Alter Wein in neuen Schläuchen
Die Mecklenburgische Aktionsfront vernetzt bestehende neonazistische Strukturen.
Einen Adler haben die Anhänger der Mecklenburgischen Aktionsfront (MAF) sorgfältig auf ihr Transparent gemalt. In seinen Fängen eine Schlange. Bedenkt man das Nazi-Faible für nordische Mythologie, ist es vielleicht Aar, der Nidhögg besiegt. Vermutlich soll es aber nur ein irgendwie arisch-stolz-deutsches Federvieh im Kampf mit einem irgendwie jüdisch-schlängelndem-weltbeherrschenden Kriechtier sein.
MAF, PAF, FAF
...was auch immer – seit Ende 2002 tritt die MAF öffentlich auf, ist aber nicht die erste »Aktionsfront«. Im Januar 2004 wurde die Fränkische Aktionsfront vom bayrischen Innenminister wegen ihrer Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus verboten. Diese Gruppierung aus dem Nürnberger Raum inspirierte auch vorpommersche Neonazis. Diese interviewten die westdeutschen »Kameraden« in der Wolgaster NS-Postille »Der Fahnenträger«, und wenig später wurde just die Pommersche Aktionsfront vorgestellt. Die Konzepte und Selbstdarstellungen ähneln sich teilweise wortwörtlich. Die MAF teilt sich die Webpräsenz mit der Pommerschen Aktionsfront. Auch inhaltlich und organisatorisch eifern die Mecklenburger Kameraden der weiter östlich angesiedelten PAF nach und treten gemeinsam mit ihr auf.
Unter dem Modell der Aktionsfront verstehen die Neonazis dabei ein regionales Bündnis aus Gruppen und Einzelpersonen, »keine starre Organisation, mit Mitgliedsausweisen, Mitgliedsbeiträgen, periodischen Sitzungen und sonstigem üblichen Popanz«. Von diesem Konzept versprechen sich die Rechten eine »kontinuierliche schlagkräftige und schwer einzuschätzende Aktionsgemeinschaft« und Schutz vor staatlichem Zugriff. In Vorpommern ist klar, dass Kameradschaften etwa aus Wolgast, Anklam, Ueckermünde, von der Insel Usedom und einige NPD-Kreisverbände in dem braunen Bündnis mitwirken. Die MAF hingegen kann nicht auf einen derartig verzweigten Pool aus festen Organisationen zurückgreifen. Zwar schaffte es deren »Propaganda« auch bis nach Friedland, Bützow oder Waren, die Basis konzentriert sich aber eher auf Neustrelitz und Umgebung. Zudem ist das Label MAF auch nur der neue Name für alte Strukturen.
Neustrelitzer und Brandenburger Altlasten
Da wäre zum einen der Unabhängige Freundeskreis (UFK), der sich nach dem Unfalltod seines Neustrelitzer Führers Ronny Klein im Jahr 1998 vor allem mit Wald-und-Wiesen-Aktivitäten wie »Wanderungen, Sonnenwenden und Zeltlagern« beschäftigte: ein Aktionsfeld, das der MAF ebenso liegt. Auch auf der UFK-Internetseite kämpft ein Adler – diesmal gar gegen mehrere Schlangen.
Im selben regionalen Zusammenhang ist »Der Weisse Wolf« zu nennen. Vor acht Jahren startete Maik Fischer dieses Nazi-Blatt in einem Brandenburger Knast. Mittlerweile ist die 19. Ausgabe für drei Euro über ein Neustrelitzer Postfach zu erwerben, oder unter der Rubrik »Schriftgut« beim Neustrelitzer »Hünengrab-Vertrieb« zu beziehen. Ansonsten bietet dessen Betreiber Martin Ebeling dort allerlei braunen Black-Metal an und verschickt aus der elterlichen Wohnung auch eigene Produktionen mit den Bands »Branstock« und »Asatru«. Seit 1999 ist der »Weisse Wolf« mit einem separaten Internet-Auftritt online, für den der Neustrelitzer David Petereit verantwortlich zeichnete.
