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Neofaschisten in Griechenland

Dimitris Psarras

Wer sich in die Anatomie der neonazistischen, griechischen Partei Chrysi Avgi tiefer einarbeiten will, sollte zwingend auf die detail- und umfangreichere Publikation von Dimitris Psarras „Neofaschisten in Griechenland — Die Partei Chrysi Avgi“ zurückgreifen. Mit diesem im Laika Verlag erschienenen Buch liegt die erste umfassende Darstellung der Chrysi Avgi im deutschsprachigen Raum vor.

Besondere Aufmerksamkeit kam der neonazistischen Partei spätestens mit ihren griechenlandweiten Wahlerfolgen 2012 zuteil. Wurden die bis dahin erfolgten Angriffe auf migrantische Händler_innen in den Innenstädten und die unmenschliche Inhaftierung derjenigen Geflüchteten, die auf dem Weg nach Europa nicht ums Leben kamen, noch unter einem Erstarken der extremen Rechten in Europa subsumiert, änderte sich dies am 18. September 2013. An jenem Tag wurde der 34-jährige Antifaschist Pavlos Fyssas in Piräus von einem Mitglied der Chrysi Avgi ermordet.

Nun hatte die internationale antifaschistische Bewegung ein sichtbares Opfer für das demonstriert werden konnte, und in Griechenland gab es erstmals bei den seit Jahrzehnten andauernden politischen Auseinandersetzungen ein griechischstämmiges Opfer. Das führte u.a. zu einer verstärkten Repression gegen Chrysi Avgi, den Erfolg an den Wahlurnen scheint dies jedoch nicht zu gefährden.

Vielleicht hat in Griechenland auch eine Gewöhnung an solche Auseinandersetzungen stattgefunden, forcieren Chrysi Avgi-Mitglieder diese doch schon seit Ende der 1970er Jahre. Genau hier setzt das Buch von Psarras an und führt den Lesenden chronologisch bis ins Jahr 2012. Nachvollziehbar schildert der Autor den Aufbau der neonazistischen Parteistrukturen, ihre regionale Verankerung, die ideologischen Muster und vor allem auch die Kontinuitäten und Parallelen im Aktionismus griechischer Neonazis.

Mit dem Ende der Militärdiktatur in Griechenland 1974 organisierte sich die extreme Rechte neu. Wichtig waren dabei die bestehenden Kontakte in die alte Junta-Elite. Diesem Umfeld entstammten auch jene Neonazis, die im Dezember 1980 erstmals die Zeitschrift Chrysi Avgi herausbrachten. Bis 1984 beschäftigte sich diese Gruppe in erster Linie mit der Veröffentlichung (neo-)nazistischer Propaganda. Erste große politische Erfolge feiert die Chrysi Avgi dann Anfang der 1990er Jahre im Zuge einer nationalistischen Welle, die sich angesichts des Jugoslawienkrieges in Griechenland ausbreitete. An der Seite serbischer Nationalisten nahmen auch einzelne Chrysi Avgi-Mitglieder an kriegerischen Auseinandersetzungen teil, während antimuslimische Agitation und rassistische Angriffe in Griechenland einen ersten Höhepunkt erreichten. Mehr als 50 Übergriffe sind in der Zeit von 1992—1997 verzeichnet, ohne dass dies ernsthafte juristische oder politische Konsequenzen für die Neonazis mit sich gebracht hätte. Vielmehr attestiert Psarras noch für die Folgejahre den drastischen Anstieg eines rassistischen Klimas in Griechenland, welches die Aktivitäten der Chrysi Avgi begünstigt.

Psarras macht darüber hinaus deutlich, wie die bereits erwähnten Kontakte in die alten Eliten sowie die etablierte Politik, das Militär, die Kirche und insbesondere zur Polizei, die Chrysi Avgi in ihrer Ausbreitung, bis hin zu den ersten Wahlerfolgen 2009, unterstütz(t)en. Wie eingangs erwähnt scheint eine Schwächung der greichischen Neonaziszene im Moment nur schwer vorstellbar. „Die CA hat in ihrer ganzen Geschichte nie einen Hehl aus ihrer Bereitschaft gemacht, die gewaltsame Vertreibung der ,Fremden’ aus Griechenland mittels des Gebrauchs grundloser Gewalt und unter dem Vorwand der Selbstjustiz zu organisieren. Ihr Wahlerfolg führte sie nun nicht etwa zu ,moderaten’ oder ,systemkonformen’ Mitteln des politischen Kampfes, sondern verstärkte im Gegenteil ihre Bereitschaft zu ,nächtlichen Aktionen’.“ Auch wenn diese Einschätzung nicht zwangs­läufig Optimismus auslöst, scheint eine detaillierte Auseinandersetzung notwendig, um Wirkungsweise und Vorgehen neonazistischer Gruppen zu erfassen und dementsprechend bekämpfen zu können. Eine Möglichkeit dafür liefert das hier vorgestellte Buch.

Psarras, Dimitris,Hrsg.: LAIKA-Verlag, Hamburg
„Neofaschisten in Griechenland — Die Partei Chrysi Avgi“
224 Seiten |19 Euro | ISBN: 978-3-944233-07-9