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»Braune Schwestern?«

In der »reihe antifaschistischer texte (rat)« des UNRAST-Verlags ist vor einigen Wochen das Buch »Braune Schwestern? Feministische Analysen zu Frauen in der extremen Rechten« erschienen. Herausgegeben wird es von zwei Zusammenhängen: dem Antifaschistischen Frauennetzwerk und dem Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus. Die Herausgeberinnen haben ihre Erfahrungen im Bereich antifaschistischer und antirassistischer Arbeit, insbesondere zum Thema Frauen und Rechtsextremismus, gesammelt und stellen ihre auch im wissenschaftlichen Forschungsprozess entstandenen Thesen und Ansätze zum Thema zur Diskussion. Ihre Intention besteht u.a. in der Klärung der Frage, inwieweit die zunehmende Bedeutung von Frauen (und die damit verbundenen Veränderungen)in der extremen Rechten zu Entwicklungen führen, die Anknüpfungspunkte zwischen feministischen und extrem rechten Diskursen herstellen könnten. Dabei verstehen sich die Herausgeberinnen als Feministinnen, unter Verwendung eines als grundsätzlich herrschaftskritisch und emanzipatorisch ausgerichtet verstandenen Feminismusbegriffs. Aufgrund dieser differenzierten Sichtweise auf das Phänomen extrem rechter Frauen, einer Schnittstelle verschiedener gesellschaftlicher Widerspruchsstrukturen Betroffenen/Opferstatus zwischen aufgrund patriarchaler Unterdrückung und gleichzeitig z.B. rassistischer Täterinnenschaft, betonen die Autorinnen, dass die extrem rechten Frauen genauso rassistisch und nationalistisch agieren, wie ihre männlichen Pendants. Die gesellschaftlichen Strukturen bedingten lediglich unterschiedliche Handlungsstrategien und Vorgehensweisen. Grundsätzlich, stellen die Autorinnen den einzelnen Beiträgen voraus, sei die Zahl der Frauenorganisationen gestiegen, die Relevanz und Bedeutung von Frauen in der extremen Rechten habe zugenommen und es gebe durchaus Frauen, die sich mit traditionellen Rollenzuweisungen auseinandersetzen. Dennoch bleibe festzuhalten, dass diese Entwicklungen nicht dazu geführt hätten, die Kategorie Geschlecht innerhalb der Diskurse extrem rechter Frauen anderen Themen und Kategorien voranzustellen. Stattdessen gelte auch für extrem rechte Frauen das Primat des Völkischen: die rassistischen Konstruktionen und das Ziel einer »homogenen Volksgemeinschaft« definiert über rassistische In- und Exklusion. Die festzustellende Zunahme der Vielfalt weiblicher Lebensentwürfe/-ideale und partiell entstandene Akzeptanz der extrem rechten Männer gegenüber sich den »traditionellen Frauen- und Mutterrollen« entziehenden extrem rechten Frauen sind, den Autorinnen zufolge, Anpassungsleistungen der extremen Rechten an gesellschaftliche Modernisierungsprozesse. Die hierbei auftretenden Widersprüche zwischen traditionellen Rollenzuweisungen und tatsächlichem Leben führten weniger zu Brüchen, denn zur Verknüpfung unterschiedlicher Interessen unter einem politischen »Dach«. Kirsten Döhring und Renate Feldmann sowie Rena Kenzo stellen in ihren Beiträgen Frauen als Aktivistinnen und Akteurinnen in der extremen Rechten in den Mittelpunkt. Michaela Köttig zeigt verschiedene empirische Forschungsansätze zum Thema Frauen und Rechtsextremismus auf und plädiert für die fallrekonstruktive Forschung, die die familien- und lebensgeschichtlichen Dimensionen extrem rechter Handlungen und Einstellungen miteinbezieht. Renate Bitzan arbeitet in ihrem Beitrag »Differenz und Gleichheit» Berührungspunkte zwischen rechtsextremen Diskursen zu Frauen und feministischen Ansätzen heraus. Cordelia Heß beschreibt den Zusammenhang zwischen Sexismus und Antisemitismus in der völkischen Ideologie und Gaby Elverich schildert die einigen Wandlungen unterworfene Familienpolitik des französischen Front National. Die Autorinnen erhoffen sich von ihrem Buch »einen Anstoß für weitere politische und wissenschaftliche Auseinandersetzungen«. Das Buch bewegt sich sehr gut lesbar zwischen Praxis und wissenschaftlicher Forschung und schafft es, weder zu hochgestochen theoretisch, noch zu sehr im Stile eines Praxisleitfadens daher zu kommen, weshalb es absolut lesens- und empfehlenswert ist - sowohl für Neulinge, als auch für »alte Hasen« und »SpezialistInnen« im Bereich »Frauen und Rechtsextremismus«. In Zeiten, in denen Rechtsextremismusforschung oft von wissenschaftlichen SpezialistInnen ohne grundsätzlich formulierte Gesellschaftskritik betrieben wird, machen insbesondere das offensive Eintreten und Einfordern konsequent herrschaftskritischer Perspektiven und Positionen, sowie die Tatsache, dass die Herausgeberinnen zu den Wenigen gehören, die sich kontinuierlich aus feministischer Sicht mit der extremen Rechten auseinandersetzen, das Buch zu einer sehr wichtigen Lektüre.

Antifaschistisches Frauennetzwerk, Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus (Hg.):
»Braune Schwestern? Feministische Analysen zu Frauen in der extremen Rechten«
UNRAST-Verlag, Januar 2005, 142 Seiten, 14 Euro