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Die „Prepper“-Szene in Deutschland

Konstantin Nowotny
Einleitung

Die deutsche „Prepper“-Szene bewegt sich zwischen Survival-Hobby und rechtem verschwörerischen Irrsinn. Ihre Anhänger sind auf alles vorbereitet, ob real oder fiktiv.

Bild: Screenshot mopo.de

Knäckebrot & Knarren: Die Endzeit kann kommen.

Zwischen Wasserfilter und Waffenwahn

Beim Einkaufen schaue ich kurz auf den letzten Tweet von Trump und entscheide dann, ob ich noch ein paar Kerzen und Konserven mehr brauche.“, twitterte der Werbetexter Peter Breuer im Januar. Dem Witz folgt einige Sekunden später die unangenehme Gewissheit: So Unrecht hat er vielleicht gar nicht. Es ist das Jahr 2017, in dem der Social-Media-Account des US-Präsidenten ein nervös zitternder Seismograf für die Weltpolitik ist. Journalisten auf der ganzen Welt öffnen jeden Morgen das Tor zur 140-Zeichen-Hölle — und was dort steht, liegt irgendwo zwischen Banalität und Atomkrieg.

Die Endzeit war lange nicht so nah wie jetzt. Die „Doomsday Clock“ ist eine symbolische Uhr für den Countdown zum Weltuntergang, die von amerikanischen Atomwissenschaftlern seit Jahrzehnten als Warnsignal betrieben wird. 2016 stellten die Forscher die Zeiger erstmals seit dem Kalten Krieg auf drei Minuten vor Mitternacht — wobei die Stunde Null den „endgültigen“ Atomkrieg darstellen soll. Das wird der Komplexität des Weltmachtgefüges keineswegs gerecht, aber ein wichtiger Indikator bleibt: Die gefühlte Stimmung ist so apokalyptisch wie lange nicht mehr, bei Atomphysikern wie beim Durchschnittsbürger.

Wenn natürliche Furcht zum Wahnsinn wird

Die Angst vor dem Unkontrollierbaren, dem Übermächtigen, ist das Lieblingswerkzeug der Politik, vor allem der rechten bis extrem rechten Schlagseite. Angst ist eigentlich eine nützliche Emotion. Sie erhöht den Blutdruck, beschleunigt den Puls und macht schnelle Entscheidungen unter Adrenalinausschüttung möglich. Die unbestimmte, unbewusste Furcht vor nichts Konkretem ist eine andere Art von Angst – im Englischen heißt sie „anxiety“ und ist mehr als nur „fear“.

Der natürliche Reflex auf einen Schreck ist Flucht oder Angriff. Eine unheilvolle, unkonkrete Bedrohung verlangt entweder Vorbereitung oder den „präventiven Erstschlag“. So wurden schon Weltkriege geführt. Panische Angst vor dem Verlust der Leistungsfähigkeit kuriert die Leistungsgesellschaft mit Ernährungstrends und Fitness-Wahn. Gegen die Furcht vor dem Weltuntergang helfen aber keine Chia-Samen. Da hilft nur die Psychotherapie, oder: aufrüsten.

Hinter diesem Gedanken hat sich die weltweite Bewegung der sogenannten „Prepper“ (von „to prepare“) gebildet. Der Begriff bezeichnet Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, vor einem gefühlt-antizipiertem Endzeitszenario prophylaktisch zu schützen. Für einige ist es nur ein Hobby, bei anderen tendiert das zum Wahn. In Deutschland ist das Online-Portal „Vorbereiter“ eine Anlaufstelle für Prepper. Auf der Startseite heißt es: „Bist du bereit für den 3. Weltkrieg?
Der geneigte Prepper findet hier die nötige Portion Angst zwischen falschen und richtigen Terrormeldungen und Tipps, wie es sich im Atombunker nett einrichten lässt. Die politische Tendenz des Portals ist eindeutig. Gewalttätig aufgelöste Demonstrationen im „multikulturellen Frankreich“ werden als „Bürgerkrieg“ dargestellt. Viele Prepper fürchten sich vor den Zahlen der Zuwanderung und unterliegen einer bewussten oder unterbewussten Rasseargumentation: Wenn Menschen aus einem anderen „Kulturkreis“ auf „Einheimische“ stoßen, muss es zu Unruhen kommen. Manchmal macht die Argumentation hier schon Schluss, hin und wieder geht sie weiter: Der „Bürgerkrieg“ ist gewollt und gesteuert, von der Bundesregierung, den Amerikanern oder dem „Finanzjudentum“. Das Ziel ist die „Umvolkung“ oder die Ausrottung des deutschen Volkes. Die Grenzen zur sarrazinischen Rassenideologie oder zum Antisemitismus bis hin zum quasi-pathologischen Wahnsinn sind fließend. Ob die Bedrohung real ist, spielt keine Rolle mehr.

Vorbereiten“ als harmloses Hobby?

