenhänge der Pandemieleugner_ innenszene eingegangen, dafür schlaglichtartig die ideologischen Hintergründe beleuchtet.

Die Autor_innen vermitteln durch die gesamte Broschüre hindurch, dass es gerade aus linksradikaler Perspektive auch zukünftig darum gehen muss „Corona politisch zu be- und verhandeln.“ Grundlage der darin enthaltenden Kritik sind „Brüche zwischen kapitalistischer Produktion und Reproduktion“, die durch den Umgang mit der Pandemie sichtbarer und verstärkt wurden. Die aktuellen Krisenerscheinungen jedoch „sind eher Zeiten der spontanen kollektiven Regression, des Irrationalismus, des Autoritarismus und der konformistischen Rebellion (die meistens Hand in Hand gehen), was uns zur Abwehrarbeit zwingt.“

Anstatt nun die grundlegenden konstitutiven Widersprüche der bürgerlich-kapitalistisch Gesellschaft zu erkennen, kamen und kommen in der Pandemieleugner_innenszene vornehmlich verschwörungsideologische Ersatzerklärungen zu Wort, die jede Form gesellschaftlicher Analyse verunmöglichen. Die Bewegung selbst konnte somit aber auch gerade in der Anfangszeit der Proteste große Mobilisierungserfolge erzielen. Die Unbestimmtheit der Begriffe wirkte auf mehreren Ebenen, die damit verbundenen „Parolen selbst bleiben gegenstandlos und funktionieren eher als Schlachtruf und als Katalysator für Projektionen.“

Typisch für diese im Zuge der Coronapandemie auftauchenden Projektionen sind Verschwörungserzählungen die abstrakte und komplexe Sachverhalte mit dem Handeln Einzelner oder bestimmter Gruppen zu erklären versuchen. Die Autor_innen zeigen kompakt auf, wie sich auch aus dieser Motivation heraus mit den Protestformaten der Pandemieleugner_innenszene das Gefühl entwickelt, im Verbund mit anderen wieder Handlungsfähigkeit zu erlangen. Gleichwohl entspricht diese Personalisierung „der mythischen und kindischen Denkweise, die eine Intention hinter jedem Vorgang unterstellt“ und ist das Gegenteil rationaler Kritik.

In einem nächsten Abschnitt wendet sich die Broschüre den historischen als auch strukturellen antisemitischen Konnotationen von Verschwörungserzählungen zu. Zwei letzte Schlaglichter richten sich auf die antidemokratischen Züge der Pandemieleugner_ innenszene sowie dem von Beginn an präsenten esoterischen und spirituellen Milieus. Gerade aus diesem Milieu lassen sich auch eine Reihe von Forderungen und thematischen Schwerpunkten ableiten.

Relevant neben den Bereichen Bildung und Erziehung ist hier besonders die Impfgegnerschaft. Zwei Portraits von Aktivsten aus dem Spektrum der Pandemieleugnung schließen die Broschüre ab und sind trotz ihrer lokalen Spezifik auch auf andere Regionen übertragbar.

eklat_ms
MOBILISIERBARE DEUTSCHE
Eine politische Einordnung der „Corona Rebellen“
ISBN 978-3-96042-106-1 | 2-973 72 Seiten, 6,00 €
Edition Assemblage, Münster 2021