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Ausgerockt. Neun Jahre Begleitmusik zu Mord und Totschlag

Einleitung

Am 2. Oktober 2001 wurden die vier Mitglieder der Berliner Neonaziband Landser sowie deren Vertriebsleiter verhaftet. Die Maßnahme ist das Ergebnis einer fünfzehnmonatigen Ermittlungstätigkeit der Bundesanwaltschaft, die nun auch wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen die Band ermittelt. Damit wird erstmals anerkannt, dass es sich bei neonazistischer Musik nicht nur um ein Propagandadelikt handelt.

Bild: attenzione-photo.com

Der frühere "Landser"-Sänger Michael Regener ("Luni") vor Gericht.

Landser gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Bands der Naziskinheadszene, ihre CDs werden zu Tausenden kopiert und auf Schulhöfen und in Jugendclubs weitergereicht. Rein musikalisch lässt sich der Erfolg der Gruppe nicht erklären. Was Landser ausmacht ist der Mythos, an dem die Band von Anfang an gearbeitet hat: Wo andere Rechtsrock-Bands versuchen, ihre rassistischen und antisemitischen Inhalte zu verschleiern, um so der Indizierung zu entgehen, legen Landser es direkt darauf an, auf dem Index zu landen. So heißt es dann auch auf der CD »Ran an den Feind« : »...solange der Scheißstaat existiert, wird auch Landser immer wieder indiziert...«.

Live-Auftritte gab es kaum und wenn, dann stand die Band vermummt auf der Bühne. Das konspirative Gebaren hatte einen einfachen Grund: Landser wusste, dass den Sicherheitsbehörden ihre Identität bekannt war, sie mussten verhindern, dass der Polizei Liveaufnahmen von Konzerten, Bandfotos oder Videos in die Hände fielen. Unter den Augen der hilflosen Sicherheitsbehörden konnte sich Landser so zu der Nazi-Kultband schlechthin entwickeln. Im Sommer 2000 witterten die Ermittler endlich ihre große Chance: Landser plante ein Konzert im kanadischen Toronto. Doch den deutschen Nazis wurde schlichtweg die Einreise durch die kanadischen Behörden verweigert, welche dem Treiben nicht tatenlos zusehen wollten.

Ärgerlich für die deutschen Ermittler, welche ihre Kollegen informiert hatten und sich bereits für eine Observation in Kanada bereit hielten. Die Band probte derweil unter den Augen der Polizei ein mal wöchentlich ungestört in ihrem neuen Proberaum, dem Keller eines Mietshauses im Potsdamer Vorort Bornstedt in Brandenburg. Hier grölte die Gruppe ihre Nazilieder vorsichtshalber in schlechtem Englisch, in der Hoffnung, die Brandenburger Dorfbewohner würden ihre gewalttätigen und nazistischen Texte so nicht verstehen. Neben dem Schutz vor staatlicher Verfolgung sorgte die Konspirativität auch für das Image der Gruppe. Keine andere deutsche Neonaziband ruft so unverhohlen zu Mord und Totschlag am politischen Gegner auf wie Landser.

Dass diese Aufrufe auch in die Tat umgesetzt wurden, beweisen zwei der bekanntesten Nazimorde der letzten Jahre: Landser lieferte die Hintergrundmusik, als am 13. Februar 1999 der Algerier Farid Guendoul nach einer tödlichen Hetzjagd in Guben um`s Leben kam. Während die tödliche Hetze begann, lief im Wagen der Neonazis die Landser-CD »Republik der Strolche«. Und als Alberto Adriano am 12. Juni 2000 in Dessau zu Tode getreten wurde, hatten die Täter noch das Afrika-Lied, eines der bekanntesten Landserstücke im Ohr, mit dem sie sich vor der Tat gemeinsam in Stimmung brachten. Bei dem folgenden Prozess erkannte ein deutsches Gericht erstmalig einen direkten Zusammenhang zwischen dem Abspielen der Musik und der darauf folgenden Tat.

Dass der selbstgewählte Name »Terroristen mit E-Gitarre« für die Gruppe Programm ist, hat jetzt auch die Bundesanwaltschaft erkannt. Zum ersten Mal in der Rechtsgeschichte wird eine Musikgruppe als kriminelle Vereinigung verfolgt. Den Mitgliedern wird vorgeworfen, durch Verbreiten von Tonträgern in volksverhetzender Weise zu Hass und Gewalt gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt und zu rechtswidrigen Taten aufgefordert zu haben. Die Erkenntnis, dass es sich bei Nazirock nicht um ein Propagandadelikt handelt, ist - zumindest für antifaschistische Initiativen – nicht neu. Warum die Bundesanwaltschaft sich erst jetzt der Gruppe angenommen hat, verwundert. Immerhin besteht die Band schon seit neun Jahren, und in dieser Zeit gab es genügend Anlässe, die ein Einschreiten gerechtfertigt hätten.

