Das "Info" hat Geburtstag
Einige Menschen aus dem AIB KollektivIhr haltet die 25. Ausgabe des Antifaschistischen Infoblattes (AIB) in der Hand. Begonnen haben wir Anfang 1987, als deutlich ein Wiedererstarken der (Neo)Nazis sichtbar wurden. Wir haben zwar in dem Rechtsruck eine Gefahr gesehen, doch dass es so heftig in so kurzer Zeit wird, damit hat ehrlich gesagt von uns keine/r gerechnet.
Wir begleiteten 1988 die ersten europaweiten Aktionstage, als der „Front National“ (FN) in Frankreich ihren ersten großen Wahlsieg errang. Es war deutlich, dass dieses Beispiel auch in anderen Ländern Schule machen würde, die Neonazis international vernetzt sind und dass auch wir uns international organisieren müssen. Seitdem arbeitet das Antifaschistische Infoblatt (AIB) eng mit antifaschistischen Zeitungen und Initiativen in Europa und Nordamerika zusammen. Dadurch wurde Öffentlichkeit im Ausland über die Vorgänge in Deutschland hergestellt und die BRD-Regierung unter Druck gesetzt - antifaschistische Gruppen aus der Ex-DDR wurden durch Mittel einer internationalen Spendenkampagne unterstützt.
Die ersten Ausgaben des Infoblattes erschienen noch zweisprachig in deutsch und türkisch. Unser Ziel war der Aufbau einer internationalistischen Bewegung auch hier, zusammen mit Allen die von Rassismus und (Neo)Faschismus betroffen sind. Danach gaben wir zwei Ausgaben mit zwei Redaktionen in deutsch und türkisch heraus, die sich eng aufeinander beziehen sollten. Danach verloren wir uns aus den Augen, zurückgeblieben war ein uneingelöster Anspruch.
In der letzten gemeinsamen Ausgabe untersuchten wir als eine der ersten Zeitungen die Partei der „Die Republikaner“ (REPs) und titelten noch: »Sie kommen nicht durch!«. Sie kamen bei den Berliner Wahlen 1989 doch mit 7,5 Prozent der Stimmen durch. Wir erreichten, zusammen mit zahlreichen anderen antifaschistischen Initiativen, dass Parteichef Franz Xaver Schönhuber sich von den in der NS-Szene organisierten Personen abspaltete, da er auf das demokratische Mäntelchen Wert legte. Wenn wir sie schon nicht stoppen konnten, so haben wir wenigstens den Parteiaufbau um Jahre verzögert.
Mit den ersten großen Wahlerfolgen der extremen Rechten, gegen die in Westberlin die bis dahin größte Antifa-Bewegung auf die Straßen ging, stellten sich für uns neue Fragen. Wir starteten, um gegen ein Randproblem der Gesellschaft vorzugehen. Nun wurde überdeutlich, dass wir mit einem zentralen Problem der Gesellschaft konfrontiert sind. Klar war, dass es nicht ausreichen würde, die Neonazis direkt zu bekämpfen, ohne dass eine Perspektive einer linken fortschrittlichen Bewegung greifbar ist. Mit Verhinderungsaktionen gegen Parteitage oder Treffen können wir als Minderheit den Neonazis zwar immer noch Schaden zufügen, aber einen gesamtgesellschaftlichen Rückfall in die Barbarei können wir so nicht stoppen.
Das gilt gerade auch für die heutigen Auseinandersetzungen, deshalb bemühen wir uns auch, auf andere Auseinandersetzungen Bezug zu nehmen. Der größte Teil der linken und demokratischen Kräfte wollte das Problem des um sich greifenden (Neo)Faschismus und Rassismus nicht ernst nehmen und beruhigte sich selbst mit der Feststellung, das sei alles eine Übergangserscheinung. Diese »Vogel-Strauß-Haltung« zieht sich teilweise bis heute durch. Als auch bis dahin fortschrittliche Menschen nach dem Fall der Mauer eine neue schöne Zeit anbrechen sahen, hielten wir dagegen und konnten diesen Optimismus nicht teilen. Oft waren wir selbst verunsichert und mußten uns fragen, ob wir nur einfach unverbesserliche Pessimistinnen sind. Die Linke in Ost und West zerfiel, die Ost-Bürgerbewegung fand sich größtenteils nicht in der neuen Realität zurecht und der Zerfall der West-Linken wurde beschleunigt, als das wiedervereinigte Deutschland sein häßliches Gesicht zeigte.
