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Österreich: Kampagne gegen LGBTIQ*-Community

Markus Sulzbacher
Einleitung

Hass, der aktiviert und fanatisiert - Die aktuelle Kampagne gegen die LGBTIQ*-Community in Österreich.

11. Juni 2022: Mitglieder des "Ringes Freiheitlicher Jugend" demonstrieren mit anderen katholischen FundamentalistInnen in Wien gegen die Vienna-Pride.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban wusste, was er dem Publikum schuldig war. Als er Anfang August 2022 im texanischen Dallas auftrat, sprach er von einem „Kulturkrieg“ und rief zum Kampf gegen Liberale auf, die er mit Kommunisten gleichsetzte: „Wenn jemand Zweifel hat, ob progressive Liberale und Kommunisten dasselbe sind, fragt einfach uns Ungarn (...) Sie sind das Gleiche. Also müssen wir sie wieder besiegen.“ Das kam bei den Besucher:innen der „Conservative Political Action Conference“ an, einer Veranstaltung von und für Anhänger:innen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und Verschwörungsideologen.

Seit seine reaktionäre Politik regelmäßig von Fox-News-Moderator Tucker Carlson abgefeiert wird, wird Orban auch in den USA wahrgenommen. Besonders viel Applaus bekam Orban als er in Texas über die „traditionelle Familie“ sprach. „Wir brauchen weniger Dragqueens und mehr Chuck Norris“. Weltweit stürzten sich Medien auf diese Aussage, einige machten sie zur Schlagzeile. Besser konnte es für Orban kaum laufen.

Der Satz passte auch zu einer breit angelegten Kampagne der amerikanischen Rechten, in der LGBTIQ*-Themen, sowie deren Vermittlung mit einer Bedrohung gleichsetzt werden. Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche – kurz: queere – Menschen (LGBTIQ*) werden als Feinde dargestellt. Rechte halten es nicht aus, wenn die traditionelle Geschlechterordnung in Frage gestellt wird, da so angebliche Männlichkeitsideale ins Wanken geraten würden. Dadurch, dass sie in großen Teilen der Gesellschaft vorhandene Vorurteile und Mythen aufgreifen und verstärken, gelingt es der extremen Rechten auch, über ihr Milieu hinaus Menschen zuerreichen. Passend war auch die Erwähnung von US-Schauspieler Norris. Jeder kennt die Sprüche über seine Männlichkeit und Härte. Zudem ist Norris ist ein bekennender Konservativer, der mehrere christlich-fundamentalistisch angehauchte Bücher verfasst hat und Kolumnist der rechtsgerichteten Webseite World Net Daily ist.

Orban redet aber nicht nur. Das machte er im vergangenen Jahr deutlich, als er in Ungarn ein Gesetz zur Beschränkung der Information über Homo- und Transsexualität beschließen ließ. Dieses untersagt u.a. Bildungsprogramme oder Werbung von Großunternehmen, die sich mit Homo- und Transsexuellen solidarisch erklären. Auch Aufklärungsbücher darf es nicht mehr geben. Offizielles Ziel ist der Schutz von Minderjährigen. Er musste es nicht offen aussprechen, aber es war die infame Unterstellung, queere Personen wären „Pädophile“. Diese Verknüpfung ist eine Verschwörungserzählung, die häufig von reaktionären und rechtsextremen Kräften bemüht wird, um gegen LGBTIQ*-Personen zu hetzen. Es ist ein gruppenbezogener Hass, der aktiviert und fanatisiert.

Dies zeigte sich etwa am 11. Juni 2022 im kalifornischen San Lorenzo, als in der örtlichen Bücherei eine Dragqueen Story Hour, eine Kinderbuchlesung um Rahmen des Pridemonth, stattfand. Eine Truppe der extrem rechten Schlägergruppe „Proud Boys“ tauchte dort plötzlich auf und störte die Veranstaltung. Sie riefen schwulen- und transfeindliche Schimpfworte und bezeichneten die anwesende Dragqueen Panda Dulce als „pädophil“. Einer der „Proud Boys“ trug ein T-Shirt mit einem Gewehr und der Aufschrift „Kill your local pedophile“.

Wenige Tage zuvor versuchten „Identitäre“ in Wien eine Dragqueen Story Hour zu behindern. Sie mauerten den Eingang zur Bücherei mit einer (dünnen) Wand aus Betonbausteinen und PU-Schaum zu. Darauf zu lesen: „#nopridemonth“. Außerdem hinterließen sie dort Flyer, auf denen gegen die „sexuelle Propaganda“ gewettert wurde. Wenig später veröffentlichten sie im Netz Fotos und ein Video, die sie beim Mauerbau zeigen. Sie waren aber nicht die einzigen, die versuchten, die Lesung zu stören. Als die „Identitären“ bei der Bücherei eintrafen, war dort bereits ein Transparent auf der Eingangstüre mit der Aufschrift „Schützt unsere Kinder, gegen Knabenschänder“ angebracht. Dahinter stecken wiederum militante Neonazis. Vor der Veranstaltung mobilisierte fast die gesamte extrem rechte Szene gegen die Lesung, rief zu Protesten und dazu auf, „sexuelle Straftaten zu dokumentieren“. Besonders „Identitären“-Anführer Martin Sellner tat sich hervor, er wetterte auf Telegram tagelang gegen die Veranstaltung. Er schrieb davon, dass ein „schwules Fetischmodell“ minderjährigen Kindern aus „homosexuellen Kinderbüchern“ vorlesen wird und von der „Frühsexualisierung unschuldiger Kinder“.

