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Antifa Gençlik

AK Wantok

Das vorliegende Buch ist eine Dokumentation von veröffentlichten Texten, Flugblättern und Positionspapieren zwischen 1988 und 1994 der Antifa Gençlik. Wohlbemerkt haben die Herausgeber_innen keine rein objektive Zusammenstellung von Texten in lediglich zeitlicher Abfolge vorgenommen, sondern die dokumentierten Beiträge werden inhaltlich durch weitere Beiträge kontextualisiert und eingeordnet.  In dem Vorwort, welches mit einem weiteren Text den ersten Teil des Buches ausmacht nehmen die Herausgeber_innen Stellung zu dieser Tatsache und den damit verbundenen Zielen. So ist es ihnen wichtig „Bewegungsgeschichte“ zu bewahren, sich mit den Aspekten von „migrantischer Selbst­organisation“ und „antifaschistischer Bewegung“ analytisch auseinanderzusetzen und dem Versuch aus „migrantischer Perspektive in einen kapitalistischen, rassistischen und von faschistischen Tendenzen geprägten Allltag zu intervenieren“ ein Forum zu bieten, da „entsprechende Ansätze und Diskussionen […] nichts an Aktualität verloren [haben].“

Der zweite Text der Einleitung von Garip Bali nimmt eine historische und soziale Verortung vor. Dabei steht „die Situation der Migrant_innen in Deutschland Ende der 80er Jahre“ im Mittelpunkt. Auch die für das soziale und politische Leben wichtige Vereinskultur und die für Berliner Jugendliche  wichtige Subkultur der Gangs werden thematisiert. Die auch damals vielfältig in der Mehrheitsgesellschaft vorhandenen rassistischen  Stimmungen gegen Migran­t_innen und „Gastarbeiter“ und die rein praktische Frage des Umgangs mit Neonaziterror waren u.a. Ausgangspunkt für die Gründung der Antifa Gençlik, „in der sich Gruppen aus einigen Stadtteilen Berlins“ zusammenfanden.

Im zweiten Teil folgen Artikel, Flugblätter und Interviews. Diese Zeitdokumente geben einen sehr guten Überblick über damalige Diskussionen, Inhalt und Standpunkte von Antifa Gençlik wieder. Im Mittelpunkt steht dabei die Diskussion um die Notwendigkeit migrantischer Selbstorganisation gegen Neonazis. Sehr zu empfehlen ist das Interview mit der Arranca von 1994, da dort kurz, aber ausführlich genug viele Aspekte von Antifa Gençlik dargestellt werden. Auch dem Tod des Neonazis Kaindl und der darauf folgenden Repression, die mit dem Ende der Antifa Gençlik eng verbunden war, wird Raum gewidmet.

Den Abschluss des zweiten Teils liefert der Text von Ercan Yasaroglu mit dem Titel „Kritik Selbstkritik“. In diesem sehr persönlichen und teilweise emotionalen Text von 1994 wird als gesellschaftliche Einordnung neben der allgemeinen Situation von Migrant_innen in Deutschland und deren Kindern und Jugendlichen auch die Situation der Migrant_innen der 2. und 3. Generation und die Beziehung der deutschen Gesellschaft zum Thema Migration beschrieben. Diese Einordnung dient als Grundlage zur Erklärung, warum es u.a. damals in Berlin zur Gründung von Antifa Gençlik gekommen ist. Ein weiterer Teil ist die Selbstkritik/Kritik der Beziehungen und Hierarchien innerhalb der Gruppe. Die Diskussionen zwischen Theorie und Praxis, zwischen notwendiger Militanz und Mackertum werden dabei genauso thematisiert, wie das Verhältnis zur deutschen Linken. Des Weiteren werden die Repression gegen den Zusammenhang und die bei der Antirepressionsarbeit vergessenen Angehörigen und Familien der Betroffenen angesprochen. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff „Integration“ schließt diesen Teil des Buches ab.

Der dritte Teil des Buches besteht aus einem Text von Çağri Kahveci, der auch als Nachwort dient. Darin ordnet er Antifa Gençlik als eine „wichtige Episode der antifaschistischen Linken und wichtige Erfahrung für viele Migrant_innen“ ein, die „dennoch […] klar gemacht [hat], wo die Grenzen und Möglichkeiten einer gleichberechtigten Zusammenarbeit lagen“.

AK Wantok [Hg.]:
Antifa Gençlik — Eine Dokumentation [1988-1994]
Unrast Verlag, 165 Seiten, 13,- EUR