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Mehr als das Gedächtnis einer Bewegung

Einleitung

Ein riesiger Quellen- und Materialpool für die antifaschistische Arbeit ist das Archiv »apabiz«. Seit Anfang der 1990er Jahre beobachtet die Initiative aus Berlin die extreme Rechte der Bundesrepublik und taugt zudem zur Geschichtsforschung in eigener Sache – über die antifaschistische Bewegung.

»Ehrlos« sei er und zudem ein »Volksschädling«, heißt es in einem 30 Jahre alten Neonazi-Pamphlet über den damals linksradikalen Horst Mahler. Das selbsternannte »Reichs-Rechtsnotstandsgericht der NSDAP« verhängt darum ein Todesurteil gegen Mahler und setzt auch gleich eine Belohnung für seine »Tötung oder Ergreifung« aus. Der »Richterspruch« wurde nie zurück genommen. Für die rechtsextreme Szene ist Mahler also bis heute als Todeskandidat zu betrachten, obgleich er sich bekanntermaßen seit längerem selbst als Antisemit, Holocaustleugner und Chef der »Reichsbürgerbewegung« positioniert hat. Wie solche Jahrzehnte alten Anekdoten wieder ans Tageslicht kommen?

Seit Anfang der 1990er Jahre existiert in Berlin-Kreuzberg das »Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum« (apabiz), das Publikationen von und über die (extreme) Rechte in der Bundesrepublik sammelt und auswertet. Im Laufe der Jahre hat sich die Sammlung des apabiz immer mehr verbreitert. Eine ganze Fabriketage füllt das Material inzwischen aus: Flugblätter, CDs und Schallplatten, Magazine, Zeitungen und Zeitschriften, Bücher, Aufkleber, Versandkataloge und selbst Kleidung aus der extremen Rechten. Hinzu kommt eine Bibliothek mit wissenschaftlicher Fachliteratur, Sondersammlungen und ein umfangreiches Archiv mit Ausschnitten von Presseberichten. Das apabiz ist wohl das größte öffentlich zugängliche Archiv zum Thema Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Darüber hinaus wird auch versucht den internationalen Rechtsextremismus nicht aus den Augen zu verlieren. In der Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Kooperationspartnern  nimmt das im Oktober 2003 gegründete Netzwerk Antifa-Net. International Antifascist Network for Research and Action eine wichtige Rolle ein. Antifa-Net ist eine Plattform verschiedener antifaschistischer Zeitschriften und Initiativen in Europa und den USA.

Nicht selten kommen Fundstücke wie das vergessene Todesurteil gegen Horst Mahler während der Arbeit im Archiv zu Tage. Die Anfänge des apabiz liegen in den späten 1980er Jahren, damals noch als ein Teilbereich des linken Archiv für soziale Bewegungen »Papiertiger«. Als der Bestand und der Arbeitsaufwand immer größer wurden, gründete sich das apabiz und zog in separate Räume. Im Jahr 1994 wurde ein Trägerverein gegründet. Bis heute wird der Betrieb des Archivs zum größten Teil ehrenamtlich geleistet und über Spenden und Fördermitgliedschaften finanziert.

Die NutzerInnen des Apabiz reichen von SchülerInnen und Studierenden, die sich Material für einen Vortrag besorgen wollen, über Antifas auf der Suche nach detaillierten Hintergrundinformation bis zu JournalistInnen, die einen O-Ton für eine Reportage suchen. Auch aus Kommunalverwaltungen, Parteien und Gewerkschaften, Konzertagenturen oder von SozialarbeiterInnen werden Anfragen gestellt. Auch Anfragen wie »Bitte schickt mir alles zu Rechtsextremismus in Deutschland« versuchen wir zu beantworten.