Petereit gilt als einer der Initiatoren der Mecklenburgischen Aktionsfront. Mehr schlecht als recht versucht er zur Zeit in Neubrandenburg »neues Potential« zu gewinnen. Erster Schritt sollte wohl die Verlagerung des Postfachs der MAF in die »rote Hochburg« sein. Am 19. März versuchte er zudem mit zwanzig Gesinnungsbrüdern erfolglos in einen Vortrag über Nazi-Kameradschaften zu kommen. Auch bei dem blockierten Neubrandenburger Gemeinschaftsaufmarsch im April blieb ihm nicht viel mehr zu tun, als bei den »Kameraden« um Geld für die Demokosten zu betteln.
Flugblätter und Aufkleber der Mecklenburgischen Aktionsfront unterzeichnet neuerdings aber der brandenburgische Neonazi Mathias Wirth. Wirth ist als NPD-Funktionär ins Wittstocker Stadtparlament eingezogen. Anfang des Jahres verließ der 24jährige die NPD, weil diese einen Bosnier für die Europa-Wahl aufstellte. Zu undeutsch für Mathias Wirth – dieser bleibt Abgeordneter und tritt nun für einen »Bund Nationaler Sozialisten« bzw. die »Bewegung Neue Ordnung« auf. Gegenwärtig muss er sich allerdings wegen Landfriedensbruch und versuchter gefährlicher Körperverletzung verantworten. Im Oktober 2001 hatte sich Wirth in Wittstock mit über 60 weiteren Neonazis bei einer »Geburtstagsfeier« eine Saalschlacht mit einer Polizei-Hundertschaft geliefert. Diese Mischung aus Parlament und Gewalt könnte dem MAF Konzept entlehnt sein, dort heißt es: »Als legitim gelten alle Formen des Widerstandes«.
Generationsübergreifende Gemeinschaft
Als einzig neue Gruppierung in der MAF könnte der Stargarder Freundeskreis angesehen werden. Dieser tritt in Burg Stargard, einer Klein-Stadt bei Neubrandenburg, verstärkt auf. Allerdings dürften auch hier einige schon länger aktive Neonazis ihrem Treiben einen neuen Namen gegeben haben. Schon 1999 sorgte der örtliche Jugendclub des Fokus-Vereins für Unruhe, deren MitarbeiterInnen offensichtlicher Nazipropaganda in den Räumlichkeiten nicht entgegentreten konnten. Hinzu kamen alljährliche Aktionen zum Todestag von Rudolf Heß. Neu dürfte allerdings die Krabbelgruppe dieses Freundeskreises sein. Der jugendlichere Teil der Nazi-Gruppierung gab sich den Titel »Jungsturm« und bezieht sich damit offenbar auf die Vorgängerorganisation der Hitlerjugend. Kinderkram ist der Stargarder Freundeskreis aber mitnichten – unterstützt und getragen wird die Gruppe auch von älteren Kameraden, Eltern und ewig gestrigen »Zeitzeugen«. Als Treffpunkte gelten in Burg Stargard ein Garagenkomplex, Privatgärten und nicht zuletzt der öffentliche Raum. So war der Tierparkvorplatz in der Walpurgisnacht im April diesen Jahres für nichtrechte Gäste tabu, dort feierten etliche Naziskins etwas abseits der offiziellen Burg-Feierlichkeit.
