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Reaktionäre Mobilisierung - Dem Vaterlande zum Geburtstag

Ein (Meinungs)-Kommentar zur aktuellen politischen Entwicklung
Einleitung

Nun befinden wir uns bereits im vierten Jahr der neuen deutschen Glücklichkeit. Von der Euphorie des einig DM-Vaterlandes ist nur noch wenig zu spüren, statt dessen hält dieses Land direkten Kurs auf die Etablierung der Traditionen Preußen- und Hitler-Deutschlands. Der nationale Grundkonsens wurde mit der Abschaffung des Asylkompromisses durchgesetzt und die Haltungen der »demokratischen Opposition«, von Gewerkschaften bis SPD, triefen von ewiggestriger Volksgemeinschaftsideologie.

Foto: PHCM Terry Mitchell; NAID 6495646

Der deutsche General Klaus Naumann in der US-Botschaft in Mogadischu Ende Dezember 1992.

Die Benennung des sächsischen Rechtsaußenpolitikers, Steffen Heitmann - CDU, zum Bundespräsident-Kandidat, ist kennzeichnend für die weitere Ausrichtung der Politik. Er faselt von Überfremdung und Mutterschaftsrolle und fordert, endgültig einen Schlußstrich unter die deutsche NS-Vergangenheit zu ziehen. Nach den Jahren der nationalen Euphorie und der rassistischen Offensive wird der Sinn und Zweck deutschnationaler Politik sichtbar.

Ein Zitat aus einem Kohl-Vortrag beim Arbeitgeberpräsidenten Klaus Murmann gibt Aufschluß über die Rückbesinnung auf die Werte Preußendeutschlands:

»Aus guter Kameradschaft« versprach er »dem lieben Herrn Murmann« und den »alten Freunden Alfons Horten und Philip von Bismarck«, dass er zum »eisernen Sparen« und zur Leistungsanpassung der »Leistungskraft unserer Volkswirtschaft« an eine veränderte Welt entschlossen ist. Um dahin zu kommen, müsse aber »ein ungewöhnlich triviales Verständnis des Begriffes Selbstverwirklichung« ausgemerzt und ersetzt werden »durch Gemeinsinn«, denn »ohne Tugenden hat das Land keine Zukunft: Treue zu Sachen und Personen, Zuverlässigkeit, Fleiß ... Dienen-Können ist eine Grundvoraussetzung«; die »sehr viel mit der ökonomischen Lage des Landes zu tun« habe, »denn, sie (lieber Herr Murmann) können ohne geistig-moralische Grundlagen auf Dauer keine ... Marktwirtschaft gestalten

Es geht an die Umsetzung der totalen Macht des Kapitals und die Mehrheit der deutschen ArbeiterInnen haben sich selbst entwaffnet, indem sie der rassistischen Hatz zustimmten. Die Gewerkschaften sehen ein, dass die ArbeiterInnen zugunsten der Kapitalistinnen den Gürtel enger schnallen müssen und die größte Einzelgewerkschaft der Welt, die IG Metall, bietet schon im Vorfeld der nächsten Tarifrunde den Verzicht auf Lohnerhöhungen an. Die Kalikumpel von Bischofferode werden von ihrer Gewerkschaft "IG Bergbau und Energie" im Stich gelassen und nur von fortschrittlichen GewerkschaftlerInnen unterstützt. Unser "Stahlhelm-Politiker" Helmut Kohl (CDU), der seit seiner frühen Jugend für die BASF gearbeitet hatte, macht sich für seine Gönner stark und sichert die Schließung der Kaligrube von höchster Stelle ab.

Begonnen hatte dieser Kurs nicht erst mit der deutschen Vereinigung. Die "konservative Wende" von 1982 hatte sich zum Ziel gesetzt, Preußendeutschland zu restaurieren und damals erkannt, dass Nationalismus vor allem für eines gut ist: Für die unbeschränkte Herrschaft und den Profit. 1981 seien nur 21 Prozent der Westdeutschen »sehr stolz« darauf gewesen, »ein Deutscher zu sein«. Das wurde von dem CDU-nahen Allensbach Institut für sehr bedenklich gehalten, denn es gebe »Einflüsse des Nationalbewußtseins auf andere Werthaltungen, insbesondere auf die Leistungsbereitschaft im Bereich der Arbeitswelt und auf die Verteidigungsbereitschaft« wieder.

»Ich will nicht die Luft über den Stammtischen atmen, ich will sie bestimmen.« (Wolfgang Schäuble, CDU)

Über 15.000 rassistische Anschläge und 64 Morde seit der deutschen Vereinigung sprechen eine deutliche Sprache, mit welcher Vehemenz dieser Kurs durchgesetzt worden ist. Nachdem die westliche Republik über Jahre die Minderheit der Neonazi-Gruppen meistens geschont oder gar geschützt hatte, wurden sie nun zueiner Art inoffiziellen Bündnispartner erhoben — die Pogrome von Rostock und Hoyerswerda und das Umgehen der Justiz mit den (Neo)Naziverbrechern lassen kaum noch einen anderen Schluß zu.