Dabei zeigte sich wieder einmal, dass Sellner sich an Kampagnen und Habitus US-amerikanischer Rechtsextremer orientiert und nach Österreich bringt. Dabei hilft ihm, dass seine Frau Brittany Sellner aus den USA stammt und im extrem rechten Milieu verankert ist. Nachdem die Mauer vor der Bücherei rasch entfernt wurde, fand in Wien die Lesung der Dragqueen Candy Licious statt, es wurden nur Kinder und Eltern in die Bücherei vorgelassen. Candy Licious las die Geschichte von Julian vor. Julian, der Meerjungfrauen so sehr liebt, dass er am liebsten selbst eine wäre. Julian, der in der U-Bahn auf dem Nachhauseweg Frauen in Meerjungfraukostümen sieht und sich zu Hause als eine verkleiden will. Julian, der eine Oma hat, die ihn so akzeptiert, wie er ist.

Während der Lesung tauchten vor der Bücherei immer wieder Rechte auf, es waren jedoch auch zahlreiche Antifaschist:innen und Personen der queeren Community vor Ort. Diese konnte die Rechten vertreiben. Vor der Lesung meldete sich auch der FPÖ-Politiker Leo Kohlbauer zu Wort. Er wetterte gegen die Kinderbuchlesung, redete von „Sexualisierungspropaganda für kleine Kinder“ und meinte: „Es ist nicht zu akzeptieren, dass Kinder mit öffentlich finanzierter Globohomo-Ideologie indoktriniert werden.“ Dafür gab es Lob von den "Identitären" und anderen extrem rechten Gruppierungen. Kohlbauer hatte ihre Propaganda, ihre Wortwahl genutzt. „Globohomo“, steht für „global“ (oder „globalist“) und „homosexuell“ („homosexual“). Es ist ein szenetypisches Codewort, das aus dem englischen Sprachraum kommt. „Globalisten“ wird oft als Teil einer extrem rechten Globalisierungskritik verwendet, die hinter globalen wirtschaftlichen und politischen Vorgängen eine geheime Verschwörung wittert. Der Grundzug dieser Vorstellung ist eine totalitäre globale Regierung einer internationalen Elite, die die Menschheit versklavt und aussaugt. Auch hat sich „Globalisten“ bei extrem Rechten als Chiffre für „die Juden“ durchgesetzt.

In Wien zeigte sich, dass die extrem rechte Szene, von Neonazis über „Identitäre“ bis hin zu FPÖ, verstärkt gegen die Rechte von LGBTQ* Personen antritt, nachdem diese zuvor gegen Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Pandemie gemeinsam protestiert hatten. Angespornt werden sie besonders von transfeindlichen Diskussionen in Sozialen Medien, Beiträgen in ihnen nahestehenden Medien und Beiträgen in Zeitungen wie der „Welt“, in der Gastautor:innen von „Trans-Ideologie“ bei der Sendung mit der Maus oder einer angeblichen mächtigen „Trans-Lobby“ fiebern. Und natürlich von der Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der vielen in der Szene seit Jahren als Role Model dient.

Zehn Jahre ist es her, dass in Russland die ersten umstrittenen Gesetze gegen die offiziell so bezeichnete „Homo-Propaganda“ verabschiedet wurden. Verhindert werden sollten damit positive Äußerungen über gleichgeschlechtliche Liebe in Gegenwart von Kindern. 2013 verabschiedete Russlands Parlament ein landesweit gültiges Gesetz dazu, das nun deutlich verschärft werden soll: Auch Erwachsene sollen vorgeblich geschützt werden. Verbreitet sind in Russland in den Staatsmedien und bei führenden Politikern Hetze gegen Homo- und Bisexuelle, gegen Transgender und alles Queere überhaupt. Es ist üblich (politische) Gegner mit Homosexualität in Verbindung zu bringen, egal ob in Russland oder im Ausland. Vor der Besetzung der Krim im Jahr 2014, warnte russische Fernsehsender NTV vor einer „Homodiktatur“ in der Ukraine. Passend macht sich Kremlchef Wladimir Putin immer wieder über „nicht-traditionelle Beziehungen“ lustig. Er hat die Ehe zwischen Mann und Frau in der Verfassung verankern lassen - und zugesichert, dass es mit ihm an der Macht niemals eine „Homo-Ehe“ geben werde.