Breite Resonanz findet auch die Bildungsarbeit, welches neben dem Archiv den Zweiten wichtigen Bestandteil des apabiz darstellt. Über 100 Veranstaltungen, quer durch die gesamte Bundesrepublik und dem Ausland, halten die ReferentInnen des apabiz jährlich. Das Spektrum der Veranstalter die ReferentInnen des apabiz einladen reicht von der ländlichen Antifagruppe über unabhängige Bildungsträger bis zu regionalen Strukturen verschiedenster Parteien. Sie schöpfen dabei aus einem Fundus von nahezu 60 Vorträgen, die politische und kulturelle Entwicklungen im Rechtsextremismus genauso beleuchten wie rechte Tendenzen in der Esoterik oder die Braunzonen im Konservatismus.

Für AntifaschistInnen lohnt ein Besuch im apabiz nicht nur, um in den Originalquellen aus der (extremen) Rechten zu stöbern. Interessant dürfte auch ein Blick in die Sammlung mit Publikationen aus der antifaschistischen Bewegung selbst sein. Mit der anhaltenden Beschäftigung mit der (extremen) Rechten geht beim apabiz die Begleitung der Antifabewegung einher. Zahlreiche Antifamagazine und Jugendinfos, Flugblätter und Plakate sind im Archiv versammelt und laden dazu ein, wiedergelesen zu werden. Die Reflexion älterer Konzepte und das Bewusstmachen, wie treffend oder unzutreffend die damaligen Analysen waren, können der weiteren antifaschistischen Politik nur von Nutzen sein. Die Voraussetzung dafür ist im apabiz durchaus vorhanden – auch als Gedächtnis der Antifabewegung kann es genutzt werden. Allein schon die große Anzahl von Antifapublikationen aus den 1980ern bis Mitte der 1990er Jahre im Vergleich zu den weit weniger präsenten, jüngeren Veröffentlichungen gibt Auskunft darüber, dass es um die Schreibfreude der Antifa einmal besser stand. Die wenigsten Veröffentlichungen der antifaschistischen Bewegung werden noch außerhalb des Internets publiziert und in gedruckter Form einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Mit eigenen Beiträgen zu Publikationen und Kampagnen versucht das apabiz, über die reine Präsentation von Wissen und Material hinaus zu wirken. Das Archiv ist beispielsweise, genauso wie das Antifaschistische Infoblatt, an der Kampagne »Kein Bock auf Nazis« beteiligt. Mittels Aufklebern, einer Gratis-DVD und einer Zeitung sollen SchülerInnen über Rechtsextremismus aufgeklärt und zu antifaschistischem Engagement ermutigt werden. Neben den Mitinitiatoren von der Punkband ZSK haben sich inzwischen auch Künstler wie die Toten Hosen, die Ärzte und Muff Potter für »Kein Bock auf Nazis« eingesetzt. Mittlerweile beläuft sich allein die Auflage der SchülerInnenzeitung auf eine Viertelmillion Exemplare. Angegliedert an das apabiz ist das Projekt »Turn it Down«, welches seit 2005 über Rechtsrock aufklärt und subkulturelle Initiativen unterstützt.

Eine Art Aktualisierung des Broschürenklassikers »Tipps und Tricks für Antifas« ist das vom Apabiz getragene Projekt »What we can do«, welches auf einer Internetseite Hinweise für die antifaschistische Praxis bereit hält. Hinzu kommen zahlreiche Broschüren- und Buchbeiträge von ApabizmitarbeiterInnen sowie der zweimonatlich erscheinende Archivrundbrief »Monitor«. In diesem wird nicht nur über unsere aktuelle Arbeit in den Bereichen Archiv und Bildungsarbeit berichtet, sondern auch über aktuelle Analyse und Entwicklungen zur (extremen) Rechte berichtet.


Antifaschistisches Pressearchiv und
Bildungszentrum e.V.
Lausitzer Straße 10
10999 Berlin


Öffnungszeiten Mo: nach Vereinbarung (11.00–17.00 Uhr)
Di: nach Vereinbarung (11.00–17.00 Uhr)

Mi: geschlossen!

Do: 15.00–19.00 Uhr (ohne Anmeldung)

Fr: nach Vereinbarung (11.00–17.00 Uhr)


Kontakt
Telefon und Fax: (030) 611 62 49
www.apabiz.de
mail [at] apabiz.de

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