Wenn die alte Linke zerfällt, muß eben eine neue aufgebaut werden, unseren Beitrag sehen wir u.a. in der Erstellung dieses Blattes. Nach anfangs zähen Auseinandersetzungen haben wir neue FreundInnen im uns bis dahin fast unbekannten Osten gefunden. In diesen Auseinandersetzungen, bei denen es teilweise ziemlich geknallt hat, haben auch wir uns verändert und alte Fehler reflektiert. Die Sympathie für stalinistisch geprägte Organisationen und deren »einfache« Lösungen tendiert gegen Null, gerade wenn wir uns das hinterlassene (geistige) Trümmerfeld in Osteuropa ansehen.
Das Buch, "Drahtzieher im braunen Netz", an dem auch Mitglieder unserer Redaktion beteiligt waren, stellte unsere bislang weitverbreiteste Veröffentlichung dar. Das Buch steht heute in vielen Zeitungsredaktionen und hat viele Veröffentlichungen zu dem Thema beeinflußt. Im Nachwort sind die Ergebnisse der Ost-West Diskussion festgehalten.
Das Pogrom von Hoyerswerda und insbesondere die Beteiligung und Zustimmung aus der „unpolitischen“ Bevölkerung war auch für uns ein Schock, der eine neue Qualität der Eskalation markierte. Spätestens da war deutlich, dass wir einer Front von Neonazis, Staat und erheblichen Teilen der Bevölkerung gegenüberstehen und dass wir (Neo)Faschismus und Rassismus weiterhin als Minderheit bekämpfen müssen. Ob Rostock, Mölln, Solingen, Fulda oder Halbe.
Doch was bleibt übrig, außer das zu schreiben und zu vertreten was richtig und notwendig ist? Große Illusionen von schnellen Erfolgen gehören der Vergangenheit an und wir freuen uns schon über die kleinen Siege. Wenn ein Neonazi-Jugendclub auf Grund unserer Berichte geschlossen wird, wenn Neonazis in ihrer Arbeit gestört werden oder sich ein Bewußtsein über die Zusammenarbeit von Staat und Neonazis verbreitet. Wir freuen uns, unser Material in zahlreichen Artikeln und Veröffentlichungen wiederzufinden, auch wenn das Antifaschistische Infoblatt oft nicht als Quelle genannt wird. Und besonders freuen wir uns, wenn wir mitkriegen, dass euch die Zeitung weiterhilft.
Besonders gefreut haben wir uns über die Entstehung neuer regionaler Antifa-Infos und Zeitungen in den letzten Jahren und einer verbesserten bundesweiten Zusammenarbeit. Begonnen hatten wir als Westberliner Zeitung, die sich im Lauf der Jahre zur bundesweiten entwickelt hat. Unsere Verbreitung geht über den Antifa-Kreis hinaus und die Auflage steigt. Dabei stoßen wir fast an die Grenzen einer kollektiv hergestellten Zeitung, die ohne Professionelle auskommt, da wir natürlich nicht nur am Computer hocken und Akten wälzen.
Dabei wollen wir natürlich auch euch nicht vergessen. Die vielen Zuschriften und Berichte, die täglich bei uns eingehen, machen eine bundesweite Zeitung überhaupt erst möglich. Ein herzliches Dankeschön geht besonders an die AntifaschistInnen, die regelmäßig und verbindlich Artikel für das Antifaschistische Infoblatt schreiben.
Auf die nächsten 25. Bleiben wir weiterhin lebendig und unbequem.