Antifa-Arbeit in den USA (1993)
Das „Center for Democratic Renewal“ (Zentrum für demokratische Erneuerung, CDR) ist trotz seines biederen Namens das wichtigste antifaschistische/antirassistische Dokumentations- und Koordinationszentrum in den USA, mit Kontakten zu hunderten von örtlichen Initiativen in allen Regionen des Landes. Seit Jahren dokumentiert CDR Entwicklungen in der rechtsradikalen Szene, schleust dort InformantInnen ein und berät Basisgruppen über Strategien, um Ku-Klux-Klan und anderen rechtsradikalen Gruppen vor Ort den Boden zu entziehen.
Das CDR sieht sich in der Tradition des linken Flügels der schwarzen Bürgerrechts-Bewegung in den USA und legt großen Wert auf "coalition building" vor Ort, d.h., auf die antifaschistische Kooperation schwarzer, jüdischer, schwulen und lesbischen, gewerkschaftlichen und explizit linken Zusammenhängen, eine Kooperation, die in den USA leider eine Seltenheit ist. Das Center verrügt über gute internationale Kontakte, in Europa vor allem zu der britischen antifaschistischen Monatszeitung Searchlight und war am 9. November letzten Jahres an der Mobilisierung für Protestaktionen an deutschen Botschaften und Konsulaten in mehreren, nordamerikanischen Städten beteiligt.
Das Center wurde 1979 unter dem Namen „National Anti-Klan Network“ gegründet, nachdem der rassistische Geheimbund Ku-Klux-Klan in den Jahren zuvor ein aufsehenerregendes Comeback feiern konnte und innerhalb weniger Monate bei Angriffen auf antirassistische Demonstrationen fünf Menschen ermordete und zahlreiche verletzte. Als während der 1980er Jahre der KKK seine führende Rolle in der rechtsradikalen Szene der USA allmählich einbüßte (andere Strömungen, wie offen neonazistische Organisationen, rechte Skinheads oder rechtspopulistische Gruppen und Einzelpersonen gewannen an Gewicht), benannte sich das Network in „Center for Democratic Renewal“ um.
Effective Community Responses
Die internationale Vernetzung antifaschistischer Initiativen hinkt noch immer hinter der internationalen Kooperation alter und neuer (Neo-)Nazis hinterher. Das vor kurzem von einem CDR-AutorInnenkollektiv veröffentlichte Handbuch - "When Hate Groups Come to Town" (A Handbook of Effective Community Responses) - bietet, obwohl es sich in erster Linie an ein US-amerikanisches Publikum richtet, auch für europäische AntifaschistInnen einen ausgezeichneten, in leicht verständlichem Englisch geschriebenen Einblick in die rechtsradikale Szene in den USA und die dortigen Debatten über antifaschistische Strategien.
In einem ersten Hauptteil gibt es einen knappen, aber umfassenden Überblick über die rechtsradikale Szene in den USA, mit kurzen Kapiteln über die wichtigsten Strömungen, Organisationen und Führungskader (dem Buch liegt ein plakatgroßes Diagramm über entsprechende Verflechtungen bei). Leider enthält das Handbuch wenig Informationen über internationale rechtsradikale Querverbindungen.
Das CDR betont wiederholt, daß organisierte Rechtsradikale nicht als extremistische Randerscheinungen betrachtet werden sollten, sondern deren historische und aktuelle Rolle als "Stichwortgeber" für den institutionalisierten Rassismus des US-amerikanischen "mainstreams" analysiert (und bekämpft) werden muß. Insofern ist der Titel des Handbuchs etwas unglücklich gewählt: "Haßgruppen" (ein in den USA gängiger Begriff, der rassistische, antisemitische, frauen- und schwulen/lesben-feindliche Strömungen zusammenfaßt) kommen eben nicht quasi von außen "in die Stadt", sondern sind dort längst präsent.
Nach der weitgehenden Zerschlagung bewaffneter neonazistischer Gruppen Anfang der 1980er Jahre durch das FBI hat die radikale Rechte in den USA die Bandbreite ihrer Strategien bedeutend ausgeweitet: Vor allem Wahlkandidaturen wie die des rechtsradikalen David Duke und die Kooperation mit christlichen Fundamentalisten haben an Bedeutung gewonnen. Entsprechend ausgeweitet haben sich auch die Diskussionen in antifaschistischen Initiativen um Gegenstrategien, die den Schwerpunkt des Handbuch bilden.
Das Handbuch schöpft aus dem reichhaltigen Erfahrungsschatz des CDR und diskutiert anhand von erfolgreichen oder mißlungenen Fallbeispielen die Vor- und Nachteile (jeweils auf die konkrete Situation bezogen) der verschiedenen Vorgehensweisen in der antifaschistischen Praxis: von juristischen Schritten und gesetzlichen Regelungen gegen rechtsradikalen Terror, bis zu den Aktionen anti-rassistischer Skinheads, von der Arbeit im US-amerikanischen Farmgürtel oder in kirchlichen Initiativen, bis zur Verteidigung von indianischen Communities oder arabischer EinwanderInnen, gegen rechtsradikale Angriffe und Hetzkampagnen.
Obwohl z.B. die Erörterung juristischer Schritte nicht unmittelbar auf BRD-Verhältnisse übertragbar ist, bietet das Handbuch doch einen guten Einblick in die US-Diskussion. Das Buch enthält eine Fülle von detaillierten praktischen Tips (von der Einrichtung antifaschistischer Archive bis zu Sicherheitsvorkehrungen bei der Antifa-Recherche) und einen ausführlichen Anhang mit Adressen antirassistischer und antifaschistischer Gruppen und Institutionen in den USA, sowie eine Literaturliste.
Center for Democratic Renewal;When Hate Groups Come to Town: A Handbook of Effective Community Responses. Atlanta 1993 (190 Seiten Großformat)
Das Handbuch ist für 25 US-$ (einschl. Porto) beim CDR, P.O. Box 50469, Atlanta, GA 30302 erhaltlich.