International gegen Rassismus in Westeuropa
Vom 5. bis zum 7. Februar 1988 fand in Stockholm eine internationale Antirassismus-Konferenz statt. Anwesend waren Gruppen und Organisationen aus Schweden, Norwegen, Dänemark, Belgien, Frankreich, England und BRD/Westberlin, unter anderem VertreterInnen vom Antifaschistischen Infoblatt (AIB). In allen Länder wurden bzw. werden die Rechte und die Lebensbedingungen der EinwanderInnen und der ausländischen ArbeiterInnen erheblich verschlechtert. Das Recht auf politisches Asyl wird überall demontiert und gleichzeitig wird eine rassistische Stimmung gegen ethnische Minderheiten verbreitet. Je stärker die Arbeitslosigkeit steigt, desto stärker werden die Minderheiten für die wirtschaftlich geschaffene Situation verantwortlich gemacht. In dieser Stimmung, die überall von der Presse geschürt, von den Unternehmerverbänden erwünscht und von den Regierungen in Gesetze gegossen wird, wachsen die Verbände der organisierten (Neo)faschisten. Rassimus ist überall die Grundlage, auf der sich Neonazis breit machen.
England
Die EngländerInnen von der „Antifascist Action“ und „SOS Racism“ berichteten, daß in den britischen Gesetzen schon seit den 1930er Jahren ein Unterschied gemacht wird zwischen weißen und farbigen Bürgern des Commonwealth: die Weißen können frei ein- und ausreisen, die Farbigen nicht. Dieses Jahr wird das Einwanderungsgesetz erheblich verschärft, so z.B. durch Zuzugssperre für Familienangehörige. Dagegen wird es am 6. März eine landesweite Demonstration geben, die u.a. auch von der Gewerkschaft im öffentlichen Dienst „National and Local Government Officers' Association“ (NALGO ) unterstützt wird. In England gab es 1986 etwa 70.000 rassistische Überfälle. Die "National Front" (NF) hat zwei Organisationen: eine NF und eine NF-Sympathisanten Gruppe mit zusammen etwa 5.000 Mitgliedern. Sie sind relativ stark in den Vorstädten, wo hauptsächlich weiße arbeitslose Jugendliche leben. Bei Wahlen wählen die Rassisten meistens Margaret Thatcher, weil sie massiv gegen Farbige hetzt. Doch es gibt Gruppen, die auf der Straße und mit antirassistischer Öffentlichkeitsarbeit dieser Entwicklung entgegentreten. So die „Antifascist Action“, die englische „SOS Racism“ (die sich sehr von der französischen „SOS Racisme“ unterscheidet) oder die Zeitung „Searchlight“, die Neonaziaktivitäten und deren Hintergründe veröffentlicht. Letztes Jahr ist es z.B. der „Antifascist Action“ gelungen, mit Protest und Widerstand einen Kneipenwirt zum Hinauswurf der Neonazi-Skinheads zu bewegen, die dorthin aus ganz Europa gekommen waren.
Ein hauptamtliches Mitglied der britischen Gewerkschaft im öffentlichen Dienst (NALGO) in West Sussex, wurde von der englischen Zeitung „Searchlight“ als führender Neonazi der „National Front“ (NF) enttarnt. Daraufhin ist er sofort aus dem Amt geflogen. Außerdem berichtete „Searchlight“ über verschiedene Versuche der NF, sich an Streik-Komitees zu beteiligen, mit der Forderung nach Zusammenschluß der „weißen Arbeiter“.
Dänemark
Die dänischen AntifaschistInnen erzählten über den Terror einer neonazistischen Jugendgruppe namens „Grönjacken“ („Grünjacken“) in Kopenhagen und die Reaktion der Stadtverwaltung darauf, die die AusländerInnen aufforderte, wegzuziehen. Außerdem über die Situation von AusländerInnen an den Schulen und über die verschärften Asylgesetze. Die Abschiebungen von Flüchtlingen ist dort ein Hauptproblem, das Asylgesetz scheint dem bei uns ziemlich ähnlich zu sein. In dieser Situation fangen Neonazi-Organisationen sich zu organisieren an, obwohl Dänemark von den deutschen Nazis besetzt war. Auch dort formiert sich eine Antirassismus- Bewegung, die schon Demonstrationen in Kopenhagen gegen die Neonazi-Banden organisiert hat.
Schweden
Die schwedische Organisation „Stoppa Rassismen“ hatte diese Konferenz organisiert. Als Reaktion auf rassistische Übergriffe gegen Flüchtlinge haben sie sich 1982 gegründet mit mittlerweile 20 lokalen Gruppen, die selbständig arbeiten, aber in dem landesweiten Verband zusammengeschlossen sind. Übereinstimmung haben alle Mitglieder mit folgenden Punkten: Gleiche Rechte für Alle, Stop dem Rassismus, Verteidigung des politischen Asylrechts, Solidarität von Schweden und AusländerInnen. Auch in Schweden gibt es (neo)faschistische Parteien die rassistische Hetze betreiben. Oder z.B. Bürgermeister die sich weigern, AsylbewerberInnen aufzunehmen. Auch einen Straßenterror von neofaschistischen Jugendgangs gibt es, darunter viele Skinheads. 1986 wurde von so einer Jugendgang ein junger Schwede umgebracht, der Einwanderern helfen wollte. Am 30. November 1987 verhinderte „Stoppa Rassismen“ eine Demonstration von mehreren Hundert Neonazis in Stockholm, indem sie von drei Seiten den Versammlungsplatz blockierte und die Neonazis nicht in die Innenstadt ließen. Die Aktion war gut vorbereitet, daß auch die Polizei überrascht war. In den mehreren Stunden, wo die Neonazis auf dem Platz stehen mußten, wurden sie immer frustrierter und fingen an sich untereinander zu prügeln.
