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Westberlin Chronologie 1988

Einleitung

Hier wollen wir in chronologischer Form über Neonaziaktivitäten und antifaschistische (Gegen)Aktionen berichten. Um einen möglichst vollständigen Überblick geben zu können, bitten wir euch um Unterstützung. Wenn ihr z. B. Neonaziüberfälle beobachtet habt oder in euren Bezirken, an Schulen und in euren Betrieben verstärkt neonazistisches Propagandamaterial und Schmierereien auftauchen, schreibt uns eine kurze Notiz (wer/was/wann/wo) an unsere Kontaktadresse oder wendet euch an das antifaschistische Nottelefon.

Bild: Faksimile aus "die tageszeitung" vom 9. Mai 1988

2. März 1988
Bundesweite Razzien gegen die neonazistische Organisation „Die Bewegung" bzw. den „Mosler Flügel“ der „Freiheitlichen Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) anläßlich der Haftentlassung Michael Kühnens. Kurz danach soll laut Augenzeugenberichten der Berliner FAP-Anhänger Reinhard G. Kisten aus dem rechten Skinhead-Laden „Halloween“ in Berlin-Charlottenburg getragen haben.

8. März 1988
Die NPD/JN-nahe Zeitung „Denkzettel“ wird vor dem Humbolt- Gymnasium in Berlin-Tegel verteilt.

11. März 1988
Überfall von Neonazis-Skinheads auf eine chilenische Frau in Berlin (DDR). Nach gelungener Gegenwehr der Frau flüchten die Neonazis-Skinheads.

21. März 1988
In der Nacht auf den 22. März wird die Scheibe des Ladens des Allgemeinen Bildungsvereins in der Berlin-Charlottenburger Holtzendorffstr. eingeworfen. Am Tag danach klebt ein Aufkleber der "Nationalistischen Front" (NF) am Laden.

10. April 1988
In der Nacht zum 11.4.1988 werden erneut die Scheiben des Ladens in der Holtzendorffstr. eingeworden.

12. April 1988
In der Nacht zum 13.4.1988 wird das Jugendfreizeitheim „Geschwister Scholl Heim“ mit Hakenkreuzen und Naziparolen beschmiert.

14. April 1988
Ein Antifaschist der sich gegen eine Zusammenrottung der JN gestellt hatte, wird in einer Berufungsverhandlung zu hoher Geldstrafe verurteilt.

16. April 1988
In Neukölln werfen Neonazis-Skinheads eine Brandflasche gegen ein Haus, in dem eine Fete stattfand, bei der sie wegen Randalierens rausgeschmissen wurden.

22. April 1988
Anklage gegen drei JU-Mitglieder wegen neonazistischer Äußerungen und Verhaltens auf einer Reise zum Hambacher Schloß im Mai 1985. Auf der Gemeinschaftsreise der CDU-Jugendorganisation zur Rede von US-Präsident Ronald Reagan gröhlten sie laut „Der Spiegel“ (Nr. 44/1987) „Heil Hitler“ und „Ausländer raus“.

23. April 1988
Die NF-Zeitung „Klartext“ mit einem eingelegten "Deutsche Jugend Initiative" (DJI)-Flugblatt wird am Theodor Heuss Platz verteilt. Das DJI-Flugblatt wird auch am Ernst Reuter Platz verteilt. Antifaschistische Jugendliche werden im U-Bahnhof Friedrichstrasse von Neonazis und Skindheads angegriffen. Beginn der „Aktionstage gegen Faschismus, Rassismus und Sexismus“. Auftakt mit einer Demonstration an der sich 3.000 Menschen beteiligen.

29. April 1988
Eine Veranstaltung des NPD-Kreisverbandes Berlin Süd wird von AntifaschistInnen verhindert.

3. Mai 1988
Ein Treffen der rechten Partei „Die Republikaner“ in der Länderallee in Berlin-Westend wird verhindert. Daraufhin wird das Treffen verlegt. Die Polizei geht gegen protestierende AntifaschistInnen mit Schlagstöcken vor, welche das Treffen bei der Ex-REP-Landesvorsitzenden Ute Witt vermuten.

4. Mai 1988
In der Nacht zum 5. Mai wird die „Beethoven Schule“ in Berlin-Lankwitz von der NF mit Naziparolen vollgesprüht.