Im wesentlichen haben sich nicht die Neonazis der konservativen Politik, sondern die konservative Politik hat sich den Neonazis genähert. Dafür steht nicht nur der schlesienstämmige Innenminister Manfred Kanther, der die CDU für »Republikaner wählbar machen« will, sondern auch seine Innenstaatssekretäre, die teilweise der Braunzone zuzurechnen sind:

- Eduard Lintner (CDU) ist Mitglied der revanchistischen »Sudetendeutschen Landsmannschaft« und bezeichnete 1988 die Grenzen von 1937 als Ausgangspunkt für die territoriale Ausdehnung Deutschlands (FAZ 19.2.1988).

- Horst Waffenschmidt (CDU) ist Vorstandsmitglied des "Verbandes für das Deutschtum im Ausland" (VDA, siehe AIB-Artikel) und hat sich vor allem für die versteckte Landnahme Deutschlands in Rußland stark gemacht und die Entstehung einer deutschen Wolgarepublik gefördert.

Diesem Innenministerium wird eine herausragende Rolle zufallen, wenn es 1994 darum geht, dass Wahlkampfthema Nr.1, Innere Sicherheit, vom Zaun zu brechen. Zwar stand dieses Thema in den wöchentlichen Meinungsumfragen im August 1993 noch auf Platz 37 der politischen Themen, die als wichtig erachtet werden, aber die Regierung hat ja schon beim Asylthema gezeigt, wie nachjustiert oder gar manipuliert werden kann.

Die Bundeswehr hat den ersten Schritt zum militärischen Eingreifen außerhalb der deutschen Grenzen gemacht, in dem sie sich unter dem Deckmantel »humanitärer« Hilfe nach Somalia senden ließ. Noch ist das politische Gewicht Deutschlands im Weltmaßstab nicht so groß, um die Pläne der Bundeswehrführung und des Kriegsministers Volker Rühe (CDU) umzusetzen, einen einseitigen Kriegseinsatz gegen die Serben zu fahren. Im NATO-Rat wurde die deutsche Initiative überstimmt und vorerst wird das deutsche Heer nicht wieder gegen Belgrad marschieren. Um festzustellen, welcher Geist heute in der Bundeswehr weht, muß man sich nur ein Zitat vom Chef des deutschen Generalstabs Klaus Naumann auf der Zunge zergehen lassen: »Zu Ende geht eine Periode, die in der französischen Revolution von 1789 ihren Anfang hatte. (...) Sie geht zu Ende, weil Ideologien, die nur leben können, wo sie mit der Mischung von Lüge und Wahrheit arbeiten können, in einer durch moderne Kommunikation vernetzten Welt keinen Platz mehr haben

Gemeint ist die Tradition der Aufklärung, des Humanismus und der Menschenrechte und alles was auf die Grundlagen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, aufbaut. Das Projekt eines imperialistischen Deutschland soll nach Außen und Innen mit aller Macht durchgesetzt werden.

Reaktionäre Mobilisierung

Die tödlichen Polizei-Kugeln, die Wolfgang Grams in Bad Kleinen trafen, waren symbolisch auch gegen alle diejenigen gerichtet, die sich dieser Entwicklung nicht fügen wollen. Als „Panne“ wird hierbei offenbar nicht die Quasi-Hinrichtung betrachtet sondern die schlechte Presse, die die „Grenzschutzgruppe 9“ (GSG 9) der Bundespolizei darauf erhielten. Staatliche Stellen hatten zuvor eine politische Lösung mit der RAF ausgeschlagen und das mit dem Todesschuss von Bad Kleinen symbolisch unterstrichen.

Widersetzen !

Höchste Zeit, mit allen Menschen, die sich einem neuen "Preußenstaat" widersetzen, nach neuen Wegen zu suchen. Widerstand ist nötig und machbar. Die alten Zöpfe an der Macht verbreiten den Modergestank der Junker, die heute ihren nach 1945 enteigneten Besitz zurückverlangen, der Ludendorffs, Wilhelms und Bismarcks, der IG-Farben-Ausschwitz und der Technokraten im Stile der NS-Herrschaft.

Unser Kampf dagegen geht weiter und es liegt auch an uns, ob die Idee von der Befreiung des Menschen durch den Menschen von der politischen Bildfläche dieses Landes verschwindet oder nicht. Wir werden weiter gegen Ausbeutung, (Neo)Faschismus, Rassismus, Patriarchat und Krieg kämpfen und gleichzeitig nach einem alternativen Gesellschaftsmodell suchen.

Es ist höchste Zeit, mit allen Menschen, die im In- und Ausland durch dieses neue "Preußendeutschland" bedroht sind, zu einem gemeinsamen Widerstand zu gelangen. Es liegt dabei an uns, aus den Fehlern der linken Bewegungen zu lernen, um nicht in ein überkommenes K-Gruppen-Modell zurückzufallen oder andererseits sich enttäuscht in sektenähnliche »linke« Gruppen abzusondern, die ich-bezogenen elitären Blödsinn verbreiten.

Den Kopf oben zu halten ist gewiss nicht leicht in einer Zeit, in der die reaktionäre Mobilisierung die Herzen und Köpfe vieler Menschen erobert hat, und viele von uns mit dem täglichen Kampf gegen Neonazibanden beschäftigt sind. Von dem Kurs der Herrschenden dieses Landes ist auf Dauer nur Krieg und Vernichtung zu erwarten.