Frankreich
Aus Frankreich waren Vertreter von „SOS-Racisme“, der MRAP ("Mouvement contre le racisme et pour l'amitié entre les peuples") und einer Organisation von EinwanderInnen FASTI ("Fédération des Associations de Solidarité avec les Travailleurs Immigrés") da. Sie berichteten, daß die Demontage des Recht auf Einwanderung noch nicht so weit fortgeschritten ist wie in anderen Ländern, daß jedoch der Rassismus bedrohliche Formen angenommen hat. Circa 50 Tote jährlich sind Opfer rassistischer Überfälle von „BürgerInnen“ und Polizei. Der „Front National“ (FN) hat in manchen Stadtbezirken 30 Prozent der Stimmen und agieren rassistisch und z.T. auch (neo)faschistisch. Das können SOS und MRAP nicht offen sagen, ohne vor Gericht gezerrt zu werden. Vor einiger Zeit wollte die rechte Regierung des Kabinett Chirac, die Gesetze für EinwandererInnen verschärfen, doch sie mußte das Vorhaben wieder zurückziehen. Die Schüler- und Studentenbewegung mobilisierte gegen diese Verschärfung, nachdem sie sich bereits erfolgreich gegen die Verschlechterung der Ausbildungsgesetze gewehrt hatte. Am 23. April 1988 sind französische Präsidentschaftswahlen, wo auch Le Pen von de, „Front National“ zur Wahl steht.
„SOS Racisme“ will propagieren, daß man Le Pen nicht wählen soll und FASTI will eine Kampagne starten, in der dargestellt wird, das Le Pen ein (Neo)Faschist ist und deswegen bekämpft werden muß. Denn Le Pen, Führer des "Front National" (FN), hat etwa den nationalsozialistischen Holocaust als ein "nebensächliches Detail des 2. Weltkriegs" bezeichnet. Die Mehrheit der Wählerschaft der Gaullisten von Jaques Chirac lehnt jede Übereinkunft mit Le Pen ab. Premierminister Chirac erklärte, daß er nie eine Koalition mit der FN eingehen würde. Bei den Kommunalwahlen kurze Zeit später in Marseille bekamen die Gaullisten im ersten Wahlgang 36 Prozent, die Sozialisten 29 Prozent und die FN 18 Prozent der Stimmen. Le Pen rief seine WählerInnen auf, sich der Stimme zu enthalten - so gewannen die Gaullisten die Wahl im zweiten Wahldurchgang. Das Ziel Le Pens war dabei, herauszustellen, daß die Gaullisten die Präsidentschaftswahlen im April nur mit Unterstützung der FN gewinnen können.
Norwegen
Die größte antirassistische Demonstration in der Geschichte Norwegens fand im Dezember 1987 in Oslo statt, organisiert vom „Antirassistik Senter“. 5.000 Menschen demonstrierten gegen die Verschärfung der AusländerInnengesetze. In den letzten Jahren hat sich die Stimmung gegen Flüchtlinge erheblich verschlechtert. Eine gegen Einwanderer eingestellte „Fortschrittspartei“ gewann bei lokalen Wahlen einige Sitze und erhielt 13 Prozent der Stimmen.
Der Aktionstag
Am Europäischen Aktionstag, der in Stockholm beschlossen worden ist, soll es folgende Aktivitäten geben: Am 23. April 1988 wird in London eine Demonstration von der französischen Botschaft zum britischen Innenministerium organisiert. Es sollen Bilder von farbigen BürgerInnen mitgeführt werden, die Opfer des Rassismus von aufgehetzten „BürgerInnen“, Neonazis oder der Polizei geworden sind. Die Demonstration wird auch von der Gewerkschaft NALGO unterstützt einigen Labourabgeordneten und von der „Antifascist Action“ organisiert. Angeführt werden soll der Zug von Flüchtlingsgruppen, die den Ausbau des Asylrechts fordern werden.
Am 23./24. April 1988 findet in Brixton (London) ein Konzert gegen Rassismus und Faschismus statt, auf dem u.a. "Sade", "the Blow Monkeys" und "Style Council" spielen. Im Londoner Bezirk Southall, einem hauptsächlich von Indern bewohntem Stadtteil, findet ebenfalls ein Konzert gegen Rassismus und Faschismus statt es spielt die Raggae Gruppe "Misty".
In Dänemark gibt es eventuell ein Konzert, daß die in Stockholm anwesenden Gruppen gemeinsam organisieren wollen und eine Aktion gegen die Ausländerpolizei. In Schweden wird eine antirassistische Filmwoche in Gotenburg geplant mit anschließender Demonstration. Weitere Aktivitäten sollen noch in anderen Städten organisiert werden.
In Frankreich wollen die VertreterInnen der anwesenden Organisationen am 23. April 1988 nicht demonstrieren, weil es in Frankreich demokratische Sitte ist, sich 48 Stunden vor der Wahl nicht mehr politisch zu äußern. Außerdem äußerte der SOS-Vertreter die Befürchtung es könnten sich „Minderheitengruppen“ unter die Demonstration mischen und „Krawall“ anzetteln. So soll es am 22. April 1988 eventuell eine Erklärung von Antirassistischen Organisationen geben. FASTI wird eine Plakataktion durchführen mit der Losung „Le Pen darf nicht durchkommen“ und außerdem noch einige andere Aktionen, die mit der europäischen Kampagne verbunden werden sollen. Sie wollen auch eine Delegation nach London schicken, um an der Demonstration teilzunehmen. Diese Berichte über den Aktionstag sollen direkt nach Frankreich geschickt werden, sie werden dort verbreitet.