Die AfD-Jugend in Berlin
Nachdem sich die Aktivitäten der Berliner „Junge Alternative“ (JA) in den vergangenen Jahren auf das Produzieren von Videoclips für Soziale Medien beschränkte, wird aktuell aktivistischer in Erscheinung getreten.
Zwischen christlichen Werten und schlagenden Verbindungen
Beim AfD-Aufmarsch am 8. Oktober 2022 fiel vor allem der sich auffallend laut und aggressiv inszenierende JA-Block auf, aus dem zahlreiche migrationsfeindliche und gegen politische Gegner_innen gerichtete Parolen erklangen, die sonst vor allem zum Repertoire der „Identitären Bewegung“ (IB) gehören.
Dankbar aufgegriffen wurde auch die Berichterstattung der BILD-Zeitung und neurechter Social Media-Kanäle über eine für 2023 geplante Kita-Eröffnung in Berlin-Schöneberg. Unter Trägerschaft der Schwulenberatung und durch Einbeziehung queerer Erzieher_innen sollen hier u.a. Vorurteile gegen LGBTIQ*-Personen abgebaut werden. Befeuert wurde die queerfeindliche Debatte durch unzutreffende Berichte über die direkte Beteiligung eines zurückgetretenen Vorstandsmitglieds der Schwulenberatung, dem vorgeworfen wird, pädophile Positionen verharmlost zu haben.
Unter dem Kampagnen-Motto „PädoKita verhindern“ führte die JA am 29. Oktober 2022 eine Kundgebung mit etwa 40 Teilnehmenden unweit der im Bau befindlichen Einrichtung durch. Hauptinitiator war der im Mai 2022 zum neuen JA-Landesvorsitzenden gewählte Martin Kohler. Kohler begann seine politische Karriere bei der JA in Brandenburg bevor es ihn nach Berlin zog. Hier sitzt er als AfD-Verordneter in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf und ist Mitglied der „Burschenschaft Gothia“.1 Der Sohn einer rechten Pfarrer_innen-Familie2 fungierte bei der Kundgebung auch als Bindeglied zur anwesenden AfD-MdB Beatrix von Storch. Bereits bei dem christlich-fundamentalistischen „Marsch für das Leben“ im September 2022 waren beide zusammen anzutreffen.
Neben von Storch als Vertreterin ihres Vereins „Zivile Koalition“ durfte Michael Adam mit am Kampagnen-Transparent stehen. Adam ist vor allem als Teil des Vorstands der Interessengruppe „Christen in der AfD“ aktiv. Die repräsentative Reihe wurde neben dieser christlichen LGBTIQ*-feindlichen Clique ergänzt durch die Berliner AfD-Landesvorsitzende Kristin Brinker, dem ebenfalls im Landesvorstand beisitzenden JA'ler Alexander Bertram sowie dem aus der IB-Netzwerk kommenden JA-Mitglied Benjamin Austin.
Personell aufgefüllt wurde die Versammlung vor allem durch die eigens angereiste JA Brandenburg mit ihrer Vorsitzenden Anna Leisten. Nach längerer Auszeit trat als Ordner wieder einmal Phillip Zech in Erscheinung. Der Sportwissenschaftler engagierte sich bis 2020 im AfD-Bezirksverband Charlottenburg-Wilmersdorf und arbeitete unter dem Label „Deutsches Zentrum für Training“ selbstständig als Trainer in Fitnessstudios.
Was unter deutschem Training zu verstehen ist, zeigte sich dabei auch bei den konspirativen Kampfsporttrainings3 in Weißensee, an denen Zech neben (früheren) Anhängern der NPD und (früheren) IB-Aktivisten teilnahm.
Personell schließt sich damit erneut der Kreis der Berliner JA und ihren seit jeher engen Verbindungen zur „Identitären Bewegung“ (IB), (extrem) rechten Burschenschaften, religiösen Fundamentalist_innen und neonazistischen Strukturen. Nach einer gewissen Ruhe in den vergangen Jahren versucht die Berliner JA nun erneut, mit noch überschaubarem Erfolg, auf der Straße sichtbar zu werden und dabei nicht nur den wesentlich aktionsorientierteren Schwesterorganisationen wie dem Brandenburger Landesverband nachzueifern, sondern ebenso von steigenden Umfragewerten für die AfD zu profitieren.
- 1Vgl. AIB Nr. 120: Die „Korporierten in der AfD“
- 2Vgl. beltower.news: "Kirche und Rechtspopulismus „Kompromissloser“ Einsatz oder Symbolpolitik?" von Stefan Lauer, 26. Juni 2018
- 3Vgl. AIB Nr. 135: "Neonazi-Kampfsport in Berlin"