Ende Mai 1993 - Eine dunkle Woche deutscher Politik
Die letzte Maiwoche, die Woche vor Pfingsten 1993, ist eine weitere dunkle Woche in der jüngeren deutschen Geschichte: Am Mittwoch, den 26. Mai 1993 beschließt der Deutsche Bundestag mit Zwei-Drittel-Mehrheit de facto die Abschaffung des Grundrechte auf Asyl; einen Tag später einigt sich die Koalition auf die Einführung einer Pflegeversicherung, die zudem auf Karenzlagen aufbaut, nebenbei verkündet Finanzminister Waigel noch seine Sparvorhaben; und schließlich, am 28. Mai, erklärt das Bundesverfassungsgericht das neue Abtreibungsrecht für ungültig.
Die Grundgesetzänderung zum Asyl wird von Neonazis gleich am Wochenende mit einer Reihe von Aktionen beantwortet, die den Auftakt zu einer Welle von neuen Brandanschlägen bilden. Einer dieser Aktionen fallen fünf türkische Frauen und Mädchen zum Opfer. Die Brandanschläge sind als deutliches Signal der Szene zu lesen, die damit unseres Erachtens die nächste Phase bei der militanten Verbreitung ihres Rassismus einleiten: Nach der massenhaften Mobilisierung gegen Flüchtlinge nun der gezielte Angriff auf die »etablierteren« ImmigrantInnengruppen. Die Wiederbelebung des militanten Rassismus ist schrittweise angegangen worden. Solingen wird in einem anderen Artikel dieses Heftes behandelt. In diesem Artikel werden die gesellschaftspolitischen Weichenstellungen der politischen Führung Thema sein.
Die Abschaffung des Asyls
Die Konsequenzen aus dem Kompromiß zum Grundgesetz Art. 16, die in der faktischen Abschaffung des Asyls durch Einführung des Art.16 a bestehen, haben wir detailliert in der letzten Nummer dargestellt. Zusammenfassend heißt das:
- Abschiebung in »sichere Drittländer« trotz Asylantrages
- Deutschland ist für Flüchtlinge auf dem Landwege nicht mehr zu erreichen
- auf dem Luftwege erreichen nur noch Flüchtlinge mit gültigem Paß Deutschland
- Flucht wird noch mehr zu einem Privileg der Reichen
- die Chancen für verfolgte Frauen, nach Deutschland zu kommen, werden noch geringer.
Die faktische Abschaffung des Asyls, die Zustimmung der SPD hierzu, kann die Rechte als vollen Erfolg für sich verbuchen. Nachdem nacheinander CSU, CDU-Rechte, CDU, FDP und schließlich SPD auf die flüchtlingsfeindliche Abschottungslinie, die von den rechten und profaschistischen Ideologen vorgezeichnet wurde, einschwenkten, sprechen heute nicht einmal mehr die Grünen/Bündnis 90 oder die PDS von einem »Bleiberecht für alle« oder fordern die konsequente Öffnung der Grenzen.
Flüchtlinge bleiben isoliert
Der Widerstand gegen diesen Schritt blieb klein. In Bonn gab es zwar eine größere Blockade des Bundestages, doch war die Beteiligung angesichts einer langfristigen bundesweiten Mobilisierung eher ein Zeichen für die Isolation der Gegner der Asylrechtsänderung. In Berlin kam diese Isolation ganz deutlich zum Ausdruck. Eine kleine Demonstration, an der nur zur Hälfte Deutsche teilnahmen, machte klar, wie isoliert gerade die Flüchtlinge sind.