»Unseren gefallenen Helden«
Die Mitglieder der MAF eint ihre nationalsozialistische Gesinnung: antisemitische Schmierereien, Hetze gegen die Anne-Frank Ausstellung und in Neustrelitz soll es im letzten Jahr gar ein »Bücherverbrennungs-Revival« gegeben haben. Fragt man sich auf der Startseite der Aktionsfront noch, wessen Augen die Besucher begrüßen, gibt spätestens Hitlers Signum auf einem MAF-Banner die Antwort. Die Verehrung von NS-Verbrechern und Wehrmacht spielt sich nicht nur im virtuellen Raum ab. Im Oktober letzten Jahres trotteten 50 Neonazis mit Fackeln und Fahnen auf den Burg Stargarder Denkmalsberg, um dem Wehrmachtsgeneral Otto Ernst Remer zu gedenken. Der gebürtige Neubrandenburger wirkte an der Niederschlagung des Militäraufstandes vom 20. Juli 1944 mit und blieb bis in den Tod ein Nazi, der den Holocaust leugnete.
Dessen Enkel im Geiste gaben sich richtig Mühe – offenbar putzten sie das Denkmal zuvor und beeindruckten abends mit einem »Laienspiel« und dem »Absingen des Liedes ›Ein junges Volk steht auf!‹«. Dass der Stein an den 1. Weltkrieg erinnert, störte MAF-AnhängerInnen dabei nicht. Die Inschrift »Unseren gefallenen Helden« reichte dem rechten Huldigungsdrang. In Teterow lockte am 22. November 2003 zusätzlich Freibier und Gratis-Glühwein zum Heldengedenken. Wiederum im Fackelschein schmückten hier etwa 50 Neonazis die Krypta des dortigen Ehrenmals mit ihren Flaggen.
Am 25. April dieses Jahres versammelte sich die rechte Gemeinschaft erneut auf dem Denkmalsberg – allerdings diesmal als ungeplante Ersatzhandlung. Kurz zuvor hatten hundert Alt- und Neonazis versucht, bei Carpin ein Gräberfeld zu Ehren der Waffen-SS zu errichten, die vor 59 Jahren hier noch kurz vor Kriegsende gegen die Rote Armee kämpfte. Die Polizei beseitigte den Runenwald, den Mecklenburgische und Pommersche Aktionsfront offenbar gemeinsam geplant hatten. Gemeinsam protestierten die beiden Nazi-Bündnisse auch gegen die Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht« in Peenemünde.
Deutsche als Opfer
Mit der Kampagne »Opa war in Ordnung« stellten sich die Nazis von heute nicht nur klar auf die Seite der Täter von gestern – sie konstruieren gar eine deutsche Opferrolle. So propagierte die MAF am 8. Mai diesen Jahres eine »Befreiungslüge«. Auf Flugblättern, Plakaten, Transparenten werden die Millionen Toten der NS-Herrschaft verschwiegen und die Deutschen, die das System mehrheitlich stützten, zu den Leidtragenden stilisiert. Dafür werden Verbrechen einiger Sowjetsoldaten und Angriffe der Alliierten als Beleg angeführt. Den Angriff der Allierten auf Dresden bezeichneten die MAF’ler bei einem Aufmarsch als »Bombenholocaust«. Auf einem anderen Transparent mit der Aufschrift »Es ist kein Verbrechen, Volk und Vaterland zu schützen« verwandeln sie gar den mörderischen Aggressor zu einen Beschützer.
Kein Vergessen!
Die zunehmende Vernetzung und Organisierung der Neonazis wird in Burg Stargard, Neustrelitz und andernorts offenbar nicht ernstgenommen. Der revisionistischen Agitation und der Verankerung lokaler rechter Strukturen kann nicht nachhaltig begegnet werden, wenn es bei ein paar Polizeieinsätzen bleibt. In der Pflicht sind hierbei auch Verwaltung, Politik und die EinwohnerInnen der betreffenden Orte. Dabei muss nicht nur das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus wachgehalten werden. Gleichzeitig müssen kriegsverherrlichende Denkmäler entfernt oder als Überbleibsel einer unmenschlichen Zeit gekennzeichnet werden. Und nicht zuletzt muss den Nazi-Propagandisten und ihrer Anhängerschaft offensiv entgegengetreten werden.
Informationen über Nazistrukturen und antifaschistische Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern: www.links-lang.de