Bisherige Ermittlungen und Festnahmen bezogen sich immer nur auf die illegalen Vertriebswege der Landser-CDs, nie auf die Band selbst.Dabei war spätestens seit 1998, bei dem Prozess um den Vertrieb der Landser-CD »Rock gegen Oben«, die damalige Besetzung der Band bekannt. Auch die engen Kontakte zu dem inzwischen verbotenen Neonazi-Netzwerk Blood & Honour und der Berliner Neonazitruppe »Vandalen – Ariogermanische Kampfgemeinschaft«, aus deren Umfeld die Band 1992 entstand, belegen, wie stark die Gruppe in der militanten Neonaziszene verwurzelt ist.

Alte Bekannte

Jean-Rene B. (34), Unterstützer der Band Landser und führendes Mitglied der Vandalen, wurde erst im Mai 2000 festgenommen, nachdem er zusammen mit Frank Lutz (ehem. Vorsitzender der Nationalen Alternative in Berlin) dem Neonazi Ralf L. (Königs Wusterhausen/Brandenburg) und seinem Begleiter Daniel G., ein halbautomatisches Präzisionsgewehr samt Zubehör und Munition überlassen hatte. Das Gewehr war für einen Anschlag auf Linke vorgesehen, der Angriff blieb aus und Jean-Rene B. wurde auf Bewährung entlassen.1 Um den Handel der Original-CDs kümmerte sich bei Landser vor allem der inzwischen auch festgenommene Vertriebsleiter Jan Werner (26) aus Chemnitz. Werner leitete früher die Blood & Honour Division Sachsen, trat aber nach Streitigkeiten mit seinen Kameraden aus. Er betreibt das Label »Movement Records« und brachte das Skinzine »White Supremacy« heraus, eine Zeitschrift der Blood & Honour-Bewegung. Werner verfügt über gute Kontakte ins Ausland, vor allem in die USA, wo bei dem Nazilabel »Panzerfaust« die letzte Landser CD »Best of Landser« produziert wurde. Der Schlagzeuger von Landser, Christian Wenndorff (22), spielte zuvor bei anderen neonazistischen Bands wie »Querschläger«, »Volkstroi«, »Thorshammer« und »Aryan Brotherhood«.

Der vielbeschäftigte Musiker konnte die U-Haft nach sechs Wochen bereits wieder verlassen. Ebenfalls festgenommen wurde der Gitarrist Andre »Möhre« Möhricke (34) und der Sänger und Bandleader Michael »Lunikoff« Regener (36). Lunikoff gehört ebenfalls zu den Vandalen, deren Mitglieder zum harten Kern der aktiven Nazi-Szene in Berlin zählen. Auch zu Blood & Honour, deren deutsche Division im September 2000 verboten wurde, bestehen enge Kontakte. Als B&H Band Nr.1 gaben Landser ihre einzigen Interviews der deutschen und der englischen Ausgabe des B&H-Magazins. Wie eng die Verbindungen zwischen B&H und Landser wirklich sind, zeigen die Ermittlungen und Verfahren im Zusammenhang mit Landser.

Hier wurde deutlich, dass Landser bei der Herstellung und dem Vertrieb ihrer CDs auf Bestandteile des B&H-Netzwerkes zurückgegriffen hat. Schlüsselpersonen der Vertriebswege wurden von B&H-Aktivisten besetzt. Bereits 1998 wurde Martin Stefan R. im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Landser-CD »Rock gegen Oben« festgenommen. Martin R., der mit seiner damaligen Freundin Dorothee B. in der elterlichen Weißenseer Apotheke die Landser-CDs verpackte, begann seine Karriere bei der Wiking Jugend und wurde dann zum B&H-Aktivisten. Auch der Hamburger Torben Klebe, der als einziger bei dem damaligen Prozess nicht mit Bewährung davon kam, gehört dem Blood & Honour- Netzwerk an.