Sparen für die nationale Einheit
Die Bonner Koalition hat sich auf eine Pflegeversicherung geeinigt. Sie bedeutet einen "Anschiss" für die Lohnabhängigen. Um die Unternehmer sanft zu behandeln, um ihnen die geplante Einführung einer Pflegeversicherung schmackhaft zu machen, will die Regierungskoalition zu ihrer Finanzierung sechs Karenztage einführen, d.h. daß Lohnabhängige entweder bis zu sechs Krankheitstage im Jahr als Urlaub anrechnen lassen müssen, oder aber auf Lohn verzichten müssen. Die Wirtschart lehnt diese Regelung ab, da die Lohnnebenkosten durch Karenztage nicht sinken würden, während die Pflegeversicherung die armen Unternehmer zusätzlich belaste. Sämtliche Gewerkscharfen, von DGB bis zur Katholischen Arbeitnehmerbewegung und dem Deutschem Beamtenbund kündigten Protest gegen die Pflegeversicherung an. Die ÖTV will streiken. Diese neue Form der Finanzierung ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der, seit langem schrittweise betriebenen und seit dem Anschluß der DDR forcierten, Zerschlagung des Sozialstaates.
Es ist wohl kein Zufall, daß Theo Waigel am selben Tag Sparvorhaben verkündete. Ende Juni sind diese Maßnahmen konkretisiert worden. Kernstück sind Kürzungen im sozialen Bereich einerseits, Arbeitszeitverlängerungen für Beamte andererseits. In Sachsen protestierten LehrerInnen (die unter Zeitverträgen stehen und darum streiken dürfen) bereits Ende Juni gegen eine Arbeitszeiterhöhung von täglich einer Stunde. Die Kürzungen in sozialen Bereichen werden besonders an Arbeitslosen- und Sozialhilfe vorgenommen. Dies geschieht in einer Zeit, in der schon die Bundesregierung ankündigt, daß es 700.000 Entlassungen geben wird. Der Berliner Senat gehört zu den einigsten Sparern. Die Berliner BeamtInnen sollen wieder fast 40 Stunden arbeiten müssen.
Solche Entscheidungen haben immer Rückwirkungen auf die allgemeine Entwicklung der Arbeitszeit Stellenabbau in der öffentlichen Verwaltung sind ein weiterer Bestandteil. Einsparungen am maroden Nahverkehrsnetz bei gleichzeitiger Gebührenerhöhung, Vergrößerung der Kita-Gruppen (bei gleichzeitigem gesetzlichen "Gebärzwang" - s.u.), Privatisierung öffentlicher Freizeiteinrichtungen, diastische Einsparungen bei den Selbsthilfegruppen treffen vor allem die »kleinen Leute«.
Daneben wird die elitäre Bildungspolitik, die Zerschlagung der beiden West-Unis in ihrer bisherigen Form forciert. Für besondere Furore sorgte der Entschluß, zwei Theater und ein Orchester zu schließen. Der Tagesspiegel kommentierte ungewohnt scharf am 24.6.: »... Kahlschlag mit einer auffälligen und unguten Tendenz. Unangetastet bleibt die Spitzenkultur, gestrichen wird die Arbeit in die Breite.« Auf Druck westlicher Schauspieler regt sich hier pressewirksam Protest. Die Abwicklung und Auflösung zahlreicher Kultureinrichtungen der ehemaligen DDR vollzog sich weniger spektakulär. Gegen einige dieser Entscheidungen hat sich in Berlin punktueller Widerstand entwickelt. Neben verschiedenen Uni-Instituten ist eines der beiden Theater besetzt. Die ErzieherInnen an den Kitas waren wieder im Streik.
Verfassungsgericht: Frauen müssen gebären
Allen Erwartungen entsprechend verkündete der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts am 28. Mai, die Gesetzesnovelle zum § 218 sei verfassungswidrig und damit ungültig. Der 2.Senat umfasst, bis auf eine Frau, nur Männer, einige von ihnen sind überzeugte Katholiken oder aktive »Lebens-Schützer«. Diese Entscheidung steht in der Tradition der bundesdeutschen Verfassungsgerichte, die bereits 1975 eine Fristenlösung ablehnten und damit die bislang im Westen gültige Praxis der Indikationsregelung erzwangen - schon damals gegen die (knappe) Bundestagsmehrheit. Die Indikationsregelung gewährte unter bestimmten Voraussetzungen die Stellung einer sozialen Indikation. In diesen Fällen wurden Abtreibungen von den Krankenkassen finanziert Die Gewähr, daß die Möglichkeit zur Abtreibung nicht ausschließlich vom Geld abhängt, fällt in der derzeit gültigen Übergangsregelung weg.
