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Repression nach antifaschistischen Protesten in Lübeck

Roten Hilfe Ortsgruppe Kiel (Gastbeitrag)
Einleitung

Am 31. Januar und 14. März 1998 Jahres gingen Hunderte von AntifaschistInnen in Lübeck auf die Straße, um gegen zwei vom "Bündnis Rechts für Lübeck" geplante Aufmärsche durch die Hansestadt zu demonstrieren und diese zu verhindern. Der Widerstand gegen die Neo-FaschistInnen war breit und ebenso vielfältig die Aktionen. Nun rollt eine Prozeßwelle gegen viele der damals festgenommenen AntifaschistInnen an.

Symbolbild von Jean Pierre Hintze; CC BY-SA 2.0, flickr.com

Die neofaschistische Aktion im Januar 1998 war noch in letzter Minute durch den Lübecker Bürgermeister verboten worden, weil - so Bürgermeister Bouteiller - die Sicherheit und Ordnung nicht gewährleistet gewesen sei. So hatten 80 AntifaschistInnen versucht, den Neo-Faschisten die Zufahrt zu blockieren, wurden von der Polizei eingekesselt und »in Gewahrsam genommen«; an der Demonstrationsroute der Neo-Faschisten wurden Müllcontainer in Brand gesetzt.

Die juristischen Folgen der antifaschistischen Aktionen

Wegen der Aktionen im Januar 1998 wurden insgesamt 66 Verfahren wegen »Verstosses gegen das Versammlungsgesetz« eingeleitet. Betroffen von diesen Verfahren sind diejenigen, die in dem Kessel waren. Hiervon wurden vier Verfahren eingestellt, weil die Betroffenen im Ausland leben, 17 wurden rechtskräftig, weil nicht oder nicht rechtzeitig Widerspruch eingelegt oder der Bußgeldbescheid über 200 Mark zu spät bezahlt wurde. Gegen 45 Bußgeldbescheide wurde Widerspruch eingelegt.

Die ersten beiden Prozesse (beide gegen Jugendliche) haben bereits stattgefunden. In diesen ist das Verfahren »wegen geringer Schuld« eingestellt worden. Mittlerweile sind einzelne weitere Verfahren wegen Verstosses gegen das Versammlungsgesetz ohne Prozeß eingestellt worden. Gegen Leute, die in dem Kessel waren, laufen zudem noch einige Verfahren wegen Vermummung, Beleidigung oder Widerstand. Die ersten Strafbefehle zwischen 300 Mark und 600 Mark sind bei einigen Betroffenen angekommen. Gegen diese wurde - soweit uns bekannt - Widerspruch eingelegt.

Beim ersten Termin am 31. Januar 1998 machten einige der Neonazis auch konkrete Erfahrungen mit direktem antifaschistischen Widerstand. Im Zusammenhang mit diesen Auseinandersetzungen wurden gegen mindestens drei Menschen Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet; in einem Fall zusätzlich wegen Landfriedensbruches und Sachbeschädigung.

Der Aufmarsch im März 1998

Die Demonstration des "Bündnis Rechts für Lübeck" im März 1998 wurde mit einem großen Polizeiaufgebot, Wasserwerfern, Räumpanzern und Hundestaffeln durchgesetzt. Trotz Verbots gingen Hunderte von AntifaschistInnen in den Stadtteil, in dem die neofaschistische Demonstration stattfinden sollte, und versuchten durch Blockaden und andere Aktionen, den Aufmarsch zu verhindern. 426 AntifaschistInnen wurden »in Gewahrsam genommen« und eine Vielzahl von Strafverfahren eingeleitet. Darunter mindestens elf Verfahren wegen Landfriedensbruchs, mindestens zwei Verfahren wegen schwerer bzw. gefährlicher Körperverletzung, Verfahren wegen Widerstand, Gefangenenbefreiung und Verstosses gegen das Versammlungsgesetz.

Unter den von den Verfahren Betroffenen sind auch viele Jugendliche. Die große Zahl eingeleiteter Verfahren und Bußgeldbescheide sollte die AntifaschistInnen wohl einschüchtern und zukünftig von dem Versuch abhalten, neofaschistische Demonstrationen zu verhindern.

Im Zusammenhang mit der Demonstration im März sind nach Angaben der Stadt inzwischen viele Ordnungswidrigkeitsverfahren eingestellt worden, ohne daß es zu Prozessen kam. Damals hatte die Polizei unter anderem wahllos Mensehen festgenommen, nur weil diese sich in dem Stadtteil befanden, in dem die Neonnazis marschieren wollten.

Ausblicke

Bei den Verfahren aus dem Januar 1998 könnte es zu einer größeren Zahl von Einstellungen kommen. Diese dürfen jedoch nicht davon ablenken, daß mit einer ganzen Reihe von Prozessen gerechnet werden muß, die zum Teil schwerwiegende Vorwürfe beinhalten. Schon jetzt hat sich gezeigt, daß es dagegen durchaus gelingen kann, einen gewissen Druck auf die Verantwortlichen auszuüben, indem die Verfahren in der Öffentlich bekannt gemacht werden. Ein großer Teil der Betroffenen hat sich mittlerweile zusammengetan, um einen gemeinsamen Umgang mit den Verfahren zu finden. Schon die Tatsache, daß gegen die meisten Ordnungsgelder Widerspruch eingelegt wurde, und die Gerichte damit immerhin gezwungen sind, jeden Vorwurf zu verhandeln, beweist eine große Geschlossenheit.

Insbesondere für die Verfahren mit schwereren Tatvorwürfen dürfte es wichtig sein, weiterhin in der Öffentlichkeit die Legitimität antifaschistischen Widerstandes deutlich zu machen. Es bleibt abzuwarten, ob das breite antifaschistische Bündnis nach den gemeinsam durchgeführten Aktionen nun auch bereit ist, sich hinter die Opfer der Polizeieinsätze zu stellen.

(Alle in diesen Fällen von Repression Betroffenen werden gebeten, sich bei der Roten Hilfe Ortsgruppe Kiel melden.)