Fight Club Sachsen
»Stehst du auf der Gästeliste im Fight Club? – Der Eintritt ist hier nicht für jeden im Fight Club.«
»HOO-NA-RA« – rufen die fast 300 Neonazis zwischen den anderen 500 Gästen des »Fight Club Chemnitz«. »HOO-NA-RA« steht für »Hooligans – Nazis - Rassisten« und ist nicht nur der Schlachtruf, sondern auch die ebenso treffende wie ehrliche Selbstbezeichnung des lokalen Milieus aus Neonazis, Hools und Kriminellen.
Die Szene feuert mit ihren »HOO-NA-RA«- und sporadischen »Sieg Heil«–Rufen ihre Kämpfer Rico Malt und Rene Wilulinski an. Die beiden stehen im Dezember letzten Jahres im Ring einer gut besuchten Kampfsport-Gala mit dem Namen »Fight Club Chemnitz«. Wenn die beiden sich nicht im Ring als Thai-Boxer oder Free Fighter versuchen, marschieren sie beispielsweise mit Kameraden gegen den »alliierten Bombenterror« in Dresden im Februar 2005 oder im September 2004 gegen die Antifa in Chemnitz.
Rico Malt organisierte im Frühjahr 2004 ein Konzert mit der lokalen Hatecore-Band »Blitzkrieg« in Chemnitz. Auch das lokale Neonazibekleidungsgeschäft Backstreetnoise (BSN) nutzt die »Fight Club«-Veranstaltungen für sich und hängt gut sichtbar ein BSN-Werbebanner neben dem der Volksbank Chemnitz auf. Der Lokalmatador, der Thai-Boxer Gregor Reinhardt, lässt seinen Rücken bereitwillig per Airbrush von BSN als Werbefläche umfunktionieren.
Im Backstreetnoise werden anschließend nicht nur die DVDs der Kampfsportveranstaltungen, sondern auch die Karten für den nächsten Fight Club verkauft. Auch in Leipzig entdecken Neonazis die prestigeträchtigen Kampfsport Veranstaltungen für sich. Der Wurzener Neonazi und Betreiber des Musik-Versandes Front Records, Thomas "Tom" Persdorf, sponsert mit seiner Firma Protexdruck die Kämpfer der Kampfsportclubs »KG KSC Germania Leipzig« und die »Fighting Fellas 28 Wurzen«.
Der codierte Nom de Guerre steht für Brotherhood, ist aber auch als die Insignien des in Deutschland verbotenen Neonazimusiknetzwerkes "Blood & Honour" zu interpretieren. Zu dessen Umfeld vermutlich auch Thomas Persdorf gehörte. Er soll sogar zu einem Personenkreis von Neonazis gehören, gegen den wegen Fortführung von Blood & Honour ermittelt wurde. Persdorf pflegt mit seiner Druckerei Protexdruck auch sonst gute Beziehungen zu den »Fellas«. Denn der »Fighting Fellas Brotherhood« ist nicht nur ein Kampfsportclub, sondern auch ein Label für Streetwear.
Im Onlineshop www.gewalttaetersport.de wirbt das Label mit »Textilien, Musik, DVDs rund um den Vollkontakt«. Der Verdacht einer intensiveren Geschäftsbeziehung zwischen Persdorf und dem Label Fighting Fellas liegt nahe. Und fast zwangsläufig werden dann am Verkaufsstand in Leipzig CDs aus dem Sortiment von Frontrecords neben Hooligan-Streetwear des Labels und T-Shirts vom Fußballclubs LOK Leipzig angeboten.
Treffpunkt Kampfsportgalas
Alle Kampfsportgalas, bei denen Thai-Boxen und Free Fight geboten werden, wirken insbesondere in Sachsen wie ein Magnet auf Neonazis. Gerade die Amateur-Kampfveranstaltungen »Ostdeutsche Free-Fight Meisterschaft 2004« in Köthen, »Der Schacht brennt« im erzgebirgischen Ölsnitz, »Ostdeutschland kämpft« in Leipzig, oder der »Fightclub Karl-Marx-Stadt« wirkten wie inoffizielle Treffen einer Mischszene aus Neonazis, Hools, Rockern und Kriminellen.