Gegen die Fristenlösung in der DDR, die seit 1974 in Kraft war und nun abgeschafft wird, bedeutet die Indikationsregel einen reaktionären Zustand. In der DDR konnten Frauen bis zur zwölften Woche jederzeit einen Abbruch vornehmen lassen. Eine Beratung war möglich, aber freiwillig. Beratungsinstitute sind darauf festgelegt, die schwangere Frau zur Austragung des Kindes zu überreden. Bis Dezember können die zur Zeit tätigen Einrichtungen weiter beraten. Dann ist damit zu rechnen, daß etlichen progressiven Einrichtungen die Zulassung aberkannt wird. Davon könnte z.B. »pro familia« betroffen sein. Schon jetzt ist es aber zum Beispiel in ganz Ost-Berlin so, daß nur zwei Beratungsstellen kirchenunabhängig sind.
Die für ungültig erklärte Gesetzesnovelle hat im Bundestag wie in der deutschen Bevölkerung eine Mehrheit hinter sich. Diese Neuregelung, die die Fristenregelung der alten DDR aufhebt und hier einen Rückschritt darstellt, gegenüber der westdeutschen Indikationsregelung einige fortschrittliche und einige rückschrittliche Elemente enthält, anerkennt nach wie vor nicht das Recht von Frauen auf Selbstbestimmung und eigenverantwortliche Entscheidung über Abtreibungen. Wir fordern weiterhin die ersatzlose Streichung des § 218 Strafgesetzbuch.
Die derzeit geltende Übergangsregelung zu Abtreibungen:
Bis zur Neuregelung hat das Verfasungsgericht eine bundesweit geltende Übergangsregelung festgesetzt, die seit dem 16. Juni 1993 gilt. Demnach bleibt eine Abtreibung in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten straflos, wenn sie von einem Arzt auf Verlangen der Frau vorgenommen wird. Der Nachweis einer Beratung mindesten drei Tage vor dem Abbruch muß von der Frau erbracht werden; sie muß von einer anerkannten Beratungstelle vorgenommen sein, welche verpflichtet ist, die Frau in Richtung Austragung zu beraten. Die alten Beratungsstellen dürfen nur noch bis Ende des Jahres beraten, dann gelten detaillierte Richtlinien des Verfassungsgerichts für die Zulassung der Stellen. Krankenkassen dürfen (!) nur noch für den Abbruch zahlen, wenn die Frau vor Gericht »beweisen« konnte, daß sie vergwaltigt wurde, gesundheitliche Gefährdung der Mutter oder nicht behebbare Schädigung des Kindes besteht (kriminologische, medizinische oder embryopathische Indikation).
Es besteht die Mögichkeit, daß das Sozialamt zahlt, auch wenn die Frau mit ihrem Einkommen über dem Sozialhilfesatz liegt, In Berlin gilt im Westen: Frauen müssen noch Abzug der Miete weniger als 1450,- DM zur Verfügung haben. Im Osten sind es 1250,- DM. Pro Kind erhöht sich der Betrag jeweils um 407,-. Es kommt dabei nicht auf das Einkommen der Familie, sondern ausschließlich der Frau an. Vorgelegt werden müssen nur die eigenen Einkommensnachweise ind. Wohn- und Kindergeld und die letzte Mietquittung. Neben- und Folgekosten des Eingriffes zu tragen, haben die Krankassen versprochen. Eine Möglichkeit der Finanzierung kann auch die »Frauenkasse« sein. Über die Voraussetzungen können wir derzeit nicht informieren, eine Adresse liegt uns auch nicht vor. Leser und Leserinnen, die spenden möchten, zahlen unter dem Kennwort »Frauenkasse< auf das Konto der Ärztekammer Berlin bei der Apotheker und Ärztebank.