Es gibt aber auch moderate Prepper. Bastian Blum ist einer der bekanntesten Köpfe in der deutschen Szene und Chef der „Prepper Gemeinschaft Deutschland“ (PGD). Diese grenzt sich von politischen Motiven für die Krisenvorsorge klar ab. Mit „Rechts- und Linksradikalen“ oder der „Reichsbürger“-Bewegung will die PGD nichts zu tun haben. Auf der Facebook-Seite gibt es Tipps, welcher Baumarkt gerade eine günstige Klappsäge im Angebot hat oder wie man sich einen Wasserfilter basteln kann. Hier geht es gesittet und manchmal selbstironisch-humorvoll zu. Zum Valentinstag zeigte die Seite eine eingeschweißte Notfallration Ravioli, angerichtet mit Rotwein bei Kerzenlicht.

Krisenszenarien, die Blum für wahrscheinlich hält, sind nicht der Bürger- oder Atomkrieg, sondern eher Stromausfälle oder Überschwemmungen. Eigentlich gibt es dafür das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Seit dem Kalten Krieg spielte es kaum noch eine Rolle — bis jetzt. Erstmalig seit 1989 gab das Amt wieder ein Strategiepapier für die Zivilverteidigung heraus. Zahlreiche Medien berichteten an der Grenze zur Hysterie, dass die Bundesregierung zu „Hamsterkäufen“ aufrufe. Im Originalpapier heißt es, die Bevölkerung solle einen „individuellen Vorrat an Lebensmitteln für einen Zeitraum von zehn Tagen vorzuhalten.“

Über solche Ratschläge können echte Prepper wie Blum nur lachen. „Mir ist es eigentlich egal, was in Berlin gesagt wird“, antwortete er in einem Interview zum Strategiepapier. Selbst wenn Blum und seine PGD nicht den Hang zum Fanatismus haben, bedienen sie das gleiche Muster der Angstbewältigung. Ein Bundesamt kann das nicht leisten, es verlangt nach Handarbeit. Das muss bei einem Prepper-Keller mit Angelzubehör und Wasserfilter keineswegs halt machen.

Selbstverteidigung“: Zur Not mit Waffengewalt

In den USA sammeln die sogenannten „Doomer“ Waffen für den Ernstfall. Hier wird ganz offen gegen „Feinde im eigenen Land“, gemeint sind häufig Immigranten, vorgesorgt — natürlich nur zur „Selbst­­­ver­teidi­gung“ und ganz im Sinne der amer­i­­ka­­nischen Verfassung. Das geschieht besonders gern dort, wo es so gut wie keine Immigranten gibt: Auf dem Land, im endlos leeren Mittleren Westen der Staaten, wo der extrem rechte Ku-Klux-Klan wieder Mitgliederzuwachs hat. Niemand kann so genau sagen, wie viele Waffenlager in den Einfamilienhäusern zu finden wären.

In Deutschland wurde ein solches vor kurzem erst ausgehoben. Im norddeutschen Pinneberg fand die Polizei bei einem 62-jährigen neben „auffälligen Schriften“ 114 Gewehre und Handfeuerwaffen sowie etwa 1,5 Tonnen Munition — so viel, dass zum Abtransport die Bundeswehr anrücken musste. Seit kurzem rüsten die Deutschen auf. Im ersten Halbjahr 2016 stieg die Anzahl der ausgestellten Kleinen Waffenscheine von knapp 300.000 auf 400.000. Der Anstieg begann direkt nach den Silvesterereignissen in Köln von 2015. Besitzer des Scheins können legale Schreckschuss- und Gaswaffen auch außerhalb ihrer Wohnung mit sich führen.

Portale wie „Vorbereiter“ springen auf diesen Zug auf und klären umfangreich über legale Waffen auf. Das Geld verdienen andere. Zahlreiche Neonazi-Versandhändler, die sonst Rechtsrock-Textilien verkaufen, haben ihr Sortiment um legale Waffen erweitert. In dem Online-Versandhandel „Migrantenschreck“ ließ sich bis vor kurzem die gleichnamige Waffe, eine AK-47-Imitation, mit lebensgefährlicher und in Deutschland illegaler Schusskraft von 150 Joule bestellen. Nach Razzien bei Kunden des Online-Shops ist die Seite mittlerweile nicht mehr auffindbar. Das hält Willige natürlich nicht auf. „Legale“ Waffen gibt es mittlerweile überall, zum Beispiel beim KOPP-Verlag. Der Buchhandel mit einer Vorliebe für neurechte, antisemitische und andere Verschwörungstheorien hat auch Pfefferspraypistolen zur „Tierabwehr“ im Angebot. Diese Message kommt bei den Lesern an. Bücher zu Angstszenarien wie der „Umvolkung“ gibt es dort zuhauf. Auf bekannten Prepper-Portalen schaltet Kopp zudem Anzeigen.

Die unkonkrete, innere „anxiety“ äußert sich schnell in einem Gefühl realer, externer Bedrohung. Wer sich bedroht fühlt, will sich verteidigen. Der Griff zur Waffe kann damit als „Selbstverteidigung“ gerechtfertigt werden. Bei einer Waffenrazzia in der Wohnung eines sogenannten „Reichsbürgers“ kam erst im Januar ein Polizist durch Schüsse ums Leben. Wenn sich harmlose Bunkerbauer unter dem Einfluss von Rechten oder irren Verschwörern politisch motivieren, wird die Vorbereitung für den Ernstfall zum Pulverfass — egal wie die Realität aussieht.

(Der Autor studiert im Master Soziologie in Dresden. Er publiziert u.a. in "Der Freitag" und "Die Welt".)