Diese Verbindungen sind in Chemnitz seit Jahren nahezu ungestört gewachsen. Gerade in der Region Chemnitz speist sich die militante Neonaziszene aus einem subkulturellen Milieu verschiedener Szenegänger. Ihre Schnittstelle ist dabei nicht nur die Affinität zur Gewalt, sondern auch gemeinsame Geschäfte. In Sachsen arbeiten und kooperieren Türsteher und Neonazis aus dem Rotlichtmilieu eng mit Neonazi-Geschäftsleuten aus dem Musikbereich oder der Security-Branche zusammen.
Ein Beispiel ist eine Security Firma, zu deren Angestellten auch »HOO-NA-RA«-Neonazi-Hools gehört haben sollen. Angehörige dieser Security erschlugen vor einigen Jahren in Hohenstein-Ernsthal den Punker Patrick T. Einige sollen auch beteiligt gewesen sein, als am 25. September 2004 ein Mob aus etwa 250 Neonazi-Hools versuchte, eine Antifa-Demonstration gegen den Versandhandel Backstreetnoise anzugreifen.
Und auch in Dresden und der Sächsischen Schweiz tritt diese Mischung immer häufiger in Erscheinung. So beteiligten sich an den Versuchen, am 12. Juni 2004 und am 27. November 2004 in Pirna die Antifa-Demonstrationen anzugreifen oder zu verhindern, neben den bekannten Neonazis der Region eine große Anzahl von Hooligans, die sonst nur im Dynamostadion anzutreffen sind.
Der Veranstalter der Fightclubs in Westsachsen, Henryk Kretzschmar, reagierte auf den Vorwurf von Antifas, Veranstaltungen zu organisieren, bei denen sich Neonazis präsentieren können, mit einer Mischung aus offensivem Leugnen und überforderter Ratlosigkeit. Dann entschloss er sich, den Fightclub in Oelsnitz im Februar und in Chemnitz im Mai unter das Motto: »Sportlich Fair – Gegen Hass und Gewalt« zu stellen.
In Chemnitz verbot er den Kämpfern sogar, zur eigenen Begleitmusik in den Ring zu steigen, um zu verhindern, dass Lieder von Neonazibands erklingen. Er erlaubte der Polizei, während der Veranstaltung anwesend zu sein und zu filmen. Auch das Zeigen von neonazistischen Symbolen und Tragen von einschlägigen T-Shirts sollte so unterbunden werden. Und trotzdem – »Hatecore is more than music« – trägt Rico Malt auf dem T-Shirt, als er im Februar in Oelsnitz den Ring betritt.
Ebenfalls im Freefightmilieu aktiv ist der Neonazi Tim Bartling aus Neumünster. Der aus Dänemark stammende Bartling war Mitbegründer des Club 88 Neumünster und ist seit mehr als zehn Jahren in der Neonaziszene aktiv. Seinen rechten Ellenbogen ziert ein tätowiertes Hakenkreuz. Bartling war einer der wesentlichen Antreiber des Clubs und zeitweise auch dessen Sprecher. Im Kampfsportverein »Athletik Klub Ultra e.V.« nahm Tim Bartling lange Zeit den Part des 1. Vorsitzenden ein.
Dieser Club wurde von Neumünsteraner Neonazis gegründet, um Jugendliche an den Kampfsport und gleichzeitig an neonazistische Inhalte heranzuführen. Seit 3-4 Jahren hat sich Bartling aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und auf den Kampfsport konzentriert. 2002 wurde er Europameister im Jiu Jitsu und er kämpft regelmäßig Free Fight Kämpfe. Eigenem Bekunden nach hat er mit der Neonaziszene nichts mehr zu tun. Das dieses kaum stimmen kann, zeigt, dass er noch im Februar diesen Jahres im Namen des Athletik Klub Ultra kämpfte.
Widerstand
Erfreulich ist, dass gegen die Neonazis im Publikum und im Ring neben Antifas auch einige Kampfsportler vorgehen. Insbesondere in der »Free-Fight Association Germany« gibt es Kämpfer, die sich offen und sehr konsequent für die bedingungslose Ausgrenzung von Neonazis aussprechen.
In einem Internet-Forum schreibt dazu ein Freefighter aus Berlin: »Es gibt bestimmte Leute mit denen redet man nicht (...) wenn sie beim Training oder einer Veranstaltung auftauchen dann setzt man sie ohne Diskussion vor die Tür (...) man kämpft nicht mit denen sondern man bekämpft sie (...)«. Allerdings hält ein Veranstalter entgegen: »In Orten wie Köthen könnte man auch ein Bowling- oder ein Tischfussballturnier organisieren und es wären trotzdem die Nazis da.«