5. Mai 1988
Neonazis beobachten eine antifaschistische Veranstaltung in der „Beethoven Schule“.

7.Mai 1988
Überfall auf das „Blockschock“ am Südstern. 25 bis 30 Neonazis aus den Kreisen des Hertha BSC Fanclub „Endsieg“ - darunter laut Augenzeugen-Berichten bekannte Gesichter wie Thomas K. und Jan Claudius Th. – greifen drei mal an. Beim dritten Mal werfen sie einen Brandflasche in die Hofeinfahrt und flüchten. Von AntifaschistInnen verfolgt, flüchten sie zu ihren in der Lilienthalstrasse geparkten Autos und entkommen nur knapp. Später werden in Berlin-Tempelhof Leute von Neonazis gejagt .

8. Mai 1988
Veranstaltung von AntifaschistInnen im „Geschwister Scholl Jugendheim“ über den zunehmenden Rechtsradikalismus in Berlin-Spandau. Ein Jugendlicher wird in Berlin-Mariendorf von dem FAP-Aktivisten Oliver Sch. bedroht und geschlagen. Mittags beobachten Neonazis die antifaschistische Kundgebung auf dem ehemaligen Gestapogelände in Berlin-Kreuzberg.

11. Mai 1988
Etwa 15 Neonazis versammeln sich am Teufelsee.

14. Mai 1988
Protestversammlung von AntifaschistInnen gegen den Auftritt von Ernst Nolte in der Urania. Die Schaufensterscheibe des Frauenbuchladens „Labrys“ in Schöneberg wird eingeworfen. Anhänger der NF treten als „Freundeskreis Ulrich von Hutten“ auf und verteilen Flugblätter an der „Hütten-Oberschule“ in Berlin-Lichtenrade. Die neonazistische Schülerzeitung „Denkzettel“ wird an der „Albert Schweizer Oberschule“ in Berlin-Neukölln und der Rheingau- und der Paul Natrop Oberschule in Berlin-Friedenau verteilt.

15. Mai 1988
Brandanschlag auf das alternative „Grips Theater“ in Berlin-Moabit. Etwa 15 Neonazis versammeln sich am Wannsee.

18. Mai 1988
Der „Denkzettel“ wird an der „Ernst-Abbe Schule“ in Berlin-Neukölln verteilt.

19. Mai 1988
Der 'Denkzettel' wird an der „Albrecht Dürer Schule“ in Berlin-Neukölln verteilt.

27. Mai 1988
Die Scheibe des Ladens in der Holtzendorffstrasse wird in der Nacht auf den 28. Mai zum dritten Mal eingeschmissen. Oliver Sch. und zwei weitere FAP'ler lauern einem jugendlichen Antifaschisten auf, der Angriff kann jedoch zurückgeschlagen werden. Die „Republikaner“ verteilen Flugblätter am Rathaus Neukölln. Eine linke Kneipe in Kreuzberg 61 wird von einer bürgerwehrähnlichen Truppe kurz und klein geschlagen.

4. Juni 1988
Überfall von zehn Neonazis auf einen türkischen Imbiss im U-Bahnhof Krumme Lanke. Daran beteiligt sind mindestens ein FAP'ler und ein Sympathisant der NF – auf einem Foto wird Thomas G. identifiziert. Die rechte „Ökologisch-Demokratische Partei“ (ÖDP) verteilt in der Berlin-Neuköllner Karl-Marx-Strasse vor der Kneipe „Quelle“ Propagandamaterial. Die „Republikaner“ verteilen ihre Werbung an der Potsdamer Ecke Kurfürstenstrasse

11. Juni 1988
Die REPs verteilt den extrem rechten „Pluspunkt“ vor der „Rheingau Oberschule“ in Berlin-Friedenau. Die Verteiler wurden bereits erwartet. Die meisten SchülerInnen warfen das Blatt in den dafür bereitgestellten Müllsack. Neonazis überfallen eine Gruppe von Studenten am S-Bahnhof Großgörschenstrasse.

13. Juni 1988
Zehn Neonazis sind beim Prozess gegen den FAP-Aktivisten Oliver Schweigert anwesend. Draußen fotografiert der Neonazi Günter Bernburg die vom Prozess ausgeschlossenen AntifaschistInnen. Abends wird Oliver Schweigert am (noch) besetzten Kubat-Dreieck gesehen.

16. Juni 1988
Die „Republikaner“ verteilen zusammen mit DJI'lern Flugblätter auf dem Straßenfest in der Berlin-Lankwitzer Wedellstrasse. Überfall von Neonazis-Skinheads auf Leute im Tiergarten.