Gegenwehr
Vor dem Urteil, am 28. Mai und um das Inkrafttreten der Übergangsregelung herum gab es einige Demonstrationen. Die Demonstrantinnen und z.T. auch Demonstranten blieben weitgehend isoliert, die Aktionen schlecht besucht. Der öffentliche Sturm der Entrüstung blieb aus. Ein Zeichen nicht für Zustimmung der Frauen, sondern für Resignation. Insbesondere männliche Spitzenpolitiker, wie Stolpe, Kohl und Schäuble, aber auch Bundesfrauenministerin Angela Merkel forderten, unabhängig von ihrer jeweiligen Einschätzung des Urteils, dazu auf, es zu respektieren.
Es fällt auf, daß die meisten Kritikerinnen und Kritiker des Urteils bewußt oder faktisch, in ihrer konkreten Politik dieser Aufforderung nachkommen. Die Möglichkeiten, durch öffentlichen Druck auf eine Abschaffung des § 218 zu drängen, werden nicht weiter erwogen. Statt dessen wird versucht, aus der beschissenen Situation noch das Beste zu machen, sich mit der neuen Rechtslage einzurichten. So versuchen etwa engagierte Ärztinnen und Ärzte und die Berliner Ärztekammer das Gesetz legal zu unterlaufen. Etwa indem - inhaltlich voll zu Recht — der Begriff der medizinischen Indikation auf Gefährdung der psychosozialen Situation ausgeweitet wird.
Auch ein Teil der Frauenbewegung reagiert ähnlich. Kurz nach dem Urteilsspruch wurde eine Frauenkasse gegründet, die Frauen bei der Finanzierung des Abbruches unterstützen will. So nötig diese Einrichtung wohl werden wird: auch sie ist ein Versuch, die unerträgliche Situation erträglicher zu machen. Damit bleibt es für die Frau bei einer individuellen Lösung des Problems. Für beide Reaktionen gilt, daß die Spitze der Forderungen abgebrochen bleibt: Die offensive Einforderung des Selbstbestimmungsrechtes der Frauen. Durch diese Forderung war der § 218 in den 1970ern in die öffentliche Diskussion gerückt worden, in einer Zeit, in der gesellschaftspolitische Themen von links bestimmt und vorgegeben wurden. Aber seitdem ist die gesamte Linke erstarrt. Auch darum sind die reaktionären Kräfte der Gesellschaft in die Gegenoffensive gegangen. Die Mischung aus Chauvinismus, »neurechter« Agitation und katholischer Reaktion, die sich in den »Lebensschutz«-0rganisationen zusammenfand, drängte die emanzipatorische Initiative der Frauenbewegung im Lauf der 1980er zurück. Bereits vor fünf Jahren war es auf der Grundlage dieser Politik möglich, die Prozesse von Memmingen durchzuführen.
UNO-Missionen und starke Sprüche
Chronologisch stellt der Aurtritt des neuen bayerischen Ministerpräsident Edmund Stoiber auf dem "Sudetentag" in Nürnberg den Abschluß der von uns beschriebenen Woche dar. Die "Sudetendeutschen" fordern massiv in die Tschechei zurückkehren zu dürfen. Die weltweit erstarkte Rolle Deutschlands macht's möglich. Durch dieses Erstarken konnte Deutschland die EG und USA zur Anerkennung der Unabhängigkeit von Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina drängen.
Damit wurde, wie US-Außenminister Christopher unlängst erklärte, die Situation in Jugoslawien enorm angeheizt. Britische und französische Politiker schlössen sich Christophers Einschätzung an. Es wird immer deutlicher, daß die Bundesregierung eigene außenpolitische Ziele offensiver verfolgt. In diesem Interesse wird es nötig werden, außenpolitisch auch militärisch agieren zu können. Schrittweise werden die Formen des Einsatzes der Bundeswehr ausgeweitet Prinzipiell ist die Rechtmäßigkeit jetzt durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt worden, lediglich gezielte Kampfeinsätze bleiben grundgesetzlich verboten. Aber die Einsätze werden die deutsche Bevölkerung an Militäraktionen gewöhnen, bis schließlich ein immer größerer Teil auch Kampfeinsätzen zustimmen wird, bis eine Grundgesetzänderung durchgesetzt werden kann. Butros Ghalis Forderung nach deutscher Beteiligung in Ostafrika gilt als bestellte Aktion.