Dies alles weist augenfällige Parallelen zu den Maßnahmen im Zuge des B&H-Verbotes auf: Auch bei B&H wurden keine erwähnenswerten Geldbeträge sichergestellt, die Strukturen wurden weder materiell noch strukturell dauerhaft geschädigt. Das trifft auch bei Landser zu, die genau wie B&H schon immer konspirativ organisiert waren und den Schritt in den Untergrund schon bei ihrer Gründung vollzogen hatten. Der Anziehungskraft von Landser wird diese Maßnahme ebenso wenig schaden, wie es bei B&H der Fall war. Im Zuge der Landser-Festnahmen wurden Anfang Oktober insgesamt 22 Wohnungen und andere Objekte von den Landeskriminalämtern Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen durchsucht.

Hier wurden angeblich Belege dafür gefunden, dass die Landser-Mitglieder an Treffen mit militanten, bewaffneten Neonazis in den USA und in Kanada teilgenommen haben. Dass Landser auf ein internationales Netzwerk zurückgreifen kann, war auch schon Jahre vor den 15monatigen Ermittlungen des Berliner Staatsschutz bekannt. Bei der CD »Republik der Strolche«, die 1995 erschien, hatte NS 88 aus Dänemark die Produktion übernommen. 1998 wurde die CD »Rock gegen Oben« in den USA hergestellt und über die Niederlande durch einen Kurier in die BRD gebracht. An der Herstellung von »Ran an den Feind« waren dann schon mindestens drei Länder beteiligt: Die Aufnahmen erfolgten in einem Londoner Tonstudio, gepresst wurde die CD in einer dänischen Fabrik und das Beiheft zur CD wurde in Osteuropa gedruckt. Von den 8.000 Stück der Erstauflage wurden lediglich 200 Exemplare beschlagnahmt. Der größte Teil der Auflage fand jedoch seinenWeg in die Plattenschränke der Neonazis.

Die Katze beißt sich in den Schwanz

Antifaschistische Initiativen haben immer wieder auf die Gruppe und den Einfluss ihrer Musik hingewiesen. Die Wirkung rassistischer und antisemitischer Texte auf Jugendliche wurde von offizieller Seite jahrelang verharmlost. Zum Teil wurden Neonazibands von staatlichen Stellen gefördert, ihnen wurden Proberäume zur Verfügung gestellt und erste Aufnahmen ermöglicht. Diese Mittel stehen denen gegenüber, die der Staat nun aufwendet, um die Auswirkungen ihrer Politik zu bekämpfen. Was rein ökonomisch gesehen schon Irrsinn ist, hat politisch eine fatale Aussage.

Rechtsextreme Bands sind Teil einer kulturellen Bewegung, ihre Musik spielt eine große Rolle bei der Verbreitung ihrer menschenverachtenden Ideologie. Mit Hilfe von Bands wie Landser ist es den Neonazis gelungen, einen vorpolitischen Raum zu erobern, sie führen einen Kulturkampf und das mit großem Erfolg. Nun wird offiziell, wovor AntifaschistInnen schon seit Jahren warnen: Es gibt in der deutschen Neonaziszene terroristische Bestrebungen, die ernst zu nehmen sind. Was die deutschen Verfassungsschutzbehörden als »Ansätze« runter spielten, ist für die Menschen, die nicht in das rechtsextreme Weltbild passen, schon seit langem eine reale und manchmal tödliche Gefahr.

Den bevorstehenden Prozess verdanken Landser einem ihrer Bandmitglieder, denn trotz aller Sicherheitsvorkehrungen reichte den Ermittlern letztendlich ein simpler Blick in den Gitarrenkasten von Andre Möhricke aus. Hier lagen die in deutscher Gründlichkeit nieder-geschriebenen Grifffolgen der Landser-Lieder. Sollten die Beweise tatsächlich ausreichen, um die Band hinter Gitter zu bringen, bleibt die spannende Frage, was nach der Haftentlassung passiert. Die Band hat auf der CD »Ran an den Feind« diese Frage für sich schon beantwortet: »..aber Rockmusik kann nicht alles sein, und eins, das ist gewiss, fallen mir irgendwann keine Texte mehr ein, dann werd ich Terrorist«.

  • 1Am 5. Oktober 2000 wurden vor dem Amtsgericht Berlin Jean Rene B. zu zehn Monaten Freiheitsstrafe, Daniel G. zu acht Monaten Freiheitsstrafe und Ralf L. zu zwei Jahren Freiheitsstrafe (alle zur Bewährung) verurteilt. Frank Lutz erhielt für den Verstoß gegen das Waffengesetz eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung. Ralf L. aus Königs Wusterhausen war früher bereits neben dem späteren V-Mann Carsten Szczepanski ein Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 StGB. Das Verfahren galt der Gründung oder des Versuchs der Gründung einer Teilorganisation des amerikanischen Ku-Klux-Klan auf deutschem Boden.