17. Juni 1988
Marsch der „Deutschen Burschenschaft“ zum Brandenburger Tor . Gegenkundgebung von AntifaschistInnen vor der Philharmonie. Abends treiben sich wieder Neonazis am Kubat-Dreieck rum.

23. Juni 1988
Das Mahnmal zur Erinnerung an die Ermordung von Rosa Luxemburg wird in der Nacht zum 24. Juni mit Neonazi-Parolen beschmiert.

25. Juni 1988
Tagung der „CAUSA“1 einer antikommunistische Organisation der Mun-Sekte (eigentlich Moon-Sekte von Sun Myung Moon) in Berlin-Tegel im Hotel Novotel. Neben dem Begründer der rechten und antikommunistischen „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ (IGFM) sollen laut Beobachtungen von Presse-Vertretern auch die (Ex-) Republikaner-Führungsriege aus Westberlin mit den Vorsitzenden Weinschenk und Witt und der REP-Landesvorsitzende von Schleswig Holstein Emil Schlee anwesend gewesen seien.

26.  Juni 1988
Kundgebung gegen die „Deutsche Volksunion“ (DVU), die im „Internationalen Congress Centrum“ ICC ihren „DVU - Liste D“ Landesverband gründete.

7. Juli 1988
Der Polizeiliche Staatsschutz durchsuchte den Neonazi-Laden „Halloween“ in der Suarezstrasse in Berlin-Charlottenburg

13. Juli 1988
Auf Initiative der „Aktion Fluchtburg“ macht ein breites politisches Bündnis am Flughafen Tegel nochmals auf die Abschiebepraxis des Senats aufmerksam.

18. Juli 1988
Vier Neonazi-Skinheads werden in Wannsee festgenommen. Sie hatten in einem S-Bahnzug randaliert.

29. Juli 1988
Die in Westberlin mit Auftrittsverbot in der Öffentlichkeit belegte NPD nimmt als erster die neu eingerichtete „Alliierte Beschwerdestelle“ in Anspruch. Sie will an den Abgeordnetenhauswahlen im Januar teilnehmen dürfen.

3. August 1988
Einige Neonazis werden bei einem Discothekenbesuch im Steglitzer "Pop Inn" in der Ahornstrasse mit Eiern begrüßt.

10. August 1988
Mit Verstärkung überfallen Neonazis an diesem Abend das "Pop Inn" (Rache für die Eier vom letzten Mittwoch). Die Polizei ist diesmal schneller und nimmt u. a. die FAP-Aktivisten Arne K. und Oliver Sch. mit. Ein Prozeß gegen zwei Antifaschisten wegen angeblicher Sachbeschädigung an dem PKW eines Neonazis endet mit Freispruch.

13. August 1988
Eine „Nationale Union Deutschlands“ (NUD) - ein Zusammenschluß von etwa 30 Neonazis - verteilt in der Steglitzer Schloßstrasse Flugblätter. Ausschreitungen am 27. Jahrestag des Mauerbaus, von etwa 150 „ehemaligen DDR-Bürgern“ am Checkpoint Charlie, die West-Berliner Polizei ging dazwischen und die Demonstranten skandieren: "Deutsche Polizisten schützen Kommunisten!". Steine und Flaschen werden auf DDR-Grenzpolizisten geworfen. Dabei sind auch Neonazis, die letztes Jahr bei Aufmärschen in Spandau anläßlich des Todes von Rudolf Heß aufgefallen sind. REPs verteilen Flugblätter in Neukölln und um das Schlesische Tor. Darin unterstreichen sie noch einmal ihre Kandidatur zu den Wahlen in Westberlin. Außerdem tauchen verschärft "Republikaner"-Wurfsendungen in Briefkästen auf (Wahlkampf).

14. August 1988
Zehn bis fünfzehn Neonazis provozieren bei dem Fest auf dem Winterfeldplatz in Schöneberg, darunter Mitglieder von „Hertha Endsieg“. Als Wortführer tritt Jan Th. auf. Die Provokationen werden von AntifaschistInnen beendet. Drei Neonazis werden aus einer Kneipe am Mollendorfplatz, in die sie sich geflüchtet haben, geworfen.

16. August 1988
Ein Prozess gegen drei Antifaschisten (wegen REP-Kundgebung vor dem Reichstagsgebäude) wird wegen Nichterscheinens des Hauptbelastungszeugen verlegt.

  • 1"Confederation of Associations for the Unity ofthe Society of the Americans"