Die Forderung nach einem Sitz im Sicherheitsrat wird innenpolitisch genutzt werden, um Kampleinsätze zu ermöglichen. In einer Zeit, in der die UNO es zu ihrer Aufgabe macht, als Weltpolizei überall militärisch zu intervenieren, kann die Regierung dann gut begründen, warum Kampfeinsätze »unter dem Dach der UNO« legal sein müssen.
Was tut die Linke?
Die Politik der BRD gegen Flüchtlinge hat nur geringen Widerstand hervorgerufen. Immerhin hat es Demonstrationen und Aktionen gegeben. Der Protest gegen das Urteil zum §218 blieb defensiv. Das Thema ist aber noch keineswegs vom Tisch. Möglicherweise wird in der nächsten Phase, wenn die Neuregelung auf der Tagesordnung steht, der Widerstand größer und offensiver sein. Die Sparabsichten, die Zerschlagung des Sozialstaates haben jedenfalls verschiedene Einzelbewegungen hervorgebracht. Doch die Bedingungen für einen breiten Widerstand sind denkbar ungünstig. Jeder bisherige Ansatz des Widerstands wird im Sommerloch unterbrochen. Gelingt es in dieser Zeit den Regierungen Fakten zu schaffen, so kann es sein, daß die Initiativen nicht wieder aufgenommen werden. Oft ist dann auch die Luft raus.
In den vergangenen beiden Jahren hat die Politik das Sommerloch wirksam benutzt, um die Unzufriedenheit und den Zorn der Bevölkerung mittels des weit verbreiteten deutschen Rassismus gegen Flüchtlinge zu lenken. Dieses Mittel wird aus verschiedenen Gründen so nicht zu nutzen sein.
Angesichts der Wahl 1994 muß die Regierung die Grundgesetzänderung als Erfolg verkaufen; dem dienen die Zeitungsartikel über rückläufige Flüchtlingszahlen. Die Terrorwelle gegen TürkInnen aufzugreifen, ist der Regierung nicht möglich. Im Gegenteil liegt es im außenpolitischen Interesse, besonders gute Beziehungen zur türkischen Regierung zu halten. Eine Möglichkeit wäre, den Zorn gegen links zu lenken, noch besser: gegen ausländische Linke. Eine solche Terroristenhatz würde aber nicht annähernd so »effektiv« von den sozialen Problemen ablenken, wie es die Pogrome der letzten beiden Jahre getan haben. Angesichts des Terrors in Folge des Solinger Mordanschlages probte die Regierung eine besonders »intelligente« Politik, für die Kohl berüchtigt ist: das Nicht-Verhalten oder Aussitzen.
Diese Strategie wird diesmal nicht reichen. Unter günstigen Bedingungen, wenn wir als Kraft präsent wären, läge hier eine Chance und Aufgabe für die politische Linke. Die Bündelung der isolierten Kämpfe, die richtungsweisende Initiative ist die zentrale Rolle, die wir einzunehmen hätten. Für die Antifa hieße das konkret, die Zusammenhänge zwischen Sozialabbau, Kapitalinteresse, Außenpolitik einerseits, zwischen frauenfeindlicher Ideologie und Politik, Rassismus und Abschottung sowie neofaschistischer und nationalistischer Propaganda und terroristischer Aktivität bewußt zu machen. Das setzt eine Einbettung in die laufenden sozialen Kämpfe voraus.
Bedauerlicherweise ist die fortschrittliche Kraft, die diese Katalysatorfunktion übernehmen könnte, kaum in Sicht. Im Gegenteil verabschiedet sich ein großer Teil der politischen Linken geradezu aus der deutschen Politik. In einer Gesellschaft wie der deutschen, auf dem Hintergrund von weit verbreitetem Rassismus, heißt das den Neonazis das Feld zu überlassen. Das Einschwenken auf eine nationalrevolutionäre, vorgeblich sozialrevolutionäre Linie durch einen großen Teil der Neonazi-Gruppen macht diese Bedrohung noch gefährlicher.